Wohnungsmarkt in Nürnberg: Haussuche immer verzweifelter

21.2.2013, 12:00 Uhr
Zeitungsannonce, Aushänge im Supermarkt und an Laternenmasten, Verteilen von Flyern, "Finderlohn" von 1000 Euro – Familie J. weiß nicht, was sie noch versuchen soll, um ein Eigenheim erwerben zu können.

© Stefan Hippel Zeitungsannonce, Aushänge im Supermarkt und an Laternenmasten, Verteilen von Flyern, "Finderlohn" von 1000 Euro – Familie J. weiß nicht, was sie noch versuchen soll, um ein Eigenheim erwerben zu können.

Da sind die zwei Töchter, eine vier Monate alt, eine zwei Jahre. Da sind die Jacken und Schals, die auf zwei Ebenen bis hoch unter die Flurdecke hängen. Da sind die Regale an der Wand und die Schränke, alle vollgestellt. Und da ist der neue Flyer, der bald zu Tausenden in Briefkästen eingeworfen wird: Unsere Familie sucht ein Haus.

Zu sehen ist ein Foto der zwei Kinder, zusammen mit einer kurzen Vorstellung der Familie. Mutter, Lehrerin, 38 Jahre, Vater, bei adidas, ebenfalls 38 Jahre, gut situierte Leute. 150 Quadratmeter sollten es sein, im Nürnberger Osten oder Norden. Wer einen Tipp hat, kann 1000 Euro einstreichen. Es hat sich bisher niemand gemeldet, der das Geld haben wollte.

Wohnungsmarkt in Nürnberg: Haussuche immer verzweifelter

© Ulla Meckler

Seit 1994 ist Rainer Schaefer Makler in Nürnberg, inzwischen mit eigenem Büro in der Augustinerstraße. Was er in den letzten beiden Jahren erlebt hat, lässt sich kurz zusammenfassen: „Der Markt ist leergefegt!“ Klar gibt es noch Immobilien. Aber die, die besonders stark nachgefragt werden, sind wertvolle Solitäre auf einem Wohnungsmarkt, der fast nirgendwo in Deutschland so weit auseinanderdriftet wie in Nürnberg.

Im teuersten Wohngebiet kosten vergleichbare Immobilien hier 5,7-mal so viel wie im günstigsten Gebiet – das hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im November 2012 festgestellt. Bundesweiter Durchschnitt ist, dass die teuerste Lage viermal mehr kostet als die einfachste. Spitzenreiter ist Hamburg mit einem erschreckenden Faktor von 11,2.

So wie in der Hansestadt alle im Schanzenviertel wohnen möchten, gibt es auch in Nürnberg begehrte Viertel. Dazu gehören die Alt- und die Nordstadt mit Johannis, Gärten h. d. Veste, Thon, die Oststadt mit Mögeldorf, Zerzabelshof und Ebensee. So kostet in der Altstadt ein Quadratmeter einer Kaufimmobilie Baujahr 1979 bis 2006 rund 1880 Euro, in Muggenhof 1210 Euro. Diese Differenz, die im Wohnungsmarktbericht 2011 steht, hat sich noch weiter verstärkt, da ist sich Schaefer sicher.

Dazu kommt in Nürnberg noch das Nord-Süd-Gefälle. „In der Südstadt brauche ich Kunden oft nichts anzubieten, die winken gleich ab“, erzählt der Makler. Viele Familien betonten im Gespräch, wie wichtig ihnen ein guter Schulsprengel sei. Da schreckt die hoch verdichtete Südstadt mit ihrem hohen Ausländeranteil ab, der sich ebenfalls in den Schulklassen zeigt.

Auch Gostenhof, bei jungen Leuten recht beliebt, gehört daher immer noch zu den einfachen Lagen. Und außerhalb der Ballungszentren Nürnberg, Fürth, Erlangen hat die Landflucht eingesetzt. „Hinter Eckental gehen die Preise massiv runter“, erklärt Schaefer, der für den Grund- und Hausbesitzerverein eine Expertise zum Nürnberger Wohnungsmarkt erstellt hat.

Dass in Nürnberg zu wenige Immobilien gebaut werden, ist schon seit langem bekannt. Getan hat sich trotzdem kaum etwas – im vergangenen Jahr verzeichnete die Stadt sogar eine „geringfügige Abnahme“ bei der Zahl der fertiggestellten Wohnungen, so Wolf Schäfer vom Amt für Stadtforschung und Statistik.

Wurden 2011 noch 1126 neue Wohnungen gezählt, waren es 2012 nur noch 1094. Jährlich aber benötigen die Nürnberger 2000 neue Wohnungen, sagte schon der damalige Wirtschaftsreferent Roland Fleck in einem Interview mit der NZ aus dem Jahr 2011. Die bayerische Landesbank prognostizierte, dass bis 2025 rund 37000 Wohnungen fehlen werden. Seitdem viele alternativen Geldanlagen misstrauen, steigt Betongold immer weiter im Wert – jedenfalls, wenn es die richtige Lage hat. Die Zeiten sind schlecht für Makler und Käufer, und das wird nach Schaefers Einschätzung noch ein, zwei Jahre so bleiben.



Das hat auch Familie J. gemerkt. 50 Objekte hat sich das Paar angeschaut, vom Riesenhaus in Laufamholz, das ein Messie bewohnt hatte und komplett saniert werden müsste, bis hin zum Haus in Kalchreuth, das am ersten Tag der Begehung auch schon verkauft war. Immer extremer sei „die Bieterei“ in den letzten Jahren geworden, erzählt die 38-Jährige: Da gebe es Makler, die die Familie bei einem unbesehenen Objekt zum Kauf überreden wollten. Ablehnungen wurden mit dem Spruch quittiert: „Na, dann kann die Not ja nicht so groß sein!“

Das aktuelle Objekt der Begierde steht in Rehhof, ein Reihenmittelhaus mit 129 Quadratmetern. Der Verkäufer will dafür im Bieterverfahren 395000 Euro haben. Familie J. ist mit 360000 Euro eingestiegen: „Wir wollen endlich zur Ruhe kommen.“
 

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