Auerbach: Euphorie kann sehr relative Sache sein
10.11.2016, 17:31 UhrDie blanken Zahlen klingen zunächst ermutigend: Bayernweit habe es von Januar bis September dieses Jahres 3,9 Prozent oder 27,5 Millionen mehr Gästeankünfte gegeben. Korrespondierend dazu stieg die Zahl der Übernachtungen um 3,4 Prozent auf gleich 71,3 Millionen. Im Landkreis Amberg-Sulzbach hat man den vergangenen September mit seinem Pendant 2015 verglichen und ist dabei auf eine Steigerungsrate von 6,4 Prozent gekommen. Auf das Jahr hochgerechnet waren es immerhin 1,7 Prozent Zuwachs oder rund 236 000 Übernachtungen insgesamt.
Landkreis-Tourismusreferent Hubert Zaremba ergänzt dazu, dass der Aufwärtstrend „auch in der von der Stadt Amberg und dem Landkreis Amberg-Sulzbach gemeinsam betriebenen Tourist-Info zu spüren“ sei. Eine Tendenz, die in Auerbach noch nicht in vollem Umfang angekommen zu sein scheint: „Wenn wir 2016 Zuwächse hatten, dann lag das an den vielen Baustellen in unserem Gebiet, aber kaum an gestiegener touristischer Attraktivität“, sagt beispielsweise Ruth Götz, Chefin des Landgasthofes „Zum Mittler“ mit 21 Doppelzimmern. Der Landgasthof habe sehr viele Arbeiter als Logisgäste gehabt, zumal auch in Pegnitz gebaut wurde.
Jene Gäste, die unter anderem die Bergweihnacht auf Maffei besuchen, seien meist Wiederkehrer, die den Gasthof seit Jahren frequentieren. Ruth Götz sieht das Problem, dass es in der Region unter anderem an attraktiven Angeboten bei Schlechtwetter fehle: „Man kann die Leute nicht dauernd in die Eremitage nach Bayreuth schicken.“ Dass der Landkreis Amberg-Sulzbach den Oberpfalz-Tourismus 2017 unter anderem durch gesteigerte Präsenz auf Touristik-Messen fördern will, begrüßt Ruth Götz, denn: „An der überregionalen Werbung hapert es.“ Auch wenn die Region nicht mit Gegenden wie dem Bayerischen Wald vergleichbar sei, habe sie doch einiges zu bieten, was eine touristische Förderung rechtfertige.
Tourismusreferent Hubert Zaremba deutete bei der Veröffentlichung der Statistikzahlen an, dass der tatsächliche Zuwachs an Gästezahlen sogar höher liege, weil Einrichtungen wie Ferienhäuser und -wohnungen bei der Berechnung gar nicht erfasst worden seien.
Tatsächlich sagt Anita März, die seit 1994 den von ihren Eltern übernommenen „Ferienhof Hämmerlmühle“ betreibt, dass sie sich über die Belegung des Hofes nicht beklagen könne. Die Oberpfalz sei vor allem für Kurzurlauber attraktiv — und manche würden dann auch „hängenbleiben“.
Erst kürzlich habe ein Paar aus Berlin für zwei Tage gebucht und dann auf eine Woche verlängert. „Die Oberpfalz kommt immer stärker ins Gespräch“, meint Anita März, die als Frau eines früheren Piloten einen Großteil der Welt gesehen hat. Nach den Perlen der Fränkischen Schweiz würden Touristen zunehmend städtische Schmuckstücke wie Tirschenreuth oder Waldsassen mit der Klosterkirche entdecken. Anita März empfiehlt, „globaler zu denken und mehr über den Tellerrand zu schauen“, wie sie sagt.
Das wollen offensichtlich auch die Landkreis-Touristiker — und monieren, dass nicht alle Beherbergungs- beziehungsweise Gastronomiebetriebe online buchbar seien. Was ein Blick auf die Auerbacher Stadt-Homepage bestätigt: Öffnet man auf www.auerbach.de den Reiter „Freizeit & Kultur“ und klickt auf „Übernachtung“, dann haben von elf hier aufgelisteten Betrieben nur sieben einen Link zu einem Mailpostfach und/oder einer Homepage. Auch Anita März verzichtet bei ihrem Ferienhof auf eine Internet-Präsenz. „Weil die Belegungszahlen auch ohne Online-Bestellungen passen“, betont sie.
Kapazitäten eingebüßt
Auerbachs Bürgermeister Joachim Neuß bringt die Tourismus-Euphorie wieder auf Normalniveau: „Auerbach war nie eine Touristenstadt“, sagt er. Durch die Schließung des „Goldnen Löwen“ habe man massiv Übernachtungskapazitäten eingebüßt. Auch der Schießlärm vom benachbarten Truppenübungsplatz sei nicht geeignet, die touristische Attraktivität der einstigen Bergbaustadt Auerbach zu fördern. Dafür habe man durch die „Kletteroffensive“ in der Region viel erreicht, wovon unter anderem Königstein fühlbar profitiere. Zu Beginn der Sommersaison wird in Auerbach ein stadtnaher, moderner Wohnmobilstellplatz geschaffen, der diese Klientel anziehen soll.
Schon jetzt kämen Tagesgäste zu Veranstaltungen wie den Maffeispielen oder dem städtischen Kulturprogramm „in beeindruckender Zahl“, so Joachim Neuß. Ziel sei, Traditionen wie die Erinnerung an den Bergbau zu bewahren und sich zugleich dem 21. Jahrhundert zu öffnen: „Wir sehen uns heute als Elektronikstandort“, sagt Neuß und kündigt an, dem auch mit einer Ausweitung des Wohnangebots — Stichwort „Boarding Houses“ — Rechnung zu tragen.
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