Letzter Vorposten der Alpen in Oberfranken
6.10.2016, 22:24 UhrIn Oberfranken kommt es nur noch an diesem Ort und auf der gegenüberliegenden Talseite auf der Prüllsleite in geringeren Beständen vor. Entdeckt hat dieses Tier vor etwa vier Jahren der Biologe Andreas Niedling von der oberen Naturschutzbehörde der Regierung von Oberfranken bei einem Spaziergang auf der Finkenleite. Die Rede ist von der so genannten Gewöhnlichen Gebirgsschrecke, einer Heuschreckenart, die nicht fliegen kann und die man auch als Pottensteiner Gebirgsschrecke bezeichnen könnte, da diese spezifische Art nur hier vorkommt.
Seit der Entdeckung dieser seltenen Heuschreckenart wird nun von den Naturschutzbehörden, dem Landschaftspflegeverband Fränkische Schweiz – Rotmaintal, dem Naturpark Fränkische Schweiz – Veldensteiner Forst und nicht zuletzt vom Freistaat Bayern als Zuschussgeber viel getan, um die Gewöhnliche Gebirgsschrecke in Pottenstein nicht aussterben zu lassen. Dafür wurde von der Regierung von Oberfranken nun extra ein Projekt ins Leben gerufen, das Gerhard Bergner als Projektverantwortlicher betreut. Die Biologen Andreas und Claudia Hemp von der Universität Würzburg wurden mit der Erforschung und Kartierung der Vorkommen der Gewöhnlichen Gebirgsschrecke beauftragt.
Die Regierung brachte sogar ein Faltblatt heraus, das sich mit dem Insekt aus der Eiszeit beschäftigt. Demnach ist die Gewöhnliche Gebirgsschrecke ein außergewöhnliches Tier, eine bunte und kontrastreiche Heuschrecke. 17 bis 30 Zentimeter lang, die Weibchen sind deutlich größer als die Männchen. Sie frisst Gräser und Kräuter, tote Insekten dagegen selten. Selbst dient sie Eidechsen und Vögeln als Nahrung. Da sie nur kurze Stummelflügel hat, erzeugt sie auch nicht den typischen „Heuschreckengesang“, sondern nur ein „Zähneknirschen“.
„Schnecke der Heuschrecken“
Eigentlich kommt die Gewöhnliche Gebirgsschrecke von den Pyrenäen über die Alpen bis hin zum Balkan und Osteuropa vor, in Deutschland aber nur noch in Sachsen-Anhalt, Sachsen, Baden-Württemberg und Bayern. Dennoch ist die Pottensteiner Gebirgsschrecke wohl einzigartig, wie Claudia Hemp sagt. Das Tier ist flugunfähig. Untersuchungen haben ergeben, dass es täglich nur sechs bis neun Meter Laufstrecke in einem Aktionsradius von 15 Metern zurücklegt. Das Tier kann also seinen Lebensraum nicht aus eigener Kraft wechseln. Es ist daher zu vermuten, dass diese Art schon seit der Eiszeit auf der Finkenleite bei Pottenstein lebt. Es gilt daher, den Lebensraum dieser seltenen und einzigartigen Heuschreckenart, die auch als die „Schnecke der Heuschrecken“ bezeichnet wird, zu erhalten und zu optimieren, wie Berger erklärt. Sehr wichtig sind dafür die Schafe von Schäfer Konrad Stiller, denn diese sorgen dafür, dass die Finkenleite nicht verbuscht. Und dort, wo die Schafe nicht hinkommen, ist der Landschaftspflegeverband von Dr. Manfred Teckelmann gefragt.
Vor etwa vier Jahren wurde die Finkenleite auch mit Hilfe der Bergwacht Pottenstein entbuscht. Das ist nun wieder fällig, um den Lebensraum so seltener Arten wie der Gewöhnlichen Gebirgsschrecke zu erhalten, sagt Teckelmann. Die Magerrasen um Pottenstein sind auch prägend für das Landschaftsbild und tragen damit wesentlich zum blühenden Tourismus der Stadt bei.
Ebenso wichtig sind sie als herausragender Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten. Ein Höhepunkt ist dabei das Eiszeitrelikt Gewöhnliche Gebirgsschrecke. In Oberfranken gibt es nur noch ein aktuelles Vorkommen bei Pottenstein, betont der Leiter des Sachgebiets Naturschutz bei der Regierung von Oberfranken, Dr. Herbert Rebhan.
Daher habe die Regierung ein Biodiversitätsprojekt ins Leben gerufen, um das Vorkommen der außerhalb der Alpen vom Aussterben bedrohten Gewöhnlichen Gebirgsschrecke bei Pottenstein zu erhalten. Bisher wurden dazu die Populationen der Heuschrecke detailliert erfasst und Gefährdungsursachen aufgezeigt. Im weiteren Verlauf dieses Projekts werden nun die Lebensräume optimiert. Claudia Hemp schätzt, dass an der Finkenleite jährlich 100 bis 150 Exemplare dieser Heuschreckenart leben, an der Prüllsleite nur ein Dutzend. Einzigartig ist das Pottensteiner Vorkommen der Gewöhnlichen Gebirgsschrecke deshalb, weil jedes Vorkommen dieser Heuschreckenart genetisch lange isoliert gelebt hat. „Wenn diese Art bei Pottenstein ausstirbt, kriegt man sie nicht wieder her“, betont die Biologin.
Tourismus und Naturschutz
Deswegen gilt es dieses einzigartige Biotop unbedingt zu erhalten. Pottensteins Bürgermeister Stefan Frühbeißer zeigte sich überrascht, dass diese Art als einzige nur in Pottenstein vorkommt. Er betonte aber auch, dass der Naturschutz eine staatliche Aufgabe ist, sich die Kommunen ihrer Verantwortung dafür aber bewusst sind. Frühbeißer bezeichnete den Naturschutz und den Tourismus mit der einen Steinwurf entfernten Sommerrodelbahn oftmals als Gradwanderung.
Um die artenreichen Magerrasen rund um Pottenstein zu erhalten, sind aber viele Hände und Köpfe notwendig. Maßgebliche Akteure sind neben der Stadt Pottenstein der Schäfer Konrad Stiller, der Landschaftspflegeverband Fränkische Schweiz Rotmaintal, der Naturpark Fränkische Schweiz-Veldensteiner Forst und die Bergwacht Pottenstein. Sie alle sorgen gemeinsam mit den Naturschutzbehörden dafür, den herausragenden Lebensraum durch Beweidung und ergänzende Entbuschungsmaßnahmen zu erhalten. Nächstes Jahr soll es Exkursionen zur Gewöhnlichen Gebirgsschrecke geben und eine Infotafel an der Finkenleite.
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