Historiker Hermann Hiery: „Das ist wie in der DDR“

8.1.2016, 18:30 Uhr
Hermann Hiery fordert eine neue Art der Flüchtlingspolitik. Aktuell vergleicht er die Zustände mit denen der DDR.

© Foto: Ulrike Sommerer Hermann Hiery fordert eine neue Art der Flüchtlingspolitik. Aktuell vergleicht er die Zustände mit denen der DDR.

Herr Hiery, was haben Sie gegen den Antrag der SPD?

Hermann Hiery: Tut mir leid, aber da steckt mir zu viel Ideologie drin. Im Antrag steht unter anderem: „Deutschland erlebt einen historischen Zustrom an Flüchtlingen. An dieser Situation wird sich kurz- und mittelfristig nichts ändern.“ Aber das wissen wir nicht. Und selbst wenn es wahrscheinlich ist, heißt das nicht, dass man es nicht ändern kann. Man wird doch Politiker, um zu gestalten und nicht, um einfach alles hinzunehmen. Und wenn es im Antrag weiter heißt: „Wie die Kanzlerin (. . .) zu Recht feststellte, kennt das Grundrecht auf Asyl keine Höchstgrenzen“, dann ist das verfassungsrechtlich problematisch, weil es bei den Beratungen zum Grundgesetz immer um ein individuelles Grundrecht ging. Außerdem ist es politischer Unfug.

Was hätte die Politik denn stattdessen tun sollen?

Hiery: Sich besser vorbereiten. In dem Moment, als die Flüchtlinge in Ungarn waren, hatten sie bereits Schutz vor Verfolgung. Als großer Staat mit entsprechendem ökonomischen Rückhalt kann, ja soll man trotzdem helfen. Aber man hätte in der Verwaltung sinnvolle Vorschläge zur konkreten Hilfe erarbeiten lassen sollen, die Grundlinien der deutschen Hilfspolitik dann im Bundestag diskutieren und vor allem die Bevölkerung mit einbeziehen müssen. Stattdessen macht man hysterische Politik, die überhaupt nicht durchdacht ist, und reicht sie dann von oben nach unten durch. Das ist wie in der DDR.

Sie vergleichen die Bundesrepublik mit der DDR?

Hiery: Man könnte sie auch mit der Monarchie vergleichen. Frau Merkel ist aber keine Königin. Und meine schon gleich gar nicht. Wir haben bestehende Gesetze und internationale Vereinbarungen gebrochen und zum Beispiel einfach das Dublin-Abkommen außer Kraft gesetzt.

Aber erstens nur für Syrer. Und zweitens erlaubt Artikel 17 des Dublin-Abkommens den Mitgliedstaaten, die Rückführung aus humanitären Gründen auszusetzen.

Hiery: Es geht zunächst nicht ums Rückführen, sondern ums Reinlassen. Für die Bevölkerung sieht das so aus, als ob die da oben machen, was sie wollen – ganz wie anno dunnemals. Aber Demokratie ohne Rechtsstaat geht nicht, auch nicht aus humanitären Gründen. Das führt zu Ablehnung, die man ja überall spüren kann.

Ein Asylbewerber auf 124 Oberfranken, das ist doch nicht übermäßig viel.

Hiery: Die Sache ist wie ein Gewitter über die Kommunen und Landkreise hereingebrochen. Gerade die deutsche Gründlichkeit, die überall gelobt wird, ist völlig den Bach runtergegangen. Von mir aus könnten es auch 100 Asylbewerber auf 1000 Deutsche sein, sofern sie unsere Werte respektieren.

Und jetzt?

Hiery: Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Als Historiker kann ich sagen: In der Regel könnte jedes Gesetz, das erlassen wird, von der nächsten Regierung wieder rückgängig gemacht werden. Es wäre zwar schwierig, aber theoretisch könnten wir sogar aus der EU austreten, wenn wir wollten. Aber wir können nicht einfach alle Flüchtlinge wieder rauswerfen. Das wäre nicht nur unmenschlich, sondern auch politisch völlig unmöglich. Wer so etwas fordert, kann nicht mehr ganz bei Trost sein.

Mal angenommen, die Bundesregierung würde eine Möglichkeit finden, die Zahl der Flüchtlinge künftig zu begrenzen. Das wäre dann doch auch nichts anderes als erst der EU bei- und dann wieder auszutreten.

Hiery: Nein, weil die Entscheidung, die Grenzen zu öffnen, eine Dynamik entwickelt hat, die nicht rückgängig gemacht werden kann. Und die unser Gemeinwesen gefährdet. Denn sie hat unsere Bevölkerung gespalten, wie es seit 1949 noch nie der Fall gewesen ist. Der Riss, der derzeit bis durch die Familien geht, war selbst bei der umstrittenen deutschen Wiederbewaffnung nicht so tief wie heute. Nicht einmal die Terroristen der so genannten RAF konnten in dieser Beziehung unsere Demokratie gefährden. Damals stand die Bevölkerung geschlossen hinter der Regierung.

Was soll die Bundesregierung Ihrer Meinung nach machen?

Hiery: Meiner Meinung nach führt an dem Rücktritt von Frau Merkel kein Weg vorbei. Sie hat sich völlig verrannt. Sie ist das, was man gelegentlich bei Studenten beratungsresistent nennen muss – unwillig, ja unfähig, Fehler und Versäumnisse abzustellen und zu korrigieren. In jedem Fall müssen Integrationsmaßnahmen obligatorisch gemacht werden. Deutschkurse, Integrationskurse, und wer unserem Grundgesetz nicht zustimmt, wird nicht akzeptiert. Das ist in den Vereinigten Staaten nicht anders. Ich frage mich sowieso, warum Menschen überhaupt hierher kommen wollen, wenn sie unsere Werte nicht teilen, sie denunzieren.

Haben Sie keine Angst, mit Ihren Aussagen in die rechte Ecke gestellt zu werden?

Hiery: Wir tragen eine Verantwortung gegenüber unseren Vorfahren und unseren Nachkommen. Aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht aus Angst vor dem letzten großen Unfall beim stetigen Blick in den Spiegel nach hinten den Geisterfahrer von vorne verpassen. Es gibt in der Geschichte selten nur schwarz und weiß. Es gibt auch grau.

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