Extremsportler Holger Heuber beim ,Kletterfestival‘
25.5.2012, 10:00 UhrHolger Heuber war lange der unbekannte Top-Kletterprofi neben seinen Freunden Kurt Albert und Stefan Glowacz. Aber er brachte Albert, dem Erfinder der Rot-Punkt-Routen, das Paddeln bei, damit er durch den Grand Canyon kam. Er hielt auch die Trauerrede, als Albert 2010 am Höhenglücksteig abgestürzt war, weil er einen Sicherungskarabiner nicht zugeschraubt hatte.
Holger Heuber wurde schon als Kleinkind von seinen Eltern in ein Boot gesetzt. Mit elf Jahren nahm ihn dann jemand mit zum Klettern. Mit Wäscheleine, einem alten Motorradhelm und drei Karabinern ging es los: „Die gefährlichste Zeit meines Lebens“.
Zum Paddeln, Klettern und Bergsteigen kamen Drachen- und Gleitschirmfliegen, Snowkite und Kiting auf dem Wasser.
Heuber gründete ein Sportgeschäft in Erlangen und machte den Kletterboom in der Fränkischen Schweiz mit: „Eine tolle Zeit, anstrengend, aber mit einer wahnsinnigen Aufbruchstimmung.“ Das ging bis 2002 gut, bis zu einem Unfall. Für Holger Heuber veränderte sich in einer Sekunde alles. Er war immer der Sunnyboy gewesen, dem alles zuflog. Und jetzt lag er zweieinhalb Jahre im Krankenhaus.
Bei einem Gleitschirm-Wettbewerb hatte er beim Landen zu spät entschieden, einen anderen vorzulassen. Dadurch riskierte er zu viel. Er kam ins Lee einer Baumreihe und stürzte aus 20 Metern ab. Trotz der Verletzungen am Becken und an den Wirbeln hatte Heuber Glück im Unglück: Er konnte irgendwann wieder Laufen lernen.
Das lag an seinem Willen und daran, dass nicht alle Verbindungen im Rückgrat unterbrochen waren. „In der Reha hab ich viele Leute kennengelernt, vor denen ich höchsten Respekt habe. Supersportler mit extremer Willenskraft. Aber wenn an der Wirbelsäule etwas nicht mehr reparabel ist, kann auch der motivierteste Profi noch so viel tun und wollen – es nützt nichts.“
Seine Familie gab jetzt Rückhalt und die Kumpels. Das Gute war: Holger Heuber dachte nun anders übers Leben. „Früher war ich extrem unruhig, ein notorischer Multi-Tasker und sportlich hyperaktiv. Ein toller Tag musste am besten drei oder vier Sportarten abdecken. Da wird das Besondere scheinbar zur Normalität. Ich fühlte mich getrieben, immer nachzulegen.“
Aber plötzlich: Unbeweglich im Zimmer, endlos. „Du registrierst, dass die Gesundheit das wichtigste und höchste Gut ist, schon allein das Sich-bewegen-Können.“
Irgendwann, nach vielen kleinen Schritten, gelang die erste Mini-Skitour. Von da an ging es bergauf. 2006 fuhr Holger Heuber mit Kurt Albert nach Venezuela auf eine Scouting-Tour für die Tepui-Expedition 2007, im nächsten Jahr folgten Baffin Island nördlich von Kanada. Der Ausstieg aus dem Sportgeschäft und Vorträge oder Events mit einem mobilen Kletterturm, Jobs als Kameramann, Paddelprojekte mit Schulklassen.
Senkrecht hinauf: Big Wall
Holger Heubers Spezialität wurden die Big Walls, die Felsen, so senkrecht wie eine hochgekippte Autobahn. Angeseilt schläft er dort in 500 Metern Höhe, auch am frostigen Polarkreis. „Auf alles muss man höllisch aufpassen: Wenn einem der einzige Löffel auskommt, ist er weg. Man bindet alles fest, Kocher, Schlafsäcke, Handschuhe.“ Ein Problem ist das Trinkwasser. Im Dauerfrost gibt es nur eine Tonne mit Schnee zum Schmelzen. Ist die leer, muss einer runter zum Felsfuß, um Nachschub zu holen.
Die erste Tour dieser Art war beim „Cirque of the Unclimbables“, einem Massiv nahe dem South Nahanni River. Dort entstand die Idee, auf dem Fluss mit Kajaks an- und abzureisen statt per Buschflieger. Und die Boote über eine Hochebene zu diesem Fluss zu ziehen. Dies nannte man „by fair means“: Zum Klettern wandern aus eigener Kraft. Der Begriff wurde zum Markenzeichen auch für Heuber.
1998 erlebte er Grönland, 1999 die Antarktis, 2000 zum ersten Mal Baffin Island, 2001 El Gigante in Mexiko, 2002 wieder Kanada. Nach dem Unfall ging es 2006/2007 weiter mit Venezuela. Dann in Brasilien der „Place of Happiness“, von dem der Auerbacher Vortrag erzählt. „Es sind so viele verschiedene Facetten. Das macht das Klettern so spannend. Und mir geht es nicht bloß um kleine Griffe, um schwierige Züge: Ich will bei den Reisen auch die Menschen und das Land kennenlernen.“
Angst gehört dazu
Hat er nie Angst? „Es ist falsch, zu sagen, dass man nie Angst hat. Das gehört dazu. Aber mein Unfall brachte einen Dämpfer. Ich bin mir der Gefahr mehr bewusst als früher.“ Pro Jahr plant Holger Heuber eine große Expedition über vier bis acht Wochen, gesponsert von Stern, Geo oder Red Bull. Aber sein Grundtraining läuft in der Fränkischen Schweiz, am liebsten am Kühlochfels bei Königstein.
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