Peggy-Prozess: Wurde Ulvi K. gefoltert?
10.4.2014, 17:04 UhrAls der Angeklagte Ulvi K. den Gerichtssaal betritt, empfangen ihn seine Unterstützer mit Applaus. Die Mitglieder der Bürgerinitiative sind von der Unschuld des geistig Behinderten überzeugt und setzen sich seit einiger Zeit für dessen Freispruch ein. Auch Peggys Mutter, Susanne Knobloch, ist vor Ort. Sie reicht Ulvi K. zur Begrüßung die Hand.
Zu Beginn des Prozesses verliest der Staatsanwalt die gleiche Anklageschrift wie im Jahr 2004. Damals wurde der geistig behinderte K. wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.
Im Anschluss spricht K.s Anwalt Michael Euler mehr als eine Stunde lang über das Leben seines Mandanten und prangert Versäumnisse bei den Ermittlungen an. So behauptet er, K. sei im Zuge der langen Verhöre von einem Polizeibeamten gefoltert worden, um an ein Geständnis zu gelangen. Der Polizist habe damals mit seinem Daumen in den Rücken des Angeklagten gedrückt und ihm Schmerzen zugefügt. Die Staatsanwältin Sandra Staade weist den Folterverdacht zurück und wirft Euler vor, sich im Ton vergriffen zu haben.
Bürgerinitiative setzt sich für Ulvi K. ein
In seiner Ansprache bedankt sich Euler außerdem bei Gudrun Rödel, die die Bürgerinitiative für den geistig Behinderten ins Leben gerufen hat und sich als Betreuerin für den heute 36-Jährigen einsetzt. K. ist unschuldig - das ist die Kernaussage des Anwalts.
In einem Interview in einer Verhandlungspause distanziert sich Euler nicht von seinen erhobenen Foltervorwürfen. "Die Vernehmungen sind äußerst unschön abgelaufen. Es gab ja auch tätliche Übergriffe gegenüber meinem Mandanten.", sagte er gegenüber den Reportern. Darin sieht der Verteidiger auch den Hauptgrund, warum K. den Mord gestanden hat: "Er wollte nur aus diesen Vernehmungen raus."
Auch der damalige Ermittlungsrichter wurde am Vormittag befragt. Er beantwortete dem Gericht Fragen über Peter H. - dem einzigen Belastungszeugen im ersten Prozess gegen Ulvi K. Peter H. saß Ende 2002 als Straftäter im Bezirkskrankenhaus Bayreuth - auf der selben Station wie Ulvi K.
Peter H. bot sich der Polizei als Spitzel an
Laut Ermittlungsrichter habe sich Peter H. in der Hoffnung auf Strafminderung der Polizei selbst als Spitzel angeboten. Später habe er seinem Verbindungsbeamten gegenüber behauptet, dass Ulvi K. ihm erzählt habe, Peggy erdrosselt zu haben.
Peter H. litt damals schon unter einem Hirntumor und wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Laut Ermittlungsrichter hatte die Polizei deshalb keinen Grund, an H.'s Aussage zu zweifeln.
Ende Oktober 2010 aber kam es zur Kehrtwende, als Peter H. sein Geständnis widerrief. Darüber, was ihn dazu bewegt hat, könne der damalige Ermittlungsrichter nur spekulieren. Vielleicht, weil die erhoffte Straferleichterung doch nicht so ausfiel, wie er es erhofft hatte? Oder weil Ulvi K.s Mutter immer, wenn sie ihren Sohn in der Bayreuther Psychiatrie besuchte, vor Peter H. auf den Boden spuckte? Peter H. übrigens starb im August 2013.
Zwei ehemalige Klassenkameraden der damals Neunjährigen sagten vor Gericht aus, sie hätten sie am Tag ihres Verschwindens noch gesehen. Damals sei sie in einen roten Mercedes gestiegen. An mehr können sich die beiden nach eigenen Angaben aber nicht erinnern.
Am Freitag geht der Prozess weiter. Ab 8.30 Uhr soll unter anderem der damalige Leiter der Soko im Fall Peggy, Wolfgang Geier, aussagen. Ihm werden schwere Vorwürfe dahingehend gemacht, wichtigen Spuren nicht nachgegangen zu sien.
Peggys Vater glaubt nicht an ihren Tod
In Kreisen der Bürgerinitiative geht das Gerücht um, Gustl Mollath wolle ebenfalls der Verhandlung beiwohnen. Bis jetzt fehlt von dem 57-Jährigen aber noch jede Spur. K. und Mollath hatten sich bereits am 7. März in Bayreuth auf einen Kaffee getroffen.
Peggys Vater hat indes die Hoffnung noch nicht aufgegeben, seine Tochter irgendwann lebend zu finden. Er hält es für möglich, "dass sie nicht Opfer eines Mordes geworden ist" und ließ deshalb ein Bild von Peggy generieren, wie sie heute aussehen könnte. "Es ist jetzt nicht mehr das Kind, das wir suchen, wir suchen jetzt eine fast erwachsene Frau", begründet er diesen Schritt.
Die Vorgeschichte
Der 36-jährige Ulvi K. war am 30. April 2004 als Mörder Peggys zu lebenslanger Haft verurteilt worden - eine Leiche der damals Neunjährigen wurde allerdings nie gefunden.
Das Verfahren wird wiederaufgenommen, weil unter anderem ein wichtiger Belastungszeuge eingeräumt hatte, falsch ausgesagt zu haben. Er hatte 2004 behauptet, K. habe ihm den Mord an Peggy gestanden.
Im Fall Peggy wird seit knapp zwei Jahren erneut ermittelt. Zwei Bekannte der Familie des Mädchens gerieten dabei ins Visier der Staatsanwaltschaft.
Der Artikel wird am 10. April laufend aktualisiert.
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