Rechtspopulist? Shitstorm gegen fränkischen Gemeinderat

11.6.2019, 06:00 Uhr
Rechtspopulist? Shitstorm gegen fränkischen Gemeinderat

© Screenshot: YouTube

Weber propagiert seit einigen Monaten seine politische Meinung auf Facebook, mittlerweile werden seine Videos von Millionen von Menschen angeklickt. Einige Bürger kritisierten nun, dass der 65-Jährige ihrer Ansicht nach rechtspopulistische Meinungsmache betreibe. Deshalb hatten sie den Gemeinderat unter anderem dazu aufgefordert, keine Veranstaltungen von Weber mehr zu unterstützen. Nach einem einstimmigen Gemeinderatsbeschluss fluten zahlreiche Anhänger des Video-Bloggers die Facebook-Seite von Schwarzenbruck mit kritischen Kommentaren, schreiben von Rufmord und einem Angriff auf die Meinungsfreiheit.

"Schämt euch! 1933 ist zurück!", schreibt eine Userin, "Welch undemokratische Gemeinde, dort will ich nicht wohnen", eine andere. In den vergangenen Tagen gehen zeitweise so viele Wortmeldungen ein, dass der Server der Gemeinde mehrmals abstürzt.

Videos mit über drei Millionen Klicks

Hunderte von Fans signalisieren unter dem Hashtag #RespektfürPeterWeber ihre Unterstützung für den Video-Blogger, der bei einigen Bürgern in der Gemeinde im Nürnberger Land wegen seiner vermeintlichen Gesinnung in Ungnade gefallen ist. Auch auf der Gegenseite lassen die Reaktionen nicht lange auf sich warten. Das Nürnberger Bündnis Nazistopp etwa schreibt auf seiner Homepage von einer "erfreulich klaren Distanzierung des Gemeinderates von rechtspopulistischen Videos".


Hier geht es zum YouTube-Profil von Klaus-Peter Weber


Klaus-Peter Weber, der Mitglied der Werteunion, eines von CDU- und CSU-Mitgliedern gegründeten konservativen und wirtschaftsliberalen Vereins, ist, hat mittlerweile über 60.000 Abonnenten, die seine Beiträge zum Zustand der Großen Koalition, zur Flüchtlingskrise oder zu den Äußerungen des Juso-Bundesvorsitzenden Kevin Kühnert zur Kollektivierung von Konzernen wie BMW regelmäßig verfolgen. Manche Videos des erfolgreichen Bauunternehmers wurden mehr als drei Millionen Mal angeklickt.

"Freigeist für Demokratie"

Der in Leipzig geborene Wahl-Franke bezeichnet sich auf seinem Facebook-Profil als "Freigeist für Demokratie". "Ich werde versuchen die Mitte zu stärken. Dabei bin und bleibe ich parteilos", verspricht Weber auf seinem Titelbild. Das nehmen ihm aber offensichtlich manche Kritiker nicht ab, wie die jüngste Sitzung des Schwarzenbrucker Gemeinderates zeigt.

In der vorangegangenen Bürgerfragestunde sprechen sich rund 40 Besucher lautstark dafür aus, dass sich Bürgermeister Bernd Ernstberger (SPD) und der 20-köpfige Gemeinderat von dem meinungsstarken Unternehmer abgrenzen. Ein Beobachter des Geschehens sagt, dass er noch nie eine so aggressive Atmosphäre im Sitzungssaal des Schwarzenbrucker Rathauses erlebt habe. Das Gremium beugt sich schließlich dem Druck und gibt einstimmig grünes Licht für diesen symbolischen Akt.

Benefizkonzert mit Jürgen Drews abgesagt

Darüber hinaus will die Gemeinde auch nicht mehr das von Weber organisierte Benefizkonzert mit Jürgen Drews unterstützen, das eigentlich am 14. Juni hätte stattfinden sollen. Die von einigen Bürgern kritisierte Hilfe durch Mitarbeiter des örtlichen Bauhofes ist auch nicht mehr nötig, denn Weber sagt die Veranstaltung aus gesundheitlichen Gründen ab. Während das Gremium im Rathaus diskutiert, erleidet der 65-Jährige einen Zusammenbruch und kommt mit Verdacht auf Schlaganfall ins Krankenhaus.

"Kurz zuvor bekam ich einen Anruf, dass sich da was gegen mich zusammenbraue", erzählt Weber, der mittlerweile wieder zu Hause ist. Der vermeintliche Schlaganfall hat sich als relativ harmlose Durchblutungsstörungen herausgestellt.

Was aber geblieben ist, ist die Wut auf jene Menschen, die über ihn richten, ohne jemals mit ihm gesprochen zu haben. "Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass viele Gemeinderatsmitglieder noch kein einziges meiner Videos gesehen haben", sagt Weber. "Das ist eine moderne Hexenjagd, die mich ans Mittelalter erinnert."

