Kunst des Querdenkens und der Menschenbetrachtung

5.4.2013, 22:18 Uhr
Kunst des Querdenkens und der Menschenbetrachtung

© privat

Alf Maron, 33, stammt aus Radebeul, machte eine Fotografenlehre und wurde in Potsdam Designer. Nachdem er in Rumänien für die Kinderkriegsnothilfe Bilder gemacht hatte (und bevor er am Checkpoint Charly frühere Grenzsoldaten zum Gespräch und Porträt bat), widmete er sich lange diesem einen Thema: Fremde Menschen begleiten, die über „Cosplay Posing“ und „Larp“ in andere Zeiten gleiten.

Sie verkleiden sich, sie mieten napoleonische Forts und Burgen, sie gehen auch in die Zukunft. Dann spielen sie „Endzeit“, wo man zurückgebombt wird ins Mittelalter — von Alf Maron fotografiert.

Kunst des Querdenkens und der Menschenbetrachtung

© Knauber

Maron begleitete diese Frauen und Männer ein halbes Jahr. Er drückte aber erst auf den Auslöser, als sich jeder ohne Zögern in seine Rolle fallen ließ. Und er fotografierte analog. „Kein Klick-klick-klick 30-mal, sondern eine Bündelung auf zehn Bilder. Das hat der Arbeit gut getan.“ Er stellte seine Kamera auf und sagte „Sei!“ Dann posierte der Mann im Kettenhemd mit seiner Rüstung so, wie der Fotograf es wollte. Und Alf Maron bat ihn zum zweiten Shooting daheim, in seiner normalen Umgebung, wo es dieser Mann am liebsten hatte. „Ich wollte sehen: Was passiert durch das Kostüm mit dem Mann? Löst er sich auf? Was ist, wenn er zurückkommt? Es war spannend.“ Er lernte, dass diese Menschen zu ihrer Flucht vor der Realität stehen.

Ein Nebenaspekt war das Beobachten von „Trading Card Games“, bei denen sich Kartenspieler mit Zaubererkarten duellieren. „Da geht aber das ,Zaubern‘ schnell weg und es steht nur noch die Strategie im Vordergrund“, erkannte Maron. In seiner nächsten Fotoserie will er diese Larp-Spieler in Zivil in ihrem Mittelalter-Set beobachten und dann auch mit ihrer Maskierung am Küchentisch daheim. „Um zu zeigen, dass diese Spiele ein Teil ihres Lebens sind.“ Herausgekommen sind leise Bilder, zum darüber Nachsinnen.

Jürgen Deibl (59) ist ein bescheidener, sehr guter Maler. Schon in seiner Treuchtlinger Kindheit wollte er Künstler werden — wurde aber Beamter in München. „Noch fünf Jahre, dann bin ich frei!“, scherzt er. Bis dahin zeichnet er weiter nach einem Porträtfoto Alfred Hrdlicka und schreibt „12. V.“ darunter, „zwölfter Versuch“: „Man muss den Mut haben, mal was wegzuwerfen.“ Dieses Porträt enthüllt die Seele des knorrigen Bildhauers durch Augen, Nase und Kinn. Deibl wollte es so: „Sie müssen die Augen treffen. Wenn Sie die Augen haben, haben Sie die Person. Da müssen Sie den Charakter reinkriegen, in den Blick.“

Jürgen Deibl bewundert aber auch den Illustrator Matthias M. Prechtl. „Ich bin sein absoluter Fan. Aus einer einfachen Straße hat er was gemacht.“ So probiert er selbst Formen, bringt „Spannung rein mit was, was net normal is“, modelt „stinklangweilige Gräser und Pfützen“ zu Farbkonstrukten um und kritisiert auch — wenn er zum Beispiel das Haus eines „Protzbauern“ malt, oder den Ort Schindegg: „Da herrscht Beton vor.“

Jeden Abend sitzt Jürgen Deibl nach der Arbeit da und malt. Aber er füllt auch Skizzenblocks am Hauptbahnhof, im Münchner Westend: „Leut’ können Sie da sehn! Unendlich. Die in der Früh, die’s nicht mehr heimgeschafft haben. Das sind Stücke!“

Tapeten in Abrisshäusern

Deibl studiert aber auch Abrisshäuser, wo die Tapeten von zerbrochenen Stockwerken einsam in die Luft ragen. „Ich will schaun, wie die damals gelebt haben. Da war Freude drin und Drama. Und das verschwindet mit dem Abriss.“

Manchmal hat der geduldige Maler einen extremen Anflug und aquarelliert meisterlich, mit elf Lasuren allein für den blauen Lack einer alten Kommode — die eine Vase mit Zweigen trägt. „Ich versuch’ da, wie weit ich mit der Kunst gehen kann, ohne dass es Kitsch wird. ,Kotelet‘ heißt dieses Bild, nach dem Buch der Richter. Das sagt: Alles ist Wind, irgendwann vorbei. Die alten Zweige sind das Vergängliche. Die kleine Goldmaske hier ist die Show der Reichen.“

So erkundet dieser lustige, gläubige Mann, der Christus für seine Fähigkeiten als „Bildermacher“ dankt, immer neue Ufer suchend seine Umgebung, angeregt von Anregungen aus England und den USA. Geöffnet dienstags, donnerstags und sonntags am Nachmittag.

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