Viel mehr als Hüpfen und Jubeln

02.04.2007, 00:00 Uhr
Viel mehr als Hüpfen und Jubeln

Sven und «Rossi» von den «Nürnberger Cheer Devils» bleibt gerade mal eine Minute. Eine Minute, um all das zu präsentieren, was sie in wochenlangem Training einstudiert haben, eine Minute, in der jeder Sprung, jede Hebefigur möglichst perfekt sitzen muss. 50 Kilo leicht ist Roswitha Altenbach, hat kein Gramm Fett zu viel an ihrem durchtrainierten Körper. Und doch gerät Sven Schönecker bereits nach wenigen Sekunden ins Schwitzen. Schließlich trägt er seine Partnerin buchstäblich auf Händen, stemmt die zierliche Dunkelhaarige gar auf einem Arm hoch in die Luft.

«Die Kunst ist es, das Ganze möglichst leicht aussehen zu lassen, auch wenn es das nicht ist», sagt der 26-jährige Versicherungskaufmann, der den Sport seit fünf Jahren betreibt und damit gleich einen der häufigsten Irrtümer widerlegt: Das Cheerleading («cheer» heißt Jubel, «leading» so viel wie führen) ist keineswegs eine reine Frauendomäne, im Gegenteil. Als Ende des 19. Jahrhunderts an der University of Minnesota ein erstes Anfeuerungsteam gegründet wurde, waren dort ausschließlich Männer aktiv. Erst um 1920 kamen auch Frauen zum Zuge. Heute gibt es sowohl reine Mädchen- als auch gemischte Teams. Einer der prominentesten Ex-Cheerleader ist der frühere amerikanische Präsident George W. Bush. Ursprünglich entstanden, um die heimischen Football-Teams anzufeuern, hat sich das Cheerleading längst zu einer eigenen Sportart entwickelt.

Vor allem in Deutschland, wo nach einem eigenen Regelwerk trainiert wird, hat die schweißtreibende und anspruchsvolle Akrobatik mit ihrem ursprünglichen Zweck nicht viel am Hut. Holger Schmidt von der Nürnberger CentralCheerleadingAgency schätzt, dass rund 60 Prozent der deutschen Teams nichts mit Football zu tun haben.

So wie die «Dusky Sparks» aus Bad Sulzungen, die gerade ihrem ersten Auftritt bei einem Wettkampf entgegen fiebern und sich vor der Halle gegenseitig Mut zusprechen. Die Mädchen trainieren an ihrer Schule, sind vor allem von der Mischung aus Akrobatik und Tanz begeistert. «Das ist wie Bodenturnen ohne Stufenbarren und Pferd und macht einfach unheimlich viel Spaß», sagt Alexandra Eiche (17). Ganz ungefährlich sind all die waghalsigen Sprünge und Flicflacs aber nicht. Die eine beklagt einen Kreuzbandriss, die andere eine gebrochene Nase und Monika Schmidt (18) hat sich ihren Fuß lädiert, als sie beim Rad schlagen den Kopf ihrer Partnerin getroffen hat. «Man muss halt die Zähne zusammen beißen.»

Ohnehin ist die Sportart nichts für schwache Nerven. In der Aufwärmhalle formiert sich der Nachwuchs der «Shorty Angels» aus Gera gerade zur Pyramide. Kaum ist sie oben angekommen, lässt sich die sechsjährige Tia schon wieder mutig nach hinten fallen - in die Arme ihrer Mitstreiterinnen natürlich. Ein paar Meter weiter streben die «Blue diamonds» vom DJK Falke Nürnberg mit ihren Figuren noch höher hinaus. Die zwölf Mädchen im Alter zwischen zehn und 15 Jahren suchen noch Verstärkung. Der Sport sei einfach «total vielseitig», wirbt Trainerin Octavia Brandstätter.

Seinen amerikanischen Ursprung kann und will das Cheerleading allerdings nicht verleugnen. Schriller Jubel empfängt die Teams vor dem Auftritt, gezeigt werden «Stunts» (Hebefiguren), «jumps» (Sprünge) und der «Basket toss», bei dem ein Sportler vier bis fünf Meter hoch in die Luft geschleudert wird. Und dann gibt es noch die «Chants» (Sprechgesänge), die, mit oder ohne Football-Team, Teil des Auftritts sind. Durch den raschen Wechsel der Elemente ist die Vorführung für Neulinge gewöhnungsbedürftig, doch die akrobatische Leistung beeindruckt allemal.

«Es gibt nichts Besseres, als vor Publikum zu zeigen, was man kann», schwärmt denn auch Roswitha Altenbach. «Das ist Adrenalin pur.» Die enorme Herausforderung in Sachen Technik, Ausdauer, Kraft und Konzentration gefällt ihrem Partner Sven. «Das habe ich noch in keiner anderen Sportart gefunden.»