Virtuelle Party im Lockdown: Eine Nürnbergerin verbindet Leidenschaft mit Engagement

Isabella Fischer

Hochschule & Wissenschaft

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3.4.2021, 07:56 Uhr
In normalen Zeiten findet man Alba Wilczek am Wochenende meist hinter den Plattentellern. Während des ersten Lockdowns im vergangenen Frühjahr organisierte sie mit ihrem Team ein Online-Festival, die Spenden gingen an die Nürnberger Kulturszene. 

© krusminter In normalen Zeiten findet man Alba Wilczek am Wochenende meist hinter den Plattentellern. Während des ersten Lockdowns im vergangenen Frühjahr organisierte sie mit ihrem Team ein Online-Festival, die Spenden gingen an die Nürnberger Kulturszene. 

Die Luft ist stickig, die Bierflaschen wandern schnell über den Tresen. Die Tanzfläche ist voll, die Stimmung ausgelassen – so sahen die Wochenenden vor der Pandemie in den Clubs der Stadt aus. Im März vergangenen Jahres war dann jedoch Schluss mit lustig. Lockdown. Und der Rest ist seitdem traurige Geschichte. Die Kultur- und Musikszene vegetiert seit über einem Jahr in der Ungewissheit, wann sie wieder loslegen darf.

Für Alba Wilczek zerplatzen im ersten Lockdown gleich mehrere Vorhaben. Die 25-Jährige ist an den Wochenenden gerne mit ihren Freundinnen durch die Clubs der Stadt gezogen. Entweder stand sie auf der Tanzfläche, hinter der Bar im Z-Bau oder sie sorgte als DJane selbst für die richtige Stimmung. Doch das ist ihr irgendwann nicht mehr genug. Aus der Partygängerin wird eine Partyveranstalterin.


Hiphop-Festival will Nürnbergs lokale Szene unterstützen


Wochenlang steckt sie jede freie Minute in eine neue Hiphop-Reihe, "Goodies", die ab März vergangenen Jahres in der Nürnberger Musikzentrale hätte stattfinden sollen. Hätte. Zwei Wochen vor dem ersten Termin muss Wilczek alles abblasen. Nach einigen Tagen der Resignation steht für das Energiebündel fest: Ruhig sitzen bleiben ist keine Option. Wenn sie in den vergangenen Monaten eines gelernt hat, dann, wie aus der Not heraus kreative Alternativen entstehen.

Gesagt, getan: Mit ihren Freunden trinkt sie fortan in Videokonferenzen Bier, auf der Social-Media-Plattform Instagram teilt sie ihre DJ-Sets per Livestream. Es ist ihr Versuch, die Clubatmosphäre in die Wohnzimmer zu bringen und den Verlust der eigentlichen Party zu kompensieren. Doch auch das ist der jungen Frau irgendwann nicht mehr genug.


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Wilczeks Freunde sagen über sie: "Die Alba kümmert sich immer um Andere, hat immer ein offenes Ohr." Und: "Die Alba ist immer unterwegs." Die geborene Fürtherin ist in der örtlichen Subkultur-Szene fest verwurzelt. Gibt es Veranstaltungen in Fürth, Erlangen oder Nürnberg, ist sie nicht weit entfernt. Doch durch die Pandemie sind viele ihr bekannte Gesichter aus der Szene quasi arbeitslos geworden, von den Kollegen hinter der Bar über die Tontechniker bis zu den Veranstaltern.

"Es muss doch irgendetwas geben, was man machen kann, um der Kultur unter die Arme zu greifen”, denkt Wilczek sich. So formt sich langsam die Idee. Gemeinsam mit Veranstalter und Grafikdesigner Marko Meth legt Wilczek los mit ihrem Plan. Ein paar Anrufe später hat sie ihr Team beisammen und sie legen los mit ihrem Plan: ein mehrwöchiges Hiphop-Streaming-Festival unter dem Namen "Nbg Hip Hub", mit Künstlerinnen und Künstlern aus der ganzen Region.

