Zögerliche Besucher: So geht es Nürnbergs Museen
3.6.2020, 05:38 UhrSchnell noch die Maske über Mund und Nase ziehen, die Hände desinfizieren und dann geht es schon los: Katharina Weidinger und Sohn Luca (8) steuern gleich den "Adler" und seine Nachfahren im DB Museum an. "Es wurde echt Zeit, dass man mal wieder etwas in der realen Welt unternehmen kann.
Luca war in den vergangenen Monaten viel zu viel vor dem Computer und dem Fernseher gesessen", sagt die 42-Jährige aus dem Landkreis Nürnberger Land. Weil die geplante Italienreise ausfällt, wollen Mutter und Sohn in den Pfingstferien viele Ausflüge in die Umgebung machen. Der Museumsbesuch ist der Auftakt ihres Ferienprogramms.
Schleppender Start war einkalkuliert
Das haben sich offenbar auch viele andere Familien vorgenommen: Am Pfingstsamstag ist ein ständiges Kommen und Gehen im Bahnmuseum an der Lessingstraße. Dennoch: "Wir hatten in den ersten Tagen nur zehn bis 20 Prozent des normalen Besucheraufkommens", sagt Direktor Oliver Götze, fügt aber hinzu: "Wir haben erwartet, dass es schleppend anläuft, kalkulieren aber, dass es sich erholt." Fehlen würden Schulklassen und Reisegruppen. Im Eisenbahnmuseum Dresden, das schon länger wieder geöffnet hat, habe man bereits die Hälfte des Üblichen erreicht, so der promovierte Kultur- und Technikhistoriker.
Götze und sein Team haben die Schließung dafür genutzt, das Digitalangebot auszubauen und sich zu überlegen, wie sie Besucherströme entzerren können: So wurden dort, wo es eng werden könnte, Rundgänge mit Piktogrammen und Pfeilen auf dem Boden abmarkiert, so dass man sich nicht in die Quere kommt. Damit Besucher nicht mit den Fingern auf Displays und Druckknöpfen, die zum Beispiel die Modelleisenbahn in Bewegung setzten, drücken, werden jetzt spezielle Stifte, sogenannte Touch-Pens, an der Kasse ausgegeben. Und statt eines Leih-Audioguides können sich die Besucher eine App auf ihr eigenes Handy herunterladen und dort die Beschreibungen zu den Stationen anhören.
Auch Führungen bietet das DB Museum weiterhin an, sogar doppelt so viele wie sonst: Viermal täglich werden bis zu sechs Personen in die Welt der Züge entführt. Auch der Außenbereich mit einer neuen Sonderschau zu 100 Jahre Reichsbahn soll noch in diesem Monat eröffnet werden. Nur das beliebte Kinder-Bahn-Land (KiBaLa) muss noch geschlossen bleiben: "Dort vermitteln wir den Eisenbahnverkehr auf eine spielerische Art und Weise, da sind die Vorgaben einfach nicht einzuhalten", bedauert Oliver Götze.
"Man lacht auch gemeinsam"
Dass virtuelle Rundgänge stationäre Museen ersetzen, glaubt der Leiter nicht: "Museumsbesuche sind soziale Ereignisse, man möchte etwas erleben, im Shop einkaufen und danach vielleicht noch Essen gehen."
Dem stimmt auch Karin Falkenberg vom Spielzeugmuseum zu: "Museen sind authentische Orte, sie wirken intensiver und emotionaler", so die promovierte Medien- und Wirtschaftshistorikerin. Während man bei der Mediennutzung oft alleine vor dem Endgerät sitze, schlendere man durch ein Museum in der Regel mindestens zu zweit. "Da spricht man über das, was man sieht, tauscht Erinnerungen aus und lacht auch gemeinsam." Digitale und reale Welt würden sich gut ergänzen: "Manchmal entdecken Menschen etwas im Internet, das sie dann in Realität sehen möchten", sagt Falkenberg.
