Bundestagswahl

Wirbel um Name auf Stimmzettel: Jetzt spricht die Nürnbergerin Tessa Ganserer

Elke Graßer-Reitzner

Lokalredaktion Nürnberg und Rechercheteam

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28.7.2021, 20:10 Uhr
Tessa Ganserer will ihren Namen auch ohne die gefürchteten Begutachtungen ändern dürfen.

© Christian Hilgert, NN Tessa Ganserer will ihren Namen auch ohne die gefürchteten Begutachtungen ändern dürfen.

Die Nürnberger Grünen-Politikerin Tessa Ganserer, die acht Jahre lang Abgeordnete im Bayerischen Landtag war, will im September für ihre Partei in den Bundestag einziehen. Doch auf dem Stimmzettel zur Wahl wird wohl ein "toter Name" stehen, der längst nicht mehr zu ihr gehört.

Die 44-Jährige ist die erste deutsche Abgeordnete, die sich als transgeschlechtlich geoutet hatte. Bei ihrem Einzug ins Maximilianeum im Jahr 2013 lebte sie noch als Mann. Im November 2018 aber machte sie in einer mutigen Aktion öffentlich, dass sie eine Frau ist. Seither lebt sie auch so.

Die "Wählbarkeitsbescheinigung" des Nürnberger Bürgeramtes ging folgerichtig an "Frau Tessa Ganserer". In ihrem Wahlkreis Nürnberg-Nord sah es in den Umfragen zeitweise so aus, als könne die Grünen-Frau ihrem Konkurrenten von der CSU, Sebastian Brehm, das Direktmandat abluchsen. Derzeit liegen Frau und Mann gleichauf.

Doch auf dem Stimmzettel wird Frau Ganserer nicht auf Anhieb erkennbar sein, denn darauf soll ihr alter, abgelegter männlichen Vorname, der "Deadname" stehen. "Schrecklich, entwürdigend und demütigend" empfindet dies die Grüne. Sie wolle "vollumfänglich akzeptiert werden", sagt Ganserer, dazu gehöre auch, dass man ihren weiblichen Vornamen anerkenne.

Doch die Rechtslage besagt, dass die Namen der Kandidaten auf den Stimmzetteln wie im Melderegister abgedruckt sein müssen. Und dort ist Ganserer, ebenso wie in ihrem Pass, mit dem männlichen Vornamen ausgewiesen, den die Politikerin weder hören noch hier lesen möchte.

Denn die Abgeordnete hält das geltende Transsexuellengesetz, das die Vorgaben für eine solche Namensänderung macht, für menschenfeindlich. Vor allem die doppelte Begutachtung mit intimsten Fragen zum Sexualleben ist entwürdigend.

Bereits vor sechs Jahren hatte der Europarat seine Mitgliedsstaaten aufgefordert, einfache Verfahren bei einer Namensänderung im Zusammenhang mit dem Geschlecht anzuwenden. Doch die große Koalition habe es in zehn Jahren nicht geschafft, das Transsexuellengesetz durch ein "Selbstbestimmungsgesetz" zu ersetzen, wettert Tessa Ganserer.

Ihre Anwältin Laura Adamietz hat bereits 2016 ein Rechtsgutachten zu diesem Komplex für die Bundesregierung verfasst. Jetzt hat Adamietz einen Antrag beim Nürnberger Amtsgericht eingereicht, der vorsieht, dass Tessa Ganserer auch ohne die gefürchtete "Zwangsbegutachtung" ihren Personenstand und damit ihren Namen ändern darf.

Die gerichtliche Entscheidung dauert an, und sie kommt vermutlich zu spät. Denn an diesem Freitag entscheidet der Landeswahlleiter, was auf die Stimmzettel gedruckt wird. Stimmt der Wahlausschuss zu, wird dort ihr abgelegter männlicher Vorname stehen, dahinter in Klammern ihr jetziger.

Als „demütigend“ empfindet dies auch die politische Konkurrenz. Der Nürnberger Alexander Irmisch, stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft „queer“, fordert seit langem ein Selbstbestimmungsrecht für Betroffene ohne die umstrittenen Gutachten.

Selbst das Bundesverfassungsgericht hatte das geltende Gesetz in Teilen als verfassungswidrig erklärt. Jetzt hofft Irmisch auf neue politische Mehrheiten in Berlin. Dann könne auch seine Partei ohne Druck aus der Union einer neuer Lösung zustimmen.

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