Wichtige Eckpfeilfer für das gelingen des Festivals waren Wilczeks guter Freund und DJ-Kollege Luca "Dufte" Sellerer, der unter anderem in einem DJ-Workshop Einblicke in die Kunst des Auflegens gab und die Brüder Tim und Jan Weinzierl vom Subkulturverein Nürnberg, die sich um die technischen Belange kümmerten. "Ohne dieses Team und weiteren Helferinnen und Helfern wäre das Ganze niemals möglich gewesen”, betont Wilczek.


Künstlerinnen und Künstler können sich in der Facebook-Gruppe verknüpfen. Zur Gruppe geht es hier entlang...


Der Name ist Programm: "Hiphop war und ist das musikalische Sprachrohr, um auf Missstände jeglicher Art aufmerksam zu machen – das passt auf einer anderen Ebene auch zum Lockdown", erklärt die 25-Jährige. "Wir sind seit einem Jahr in einem gesellschaftlichen Ausnahmezustand, von dem ganz viele Menschen betroffen sind, insbesondere in der Kultur, die immer noch keine Perspektive hat." Das Wortspiel "Hip Hub" soll dabei das musikalische Sammelbecken repräsentieren, den Dreh- und Angelpunkt. "Wir wollten einen Ort schaffen, an dem sich die Szene verknüpfen kann und vielleicht Synergien entstehen", beschreibt es Wilczek.

Musik spielt in ihrem Leben schon immer eine große Rolle. Seit ihrer Kindheit spielt Wilczek Klavier, sie singt und schreibt auch eigene Texte, wenn sie ein gesellschaftliches Thema besonders beschäftigt. Als Journalistin beim Bayerischen Rundfunk kann sie ihrer Musikleidenschaft unter anderem beim Radioprogramm "Zündfunk" nachgehen. Ein Thema, für das sie besonders brennt: Empowerment, die Selbstermächtigung weiblicher Künstlerinnen im Hiphop und Rap.

In die Festival-Idee steckt Wilczek wieder jede freie Minute und ihr ganzes Herzblut in die Organisation. Austragungsorte sind Bars und Kulturstätten in Nürnberg und Fürth, wie beispielsweise der Muz-Club, Z-Bau, Arsch und Friedrich oder das Kulturcafe Zett9. Die vier Säulen der Hiphop-Kultur sind Rap, DJaying, Breakdance und Graffiti. Das wollen Wilczek und ihr Team auch im Programm verankern und zeigen, wie groß und vor allem talentiert die Szene in Franken ist. Rapper und Beatproudzent Kuchemann gab ein Konzert, auch Giuseppe Amore und Lazy Lu waren mit von der Partie. DJ‘s wie Melasoul, das Kollektiv Trouble in Paradise und Wilczek selbst legten auf. Die Werke der Graffitikünstler Hombre und kL52 wurden im Nachgang versteigert.

Der Aufwand hat sich gelohnt. Obwohl das Publikum nur virtuell dabei sein kann, ist die Resonanz super. "Die Zuschauerinnen und Zuschauer daheim haben sich über Club- und Konzertfeeling gefreut und die Künstlerinnen und Künstler im Club konnten endlich wieder auftreten", erzählt Wilczek. Das Festival ist von vornherein kostenfrei – Spenden sind natürlich mehr als willkommen. Am Ende sind es mehr als 2000 Euro, die das Team an kulturelle Einrichtungen und soziale Vereine spendet.

Für den Herbst war ein Festival mit Zuschauern im Erlanger E-Werk geplant – doch auch hier machte Corona dem Vorhaben (erst einmal) einen Strich durch die Rechnung. Doch eins ist für Wilczek und ihr Team klar: Nbg Hip Hub war keine Eintagsfliege.

Auch das "EhrenWert"-Preisgeld von 1000 Euro gibt Wilczek wieder zugunsten ihrer geliebten Kultur. Die, so hofft sie, wird die nächsten Monate überleben. Auch dank Menschen wie ihr. Und dann wird hoffentlich wieder richtig gefeiert.


Info: Bei der Aktion "EhrenWert" zeichnen die Stadt Nürnberg und die Universa-Versicherungen jeden Monat eine(n) Ehrenamtliche( n) aus dem Verbreitungsgebiet unserer Zeitung aus. Der Preis ist mit 1000 Euro dotiert. Vorschläge an ehrenwert@-stadt.nuernberg.de oder auch telefonisch unter der Rufnummer (0911) 2313326.

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