Auch in ihrem Haus kamen nach der Wiedereröffnung zunächst weniger Besucher. Diese würden sich aber vorbildlich an Maskenpflicht und Abstandsgebote halten. "Die Stimmung ist gut, alle gehen respektvoll miteinander um, und die Mitarbeiter freuen sich, dass wieder Leben im Haus ist." Aus Sicherheitsgründen räumte ihr Team einige Ausstellungsstücke weg und sperrte den Kinderspielbereich unterm Dach. Geöffnet hat allerdings der Spielplatz im Außenbereich. "Es ist schön wenn die Kinder nach dem Besuch toben können", so Karin Falkenberg.
Positive Rückmeldungen
Das Spielzeugmuseum gehört zum Verbund der Museen der Stadt Nürnberg, der im vergangenen Jahr in allen seinen Häusern rund 800 000 Besucher zählte. Von Mitte März bis Mitte Mai 2020 habe man 140 000 Besucher verloren, rechnet Leiter Thomas Eser vor. Rund 10 bis 20 Prozent des üblichen Besucheraufkommens hat er gezählt. Auch wenn er nicht damit rechnet, dass bald die alten Zahlen wieder erreicht werden, hält er die Wiederöffnung für psychologisch wichtig. Aus den Einrichtungen habe er positive Rückmeldungen erhalten, etwa von einer Mutter, die sich freute, ihren Kindern mit einem Besuch im Museum Industriekultur endlich wieder etwas mehr Abwechslung bieten zu können. Einbußen entstünden vor allem durch den Wegfall von Gruppen.
So besuchten vor der Corona-Pandemie viele Flusskreuzfahrt-Touristen, darunter viele US-Amerikaner in höherem Alter, das Memorium Nürnberger Prozesse und das Doku-Zentrum. Einnahmeausfällen stünden aber auch Einsparungen in der Schließungszeit gegenüber. Am Ende, so kalkuliert Eser, könnte ein Ausfall von rund einer Viertelmillion Euro stehen. Der Jahresetat für alle städtischen Museen liegt zwischen acht und zehn Millionen Euro.
"Unsere Häuser sind ruhige Orte"
Thomas Eser rechnet damit, dass es eine Zeit lang dauern wird, bis sich die Zahlen wieder normalisieren. Dennoch sieht er eine Chance im Regional- und Städtetourismus und eine gute Möglichkeit, für die Menschen, sich nach der Corona-Zeit wieder in die Welt hinauszuwagen: "Unsere Häuser sind ruhige Orte ohne Eventcharakter und derzeit nicht so stark frequentiert. Hier kann man problemlos Abstand halten", sagt der Leiter der Museen.
Abstand halten ist auch im Naturhistorischen Museum am Marientorgraben kein Problem. In dem Haus, das von der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg (NHG) mit viel ehrenamtlichem Engagement der 1600 Mitglieder betrieben wird, geht es auch am Pfingstwochenende sehr ruhig zu. Gerade einmal zahlende 31 Besucher kamen in der ersten Woche, berichtet Gabriele Prasser, Erste Vorsitzende der NHG. Normalerweise sind es 150 bis 200 pro Woche. "Wir sehen das ganz gelassen, so können wir in Ruhe schauen, ob unsere Hygienekonzepte passen", sagt Prasser. Auch bei der NHG sind es vor allem Schulkassen und Gruppenführungen, die sich zum Beispiel von Experten über die Entwicklung der fränkischen Schichtstufenlandschaft, die menschliche Evolution und die heimische Flora und Fauna im Wandel der Zeit informieren möchten.
Auch sie glaubt, dass trotz der intensiveren Nutzung digitaler Medien der persönliche Museumsbesuch auch künftig eine Zukunft hat: "Bei uns kann man einem Neandertaler-Modell Auge in Auge gegenüberstehen und darf den größten Eisenmeteoroiden Deutschlands anfassen. Das geht im Internet nicht", so Gabriele Prasser.
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