Aus dem Gericht: Tod eines Bayreuther Senioren bleibt ungesühnt
14.9.2020, 11:55 UhrEin Todesopfer aufgrund einer Gewalttat. Zwei mögliche Täter. Aber keiner von beiden kann für den Tod von Friedrich K. zur Rechenschaft gezogen werden. "Uns ist bewusst, dass das unbefriedigend ist", erklärte Torsten Meyer, der Vorsitzende Richter der zweiten Strafkammer des Landgerichts Bayreuth in der Urteilsbegründung am Ende des zweiten Prozesses um den Tod des Bayreuthers Friedrich K. im April 2017.
Wie sein Mittäter Anton S. im Sommer 2018, wurde der 38-jährige Augsburger Firat T. "nur" wegen Diebstahls und unterlassener Hilfeleistung schuldig gesprochen. Das Gericht verhängte eine Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren. Anton S. war am 23. Juli 2018 mit fünf Jahren und zwei Monaten bestraft worden.
Größe des Diebesguts unklar
Ursprünglich waren beide Männer wegen Mordes an dem Senior angeklagt. Die beiden Kriminellen hatten ihren Lebensunterhalt als Trick- und Einschleichdiebe bestritten und sich am 12. April 2017 in das Haus des allein lebenden 88-jährigen K. an der Innstraße in Bayreuth eingeschlichen. Aus dem Anwesen verschwanden Schmuck und Bargeld – in welcher Höhe, ist bis heute nicht klar. Klar ist, dass die Polizei am Abend des 12. April einen Notruf bekam, in dem eine Stimme sagte, an der Innstraße liege ein "alter Mann in seinem Blut". Rettungsdienstleute und Polizisten fanden Friedrich K. daraufhin schwer verletzt und bewusstlos am Fuß einer Treppe. Zwei Tage danach starb der Rentner im Krankenhaus.
BGH kippte Entscheidung
Eine Sonderkommission der Kripo ermittelte in aufwendiger Arbeit Anton S. und Firat T. als Verdächtige – im Haus waren DNA-Spuren der beiden Vorbestraften. Nach mehrwöchigem Indizienverfahren sprach das Bayreuther Schwurgericht im Juli 2018 wie berichtet Firat T. wegen Mordes schuldig und verhängte lebenslang. Das Urteil wurde vom Bundesgerichtshof (BGH) aufgehoben, sodass die 2. Strafkammer nun als Schwurgericht erneut verhandeln musste. Im Gegensatz zum Erstgericht kamen die Richter dieser Kammer nicht zu dem Ergebnis, dass Firat T. eine Tat nachzuweisen ist, aufgrund der Friedrich K. zu Tode kam. Wie der Vorsitzende Meyer ausführte, gab es hier zwei entscheidende Knackpunkte.
Erstens: Die Gutachten zweier Gerichtsmediziner, die eindeutig besagten, dass der beraubte Rentner zwar zweimal gegen den Kopf geschlagen wurde, die daraus resultierenden Verletzungen jedoch nicht tödlich waren. Tödlich waren die Folgen eines Sturzes: Der gehbehinderte Mann fiel sieben Stufen einer Steintreppe hinab und schlug mit dem Schädel auf. Die Gutachter sagten, dass nicht gesagt werden könne, ob der Senior vor oder nach dem Treppensturz geschlagen wurde. Ob der Treppensturz die unmittelbare Folge von Schlägen war, sei ebenso Spekulation. Die juristische Folge: Der notwendige Kausalzusammenhang zwischen Schlägen und Sturz sei nicht darstellbar – dies hatte der Bundesgerichtshof in seiner Revisionsentscheidung bereits so ausgeführt.
Als Zeuge nicht glaubwürdig
Zweitens: Anton S. ist für die 2. Strafkammer kein glaubwürdiger Zeuge. Im ersten Prozess habe sich das Schwurgericht noch auf die Schilderungen des zweiten Täters gestützt und dessen Behauptungen geglaubt, Firat T. sei derjenige gewesen, der zum Zeitpunkt des Treppensturzes mit Friedrich K. alleine im Haus gewesen sei. Der Vorsitzende Meyer führte aus, dass S. an mehreren Tagen eingehend vernommen worden sei: Er habe sich "gewunden", in Widersprüche verstrickt.
Auch die Staatsanwältin habe Anton S. misstraut, wörtliche Protokollierung wichtiger Aussagen beantragt, gar mit möglicher Ordnungshaft gegen S. Druck aufgebaut. Meyer sagte: "Anton S. verdiente über lange Zeit seines Lebens seinen Lebensunterhalt mit Betrügen und Belügen betagter Menschen." Zudem habe S. ein großes Interesse daran, dass T. verurteilt werde, denn: S. selbst sei ja ursprünglich wegen Mordes angeklagt gewesen – bei neuen Beweisen drohe ihm ein Wiederaufnahmeverfahren.
Als Beispiel für das Aussageverhalten von S. nannte Meyer die unglaubwürdige Schilderung, wie Firat T. und S. ins Haus gekommen sein wollten: T. habe sich bei Friedrich K. mit Kuchen und Wein als neuer Nachbar vorgestellt und sei eingelassen worden. Absprachewidrig sei jedoch die Haustüre nicht angelehnt gewesen, sodass S. geklopft haben will. Meyer fragte: "Und dann soll Firat T. geöffnet haben, ohne dass Friedrich K. das bemerkte? Das passt nicht."
Als ebenso unglaubwürdig stufte das Gericht die Schilderung ein, S. habe mit der Beute das Haus unbemerkt verlassen. Erst nach einer Wartezeit von gut einer Stunde will Anton S. dann geklingelt haben und von Firat T. mit den Worten "ein Unfall ist geschehen" empfangen worden sein. Für die Richter unlogisch, denn: Laut S. habe T. selbst keine Beute aus dem Haus mitgenommen, der beabsichtigte Diebstahl sei somit beendet gewesen. Kurzum: Auf Anton S. könne eine Verurteilung von Firat T. nicht gestützt werden. Somit bleibe zur Aburteilung nur das, was dieser gestanden habe: Ein gewerbsmäßiger Diebstahl und unterlassene Hilfeleistung.
Keine Beweise für Kokainsucht
Die von Verteidiger Florian Engert beantragte Unterbringung von Firat T. in einer Entziehungsanstalt lehnte die 2. Strafkammer ab. Zwar gebe es ein Gutachten, dass dem Angeklagten einen Hang zu Kokain attestiere. Das Gutachten beruhe aber lediglich auf den Behauptungen von Firat T. selbst, der Gutachter habe seine Expertise unter den Vorbehalt gestellt: "Wenn man dem Angeklagten folgt." Dies tat das Gericht nicht, denn außer den Behauptungen T.’s gebe es keine Beweise für die behauptete Kokainsucht.
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