Virtuelles Klassenzimmer: So macht Joanna Ogan ihr Abi online

INTERVIEW: JOHANNES HANDL

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12.3.2020, 05:57 Uhr

Frau Ogan, Sie sind auf dem besten Weg zum Abitur. Warum hat es nicht schon früher geklappt?

Joanna Ogan: Das Online-Gymnasium ist für mich ein absoluter Glücksfall. Ich habe es ja an einer regulären Fachoberschule versucht. Die Noten waren super, der ganze Rest nicht. Es hat tatsächlich nicht funktioniert.

Warum nicht? Welche Vorteile hat das Online-Gymnasium gegenüber den klassischen Abendgymnasien?

Ogan: Das gibt es einige: Unsere Lehrer sind vertraut damit, dass die Schüler gehandicapt sind. Das ist überhaupt nicht selbstverständlich, weil die Lehrer am Anfang ihrer Ausbildung im Studium Inklusion noch gar nicht richtig mitlernen. Unsere Lehrer sind damit jeden Tag konfrontiert. Sie haben super viel Verständnis, wenn mal etwas nicht wie gewünscht läuft oder der Tag mal nicht gut war. Andererseits schenken sie uns auch nichts. Da gibt es ein gutes Gleichgewicht.


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Welches Handicap haben Sie?

Ogan: Ich habe ein psychisches Handicap und einen hohen Schwerbehindertengrad. Das sind Traumafolgestörungen mit allen möglichen Nebendiagnosen wie zum Beispiel einer Panikstörung. Für mich war es daher nicht möglich, eine normale Schule zu besuchen. Ich habe das Gymnasium besucht und musste nach der zehnten Klasse aus gesundheitlichen Gründen abbrechen.

Wie ging es dann weiter?

Ogan: Fünf Jahre später habe ich es an einer Fachoberschule in der Region versucht. Da hat es aber tatsächlich an Inklusionsmöglichkeiten gemangelt. Viel war es nicht, das ich anders gebraucht hätte, aber es fehlten Strukturen, es fehlten Inklusionshelfer, Integrations- und Behindertenbeauftragte. Die Oberstufe an sich ist da gar nicht abgedeckt. Es gibt an Mittelschulen bis zur Mittleren Reife echt gute Möglichkeiten, sich für seine Sonderrechte einzusetzen. Aber in der Oberstufe ist das weg.

Macht es Ihnen zu schaffen, dass der Unterricht erst um 18 Uhr beginnt und um 21.15 Uhr endet?

Ogan: Ich glaube, das empfindet jeder anders. Ich bin durchaus eine Nachteule, mich stören die späten Zeiten gar nicht, im Gegenteil.

Wo sehen Sie beim Online-Gymnasium Verbesserungsbedarf?

Ogan: Die größten Nachteile sehe ich tatsächlich bei Technikausfällen. Sie treffen uns Schüler, die Lehrer, das kann auch mitten in der Stunde sein. Das passiert einfach. Das Programm, mit dem wir arbeiten, ist durchaus noch störanfällig. Es ist aber eine Möglichkeit, die es sonst gar nicht gibt. Man sollte die gelegentlichen Ausfälle also nicht überbewerten. Schade finde ich auch, dass die Kameras meistens nicht mitlaufen. Dann fehlt dieses Nonverbale. Wenn der Mathe-Lehrer etwas erklärt hat und Stille im Raum ist, sieht er nicht an unseren Gesichtern, ob wir das jetzt verstanden haben oder nicht.


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Was braucht man, um am Online-Unterricht teilnehmen zu können?

Ogan: Ein gut funktionierender Drucker und Scanner sind von Vorteil – und ein gutes Headset. Denn man hat es doch ein paar Stunden auf dem Kopf.

Wie weit ist Ihr Weg zum Abitur noch?

Ogan: Ich bin dabei, die vollen vier Jahre zu absolvieren. Das musste ich machen, weil ich früher Latein hatte und zu Französisch gewechselt habe. Aktuell bin ich im vorletzten Jahr.

Wie sehen Ihre Pläne aus? Was wollen Sie mit dem Abitur anfangen?

Ogan: Ideen habe ich genug, aber ich möchte erst einmal sehen, wie sie sich umsetzen lassen. Im schlechtesten Fall hätte ich das Abitur nur für mich gemacht zur Allgemeinbildung. Schon das wäre es mir wert. Im Idealfall möchte ich aber Biologie studieren. Da wäre Nürnberg der nächste Studienort. Die Wohnungssituation ist inzwischen aber auch für Studenten katastrophal. Daran hängt es eigentlich. Wenn ich es schaffe, eine Wohnmöglichkeit in Nürnberg oder Erlangen zu finden, ziehe ich sehr gerne dorthin. Ansonsten könnte ich mir auch eine Ausbildung vorstellen, bei der Abiturienten vorgezogen werden, zum Beispiel Laborassistentin.

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