Vom Rotlicht- zum Genussviertel: Luitpoldstraße im Wandel
20.2.2018, 05:32 UhrJa, haben sich denn alle abgesprochen? Wer durch die Luitpoldstraße schlendert und sich mit Geschäftsleuten, Hoteliers, Kneipen- und Restaurantbetreibern unterhält, bekommt fast überall den gleichen Satz zu hören: Die Luitpoldstraße werde sich zu einer der schönsten Straßen Nürnbergs entwickeln.
Tatsächlich tut sich einiges in der einstigen Prachtstraße, die ihr Schmuddel-Image nach Jahrzehnten im Rotlicht-Schimmer noch immer nicht ganz abgeschüttelt hat. Anika Maaß erlebt den Wandel hautnah mit. Sie arbeitet als Teilzeitkraft in der Mode-Boutique Blutsgeschwister. "Ich habe schon das Gefühl, dass die Stadt die Straße aufwerten will", sagt die 27-Jährige und zeigt auf das asiatisch-indische Lokal Lê Bar an der Ecke zur Vorderen Sterngasse, aber auch auf die gehobene Küche in Alexanders Herrmanns Imperial an der Ecke Königstraße.
Im Erdgeschoss desselben Gebäudes bietet der Sterne-Koch seit kurzem im Fränk’ness fränkische Leibgerichte an. Dort also, wo zuletzt noch die Bäckerei Beck eine Zweigstelle hatte. Auf der anderen Seite hat gerade erst Burger King seine 1986 eröffnete Filiale dichtgemacht. Als Nachfolger steht die Kette Burgerheart bereit.
Weniger Discos
Maaß freut sich, dass es nicht mehr nur Discos, sondern auch immer mehr Kneipen gibt, die sie nach Dienstschluss besuchen kann. So hat im vergangenem Mai die Bar Harlem unterhalb des Hotels Garni Probst die Räumlichkeiten der früheren Pilsbar Münchner Kindl bezogen.
Dass der Zusammenhalt in der Luitpoldstraße ausgesprochen gut sei, bestätigt auch Muhanad Salam Khalaf, Inhaber der Cocktailbar Society gegenüber. Viele hätten ihm abgeraten, hier eine Bar zu eröffnen. Heute ist er froh, dass er den Schritt im Oktober 2016 gewagt hat. "Anfangs gab es Schwierigkeiten", räumt der 28-Jährige ein. Jeden Tag habe er Türsteher am Eingang postieren müssen.
Viele hätten sich auch wegen des Publikums, das unter anderem der mittlerweile geschlossene Tabledance-Club Stage 2000 angezogen habe, gar nicht erst in die Luitpoldstraße getraut. Davon sei heute nichts mehr zu spüren. "Diese Straße wird eine der schönsten", Muhanad Salam Khalaf sagt, was alle hier sagen.
Nicht mehr so laut wie damals
Zur Freude der Hoteliers und Anwohner geht es in der einstigen Partymeile längst nicht mehr so laut zu wie noch zu Zeiten der Bar 77, des Marilyns oder dessen Nachfolger King Lui.
Jörg Schuster, Restaurantleiter im Literaturhaus, erinnert sich noch genau an seinen ersten Arbeitstag. Als er am 1. Januar 2010 das Lokal betreten will, ist davor eine große Blutlache. Heute vergleicht er die Luitpold- gerne mit der Gustavstraße, dem Epizentrum der Fürther Kneipenkultur.
Laut Baureferent Daniel Ulrich hat die Stadt schon vor Jahren das Wachstum der Sexindustrie mit Bebauungsplänen beendet und das Ziel einer hochwertigen Innenstadtfußgängerzone angepeilt. "Das Planungsrecht ist ein langer Hebel, der langsam wirkt. Aber es wirkt", betont Ulrich. Dazu kämen erhebliche Investitionen von Bund, Land und Stadt. "Das prägnanteste Objekt ist das Neue Museum, das ganz gezielt der Auftakt werden sollte, um den Wandel einzuleiten."
Eva-Christina Kraus, die Direktorin des Neuen Museums, verbindet eine spezielle Geschichte mit der einst sündigen Meile: "Mein Vater war in den 50er Jahren Taxifahrer in Nürnberg. Was hat er gelacht, als er erfahren hat, dass ausgerechnet seine Tochter in der Luitpoldstraße arbeitet."
Das Rotlichtmilieu sei zwar nicht ganz aus der Straße verschwunden, solange die Mischung insgesamt stimme, störe es aber nicht. Froh ist Kraus, dass die Dauerbaustelle vor dem Shop und der Buchhandlung des Neuen Museums endlich verschwunden ist.
Während sich die Lage von der Königstraße kommend entspannt hat, gehen die Arbeiten Richtung Vordere Sterngasse munter weiter. Ein riesiger Kran steht mitten in der Straße. Wo früher das Hot Legs für seine Peepshow bekannt war, lässt sich bald die Brauerei Gutmann nieder. Derzeit wird das 100 Jahre alte Haus entkernt. Die Baustelle erschwert den Zugang zum Wurst Durst, das Gäste gern auf eine Currywurst oder einen letzten Absacker besuchen.
Ein Dorf für sich
"Die Luitpoldstraße ist ein Dorf für sich", sagt Martin Lind. Der Inhaber der Apotheke am Sterntor verfolgt den Wandel seit vielen Jahren. Das gastronomische Angebot inmitten all der Jugendstilhäuser gefalle ihm richtig gut. Allein an Lebensmittelläden mangele es im Viertel. Nicht nachvollziehen kann er, wie dreist manche ihre Autos abstellen – und dass die kommunale Verkehrsüberwachung nicht entschiedener einschreite.
Ginge es nach Jörg Schuster, könnte ein bisschen Grün nicht schaden. Vor allem aber müsse der Asphalt, zurzeit ein scheußlicher Flickenteppich, endlich repariert werden. Bis es so weit ist, dürfte noch einige Zeit vergehen. Bevor sich der Servicebetrieb Öffentlicher Raum dieser Aufgabe annehmen will, sollen erst sämtliche Bauarbeiten abgeschlossen sein. Das Ziel, die Luitpoldstraße zu einer der schönsten Straßen Nürnbergs zu machen, wird dann in greifbare Nähe gerückt sein.
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