"Entweder man ist Gutmensch oder man ist Nazi"

Jene Menschen, die ihn kennen, würden wissen, dass er nicht im Ansatz rechtsnationalistischen Kreisen zuzurechnen sei. "Ich sage das in vielen Posts, dass ich den Nationalsozialismus hasse und dass die Verwendungen von Nazi-Symbolen auf das Härteste bestraft werden muss", betont der Unternehmer. Doch wenn man etwas Kritisches zur Flüchtlingskrise sage, werde man sofort in eine braune Ecke gestellt. "Entweder man ist Gutmensch oder man ist Nazi. Dazwischen gibt es mittlerweile nichts mehr", kritisiert Weber und hält diesen Verlust an politischer Streitkultur für überaus bedenklich. Diese Entwicklung stärke automatisch die politischen Ränder.

Mit der Abgrenzung zu Weber wollen es manche Teilnehmer der Bürgerfragestunde übrigens nicht bewenden lassen. Unter anderem wurden Stimmen laut, die gemeinnützigen Organisationen untersagen wollen, Spenden von Weber anzunehmen. "Ich sage ,Nein‘ zu Fremdenfeinden! Ich sage ,Nein‘ zu Demagogen und rechter Meinungsmache! Und ich sage auch ,Nein‘ zu Herrn Webers Geld, das er meint verteilen zu müssen", schreibt etwa Mario Rubel, der bei den Kommunalwahlen 2020 als parteiloser Kandidat mit Unterstützung der örtlichen Grünen den Bürgermeistersessel im Schwarzenbrucker Rathaus erobern will, auf seiner Homepage.

2,5 Millionen Euro für gute Zwecke gespendet

Manfred Neugebauer, Chef der SPD-Fraktion im Gemeinderat, wiederum schlägt eine zweckgebundene Verwendung vor. "Wir sollten sagen, wenn er noch mit uns zusammenarbeiten will, dann sollte er für die Flüchtlingshilfe spenden." Weber hält das nicht nur für anmaßend, sondern angesichts seiner persönlichen Biografie auch für böswillig. "Ich war selber ein Flüchtling. Mir muss niemand etwas über deren Probleme erzählen", sagt der 65-Jährige, der 1956 mit seiner Familie nach West-Berlin emigrierte und laut eigener Aussage bittere Armut am eigenen Leib erfahren habe. Seit Jahren unterstütze er die Flüchtlingshilfe und verschiedenste gemeinnützige Einrichtungen, habe im Laufe der Jahrzehnte etwa 2,5 Millionen Euro für gute Zwecke gespendet.

Der erfolgreiche Bauunternehmer, dessen Unternehmen zeitweise 1800 Mitarbeiter beschäftigte, sieht auch einen gewissen Neid als Antriebsfeder für die jetzigen Angriffe gegen seine Person. Unter anderem wurde Weber vorgeworfen, extrem eng mit der örtlichen Gemeindespitze zu sein. "Ich habe noch nie einen Auftrag von der Gemeinde Schwarzenbruck erhalten", betont der 65-Jährige. Mit Bürgermeister Ernstberger habe er einmal in seinem Leben einen Kaffee getrunken, ansonsten aber keinerlei privaten Kontakt zu irgendwelchen Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung.

Auch beim nun abgesagten Benefizkonzert mit Jürgen Drews habe es keinerlei Gemauschel gegeben, so wie ihm das von manchen Bürgern unterstellt werde. Dass sich der örtliche Bauhof um die Aufbauarbeiten kümmere, dazu habe es einen offiziellen Beschluss des Bauausschusses gegeben. "Ich habe ja sonst alles finanziert und wollte den kompletten Erlös aus dem Kartenverkauf spenden", beteuert Weber, der inzwischen seine Anwälte eingeschaltet hat. Die Möglichkeiten, die er da habe, würden den Betroffenen wehtun", kündigt der 65-Jährige in seinem jüngsten Video an.

War Distanzierung keine gute Idee?

Weber geht es bei den möglichen juristischen Auseinandersetzungen nicht nur um die Beschädigung seiner Person, sondern auch um seine Firma, die unter diesem Rufmord ja ebenfalls zu leiden habe. Offenbar gehe es einigen Leuten im Ort auch darum, ihn in seiner beruflichen Existenz zu vernichten. Der Unternehmer fordert deshalb eine offizielle Entschuldigung der Gemeinde und eine "hundertprozentige Rehabilitierung".

Und angesichts des gerade tobenden Shitstorms im Internet ist einigen Schwarzenbruckern inzwischen wohl aufgegangen, dass die öffentliche Distanzierung von einem ihrer Bürger wohl keine so gute Idee war. Weber hat bereits mehrere Anrufe und Briefe bekommen, in denen sich die Protagonisten für ihr Verhalten entschuldigen.


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