„Wir hoffen einfach jeden Tag“

3.11.2015, 19:25 Uhr
„Wir hoffen einfach jeden Tag“

© Foto: Horst Linke

Abdolfattah Soltani vertrat als Anwalt jahrelang Mandanten, die sich für Meinungsfreiheit und Menschenrechte einsetzten und geriet so ins Visier des Mullah-Regimes. 2012 wurde er zu 13 Jahren Haft und anschließendem Berufsverbot für zehn Jahre verurteilt. 2011, in erster Instanz, waren es 18 Jahre Haft und 20 Jahre Berufsverbot. Die unter anderem auch wegen der „Annahme eines ungesetzlichen Preises“ – des Menschenrechtspreises der Stadt Nürnberg.

Wie ihr Vater seinen Geburtstag hinter Gittern verbringt, weiß Maede Soltani, die in Nürnberg lebt, nicht. Es ist der Tag, an dem er einmal pro Woche für 20 Minuten besucht werden darf. „Ich hoffe, dass nicht gerade zu dieser Zeit eine Therapiestunde wegen seines Rückenleidens angesetzt ist und meine Mutter zu ihm kann.“ Eigentlich hätte Soltani schon vor elf Monaten freikommen müssen, denn nach iranischem Recht könnten, wie seine Tochter sagt, Häftlinge nach Verbüßung eines Drittels ihrer Strafe aus dem Gefängnis entlassen werden. „Wir hoffen einfach jeden Tag.“

Von Hoffnung erzählen auch die alten Lieder, die Shabnam Zamani Savarjani auf dem persischen Saiteninstrument Santur, begleitet von Hans Schanderl, vorträgt. In ihrem gefühlvollen Gesang drücken sich Schmerz und Trauer aus über die Menschen, die seit Jahrhunderten im Ringen um Freiheit um ihre Jugend betrogen werden.

„Die Gedanken sind frei“ heißt das Gedicht, das die Schauspielerin Patricia Litten rezitiert. Sie erinnert damit an ihren Onkel, den Strafverteidiger und Nazi-Gegner Hans Litten, der im KZ starb. Eine Abordnung des Philharmonischen Chors intoniert Kanons.

„Wir sind in der glücklichen Situation, unseren Beruf ohne Repressalien ausüben zu können und das wollen wir nutzen, um für die Freiheit Soltanis einzutreten“, hatte Rechtsanwältin Christine Roth in ihrer Begrüßung betont. Und tatsächlich: Viele Juristen – Rechtsanwälte, Richter – haben eine Protestnote unterschrieben. Stellvertretend für ihren Vater erhält Maede Soltani das von Christian Oberlander gestaltete, dazugehörige Plakat – Sonnenstrahlen, die Gefängnisgitter durchbrechen – aus den Händen des Präsidenten der Rechtsanwaltskammer, Hans Link, und des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts, Joachim Vetter.

Unter den Geburtstagsgästen finden sich auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer, und der Vorsitzende des Bayerischen Richtervereins, Walter Groß. Grußworte kommen von der iranischen Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebani, mit der Soltani 2002 das Menschenrechtszentrum in Teheran gründete.

Während seines Krankenhausaufenthaltes vor kurzem konnte Maede Soltani mit ihrem Vater längere Zeit telefonieren und ihm von der geplanten Geburtstagsfeier und den mehr als 5000 Glückwunschkarten berichten, die an die iranische Botschaft in Berlin geschickt wurden – zur Weiterleitung an Soltani. Was freilich nicht passieren wird. Die Botschaft des Menschenrechtlers aus dem Evin-Gefängnis verliest seine Tochter.

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