Sigmar Gabriel in Schnaittach
17.7.2013, 17:56 UhrZum einen haben die Genossen mit Ernst Bergmann einen neuen Landtagskandidaten, der sich ordentlich präsentiert, und zum anderen haben sie einen Bundestagskandidaten Christian Nürnberger, der trotz zweier gebrochener Arme nicht verzagt. Dazu kam jetzt zum richtigen Zeitpunkt mit dem Bundesparteivorsitzenden ein Motivator erster Güte in den Landkreis.
Trotz der besonderen Situation der Landkreis-SPD hatte der Besuch Gabriels auch für die Marktgemeinde insgesamt eine ganz besondere Bedeutung. So trug sich nach den CSU-Granden Horst Seehofer 2012 und Markus Söder 2013 nun auch einmal ein großer Sozialdemokrat in das Goldene Buch des Ortes ein, an dessen Spitze mit Georg Brandmüller ja ein SPD-Bürgermeister steht.
Wie die Schnaittacher Vorsitzende Irmi Vollmuth im Gespräch strahlend bestätigte, war in der über 100-jährigen Geschichte ihres Vereins noch kein SPD-Chef in der Gemeinde am Fuß des Rothenbergs zu Gast. Entscheidend an diesem Tag war aber: Der Niedersachse enttäuschte weder ihre noch die großen Erwartungen der Kreisvorsitzenden Martina Baumann, die sich zuletzt wegen der besagten Personalprobleme mehr als Krisen-Managerin denn als Wahlkämpferin beweisen musste.
„Das war schon starker Tobak für sie“, sagt ihr Vorgänger Fritz Körber anerkennend im Gespräch am Rande der Veranstaltung. Seinen Fokus hatte aber auch er an diesem Tag auf Gabriel, der es gut geschafft habe, die Vorzüge der SPD anzupreisen, ohne zu sehr auf den politischen Gegner einzudreschen.
Anerkennende Worte für Bayern
Denn immerhin waren unter den etwa 600 Zuhörern im Festzelt auch zahlreiche Schnaittacher Christdemokraten, Piraten und Freie Wähler, die sich anhörten, wie ein freiheitliches und sozial gerechtes Deutschland nach Maßgabe der Sozialdemokraten aussehen sollte.
Nach etwa einer Dreiviertelstunde Gabriel konnten sich die SPD-Kandidaten und Mandatsträger auf alle Fälle frisch geimpft und gestärkt für ihren Wahlkampf fühlen: Für den 54-Jährigen ist das Wunschbild einer durch und durch solidarischen Gesellschaft durchaus realistisch, in der nicht nur der gut entlohnt wird, der dem Land vermeintlich am meisten Nutzen bringt - „die sogenannten Wirtschaftseliten“ -, sondern alle gleichermaßen für ihre Arbeit honoriert werden.
Gabriel: „Die wahren Leistungsträger sind die normalen Arbeitnehmer, der mittelständische Unternehmer, der Handwerksmeister und der Selbstständige.“ Viele Menschen wären zwar fleißig, „haben aber nichts davon“. Deutschland brauche einen Mindestlohn, der so hoch sein müsse, dass niemand mehr „nach einem vollen Arbeitstag zum Sozialamt muss“.
Der Niedersachse, der auch anerkennende Worte für Bayern mitgebracht hatte, beschrieb eine Gemeinschaft, die sozial Schwächeren gleiche Bildungs- und Karrierechancen bietet wie - aus seiner Sicht - privilegierten Eliten. Gleichzeitig verlangt der 54-jährige frühere Bundesumweltminister einen konsequenten Schuldenabbau.
„Viagra in Chrom“
Woher das Geld nehmen, um beides unter einen Hut zu bekommen? „Bestimmte Sachen darf man einfach nicht mehr bezahlen“, antwortet er. Spritfressende Geländewagen in Berlin, „Viagra in Chrom“, dürfe der Staat nicht weiter als Dienstwagen subventionieren. Am liebsten aber hätte Gabriel gar keine Steuerdebatte in Deutschland.
Wichtiger wäre es, dass sich Europa auf gleiche Abgabensätze einigt, sodass Konzerne nicht mehr länger hier zwar viel Geld verdienen können, ohne aber die üblichen Steuern bezahlen zu müssen, weil der Firmensitz geschickterweise in einer „Oase“ liegt.
Eine staatlich gelenkte größere Gerechtigkeit ist das große SPD-Wahlkampfthema, wie auch in Schnaittach deutlich wurde. Gleiche Karrierechancen für Frauen zum Beispiel gingen nicht mit dem von der CSU durchgesetzten Betreuungsgeld für Eltern zusammen.
Dieser Zuschuss fehle beim Ausbau der Kitas, die beruflich ambitionierte Mütter entlasteten und auch benachteiligte Kinder optimal förderten, wie Gabriel meint. Der SPD-Chef sprach vielen Genossen im Zelt aus dem Herzen, wie der häufige spontane Applaus zeigte.
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