Ex-Mann kidnappt Tochter aus Kinderwagen
5.12.2013, 10:26 UhrVor einem Supermarkt in Morat, einem Ort im Schweizer Kanton Freiburg, sollen Norbert P. und ein befreundeter Privatdetektiv aus Fürth laut Staatsanwaltschaft im Januar 2013 zugeschlagen haben: Der 42-jährige Vater nahm seine Tochter aus dem Kinderwagen. Seine Ehefrau versuchte, ihm das zwei Jahre alte Mädchen zu entreißen. Plötzlich ging der 28-jährige Komplize dazwischen, packte Norbert P. und dessen Tochter in sein Auto und fuhr mit quietschenden Reifen davon. "Entziehung Minderjähriger" lautet die Anklage.
"Das war alles ganz anders", widersprechen beide Männer vehement, als sie vor Richter André Gläßl sitzen. Sie reden sich leicht: Die wichtigste Zeugin, die Frau des 42jährigen Hauptangeklagten, ist nicht vor Gericht erschienen. Sie habe wegen ihres Mannes Angst davor, Deutschland zu betreten, lässt sie schriftlich von ihrem Verteidiger ausrichten. Die "Noch-Ehefrau", eine Marokkanerin, habe schwere psychische Probleme, erzählt Norbert P. Er sei aber – nicht wie in der Anklage geschildert mit dem Plan, die Tochter zu entführen – nur "zum Reden" zu seiner Frau in die Schweiz gefahren.
Ein seltsames Ehe-Konstrukt
"Ich wollte nur ein Lebenszeichen von meiner Tochter", so der 42-jährige Vater. Seine Frau habe Geld dafür gefordert. Da sei er in die Schweiz gefahren, um sich selbst davon zu überzeugen, dass es dem Mädchen gut gehe. "Die Situation ist dann aber eskaliert", erklärt er. Den Privatdetektiv habe er als Zeugen mitgenommen, schließlich habe ihm die Marokkanerin schon viel angehängt.
Es ist in der Tat keine schöne Ehe, die Norbert P. und seine Frau führen: Getrennte Betten, Handgreiflichkeiten von beiden Seiten und Geldforderungen der Frau bestimmen den Alltag, so schildert es Norbert P.s Anwalt, Ralf Kunder. Kennengelernt haben sich beide im Internet. 2009 heirateten die Marokkanerin und der Laufer.
Angeblich soll die junge Frau vor allem auf einen deutschen Pass scharf gewesen sein, den sie bis heute nicht hat, weil sie zwischenzeitlich in die Schweiz umgezogen ist. Parallel laufen ein Scheidungsverfahren und in der Schweiz ein Sorgerechtsstreit vor Gericht. Das Jugendamt hat die Tochter in einer Nacht-und Nebel-Aktion kurz nach dem Vorfall zu sich geholt.
Prozess muss umgelagert werden
"Die ganze Entführungs-Geschichte ist ein riesiges Lügenkonstrukt", so Verteidiger Ralf Kunder. Seine Version sorgt allerdings auch für Aufregung: Wirtschaftsspione sollen hinter dem 42-jährigen Angeklagten hergewesen sein. Salafisten – Bekannte der muslimischen Ehefrau – sollen Norbert P., als er noch bei einem deutschen Nuklearunternehmen arbeitete, ausspioniert, Pläne geklaut und unter Druck gesetzt haben. Seitdem quälen ihn Selbstmordgedanken und schwere Depressionen.
Richter André Gläßl kann angesichts der abstrusen Verwicklungen nur den Kopf schütteln. Oliver Fouquet, der Anwalt des 28-jährigen Komplizen, fordert währenddessen unablässig den Freispruch seines Mandanten. "Ich bin zuerst verpflichtet, die Wahrheit herauszufinden", so Gläßl. Aber allen ist klar: Ohne die Aussage der Ehefrau ist das unmöglich, solange ist auch der 28-Jährige nicht entlastet.
Eine Nicht-EU-Bürgerin aus einem Nicht-EU-Land zu einer Gerichtsverhandlung zu "zwingen", das stellt die Justiz vor ein Problem. Lange diskutieren Anwälte und Richter über die Möglichkeiten, die Frau anzuhören, zum Beispiel per Videoübertragung. Am Ende einigen sich die Beteiligten auf eine Anhörung in der Schweiz. Richter André Gläßl wird der Marokkanerin einen Besuch abstatten. Erst danach wird der Prozess am Hersbrucker Amtsgericht fortgesetzt.
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