Vogelperspektive: Nürnberg aus dem Heißluftballon

5.11.2014, 06:00 Uhr
Die Burg und die Altstadt sind schon vom Boden aus schön anzusehen. Atemberaubend aber wird es aus der Luft.

© Alexander Brock Die Burg und die Altstadt sind schon vom Boden aus schön anzusehen. Atemberaubend aber wird es aus der Luft.

Ein Mythos hat sich bis heute gehalten: Als die Brüder Montgolfière in Frankreich 1783 mit einigen Damen wandern waren, soll die Gruppe ein Regenschauer überrascht haben. Sie fanden eine Hütte, in der die Frauen ihre durchnässten Röcke über einen Ofen legten. Der barocke Zwirn hob vom heißen Platz ab. Die Idee der Ballonfahrt war geboren.

Soweit die Legende. Tatsache ist, dass die Gebrüder einen kugeligen Sack aus Leinen entwarfen, der durch Hitze in die Luft stieg. Später setzte das Duo eine Ziege und eine Gans in den Ballon-Korb und ließ ihn steigen. Die Tiere landeten lebend auf der Erde. Nun war der Mensch an der Reihe.

König Ludwig XVI. wollte, dass zum Tode Verurteilte die Chance haben, frei zu kommen, wenn sie Ballonfahren würden. Doch die Entwickler erhoben dagegen Einspruch. Man sollte doch die Ehre, der erste Mensch in der Luft zu sein, nicht einem Verbrecher zuteil werden lassen. Dieses Argument fand Gehör. Am 15. Oktober 1783 stieg Pilâtre de Rozier mit einem Fesselballon auf 26 Meter.

„Fliegen“ ist bei Ballonfahrern ein Unwort. Pilot Joachim Gampe legt seine Stirn in Falten, wenn jemand mit „Fl . . .“ ansetzt. Den beiden Neulingen im Korb verzeiht der 62-Jährige die Versprecher. Tamara Fröhlich (46) und Mundartkabarettist Sven Bach (45) sind dabei. Vorher aber wuchten sie Gasflaschen mit in den Korb, Gampe schließt Schläuche an und installiert den Brenner. Dann wickelt das Team die Hülle aus. Ein Riesenventilator bläst Luft in die Öffnung. Der Ballon bläht sich, Gampe zündet den Brenner. Die Hülle wälzt sich im Gras, stellt sich auf. 3400 Kubikmeter Luft sind da jetzt drinnen, ein ganzes Doppelhaus.

Das Team steigt ein. Es geht los. Die Menschen am Boden schrumpfen. Gräser setzen sich zur Wiese zusammen, Bäume zum Wald. Die Morgensonne hat den Nebel fast weggeleckt. Gampe nimmt mit dem Flughafen Kontakt auf. „Wir fahren jetzt ins Wohnzimmer des Airports. Der will natürlich wissen, was da passiert.“

Unter dem Weidenkorb zieht die Welt vorüber. Klein, eckig, sauber. In 300 Metern Höhe, die Landschaft einer Modelleisenbahn. Das Steiner Schloss, die Ansbacher Straße, der Kanal. Der Pilot zündet immer wieder den Brenner, wenn der Ballon an Höhe verliert. Er reguliert damit auch die Fahrtrichtung, denn in den Luftschichten verändert sich der Wind, der die rote Kugel quer über die Stadt schiebt. „Man muss nehmen, was die Natur einem bietet“, sagt Gampe.

Blick nach oben

Zündet der Brenner, knallt es so laut, dass unten Hunde bellen, Menschen aufschrecken und nach oben schauen. „Seit ihr jetzt endlich wach?“, scherzt Bach, und winkt. „Huhu!“, jubelt es zurück. Die Grünflächen werden rarer, die Bebauung dichter: St. Leonhard, Frankenschnellweg, Gostenhof, Plärrer. Der Ballon fährt langsamer, es scheint, er steht zwischen Plärrer und Hauptbahnhof. Zwei Stundenkilometer steht auf dem Tacho, mehr sind gerade nicht drinnen. „Ist da unten eine Spielstraße, weil wir so langsam fl . . . fahren?“ Pilot und Passagiere lachen. „Jetzt weiß ich auch, warum die Verkehrsplaner ,30‘ auf die Straße schmieren. Das muss für Ballonfahrer sein. Wenn ich unten mit dem Auto drüberroll, kann ich gar nichts lesen“, witzelt der Kabarettist. Lachsalven.

Eine Böe erfasst die Hülle, die Fahrt wird schneller. Links die Lorenzkirche, der Hauptmarkt und die Burg, rechts der Wöhrder See, der Businesstower und der Rathenauplatz. Tamara Fröhlich versucht ihre Angehörigen in Ziegelstein per Handy zu erreichen. Der Stadtteil kommt näher. Anrufbeantworter. „Da erzählt man von der Ballonfahrt und dann ist keiner zu Hause“, sagt sie. Jogger, Hundehalter und Spaziergänger bewegen sich im Marienbergpark, von Almoshof her blitzt die Sonne auf den Glasflächen der Gewächshäuser. Auf dem Rollfeld des Flughafens ist alles ruhig, langsam zieht der Ballon seine Bogen über die Startbahn.

Der Tower weiß Bescheid. Dann Wald, Wald, Wald. Eine Siedlung (Buchenbühl) und die A 3. Auf einer Wiese bei Heroldsberg landet Gampe. Der Korb rutscht, tippt dreimal auf, dann steht er. Staunend umringen Kinder und Erwachsene die rote Kathedrale. Gampe: „Ein Ballon ist halt ein Sympathieträger.“

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