Spuren eines Auerbachers in Wolgograd
26.5.2018, 16:00 UhrFranz Zambelli hatte zufällig erfahren, dass Steger diese Reise plante und bat ihn, nach seinem vermissten Onkel Ausschau zu halten. Auf der Kriegsgräberstätte Rossoschka wurde Steger auf der achten Platte von Würfel 105 tatsächlich fündig: "Franz Zeilmann, * 22.4.1918, JAN 1943" ist dort zu lesen. Rossoschka ist eine Gedenkstätte, die an die Toten aus dem berüchtigten Kessel von Stalingrad erinnert. Auf den Granittafeln einer Rundmauer sind die Namen von 24.427 Kriegstoten festgehalten. Vermisste und nicht zu bergende Tote stehen auf insgesamt 124 Würfeln. Fast 118.000 Namen sind darauf alphabetisch graviert, darunter Franz Zeilmann.
Hans Steger war nicht zum ersten Mal in Russland. Im September 2016 war er erstmals mit dem Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge unterwegs. Damals suchte er einen Hinweis auf seinen Onkel Alfons Steger, der ebenfalls in Russland gefallen war und auf einem Soldatenfriedhof bestattet wurde. Stalingrad, das seit 1961 offiziell Wolgograd heißt, hat den Auerbacher schon immer interessiert. "Es ist ein prägnanter Ort der deutschen Geschichte", sagt er. Als der Bezirksverband die Reise ausschrieb, hat sich Steger schnell angemeldet. Er hat es nicht bereut.
Noch immer ist er beeindruckt von der Millionen-Metropole, die nach den verheerenden Kämpfen des Zweiten Weltkrieges komplett zerstört war und neu aufgebaut werden musste. Nur die Ruine eines ehemaligen deutschen Getreidespeichers blieb als Mahnmal erhalten, erzählt Steger. In der einst von Russen und Deutschen umkämpften Stadt werde die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg hoch gehalten.
Zahlreiche Denkmäler erinnern an dieses unsägliche Kapitel. Der Jahrestag der Kapitulation der Deutschen wird jedes Jahr gefeiert. Am 8. und 9. Mai finden Paraden und Gedenkveranstaltungen mit Kranzniederlegungen statt. Auch die deutsche Gruppe war dazu eingeladen und legte rote Nelken an einem Mahnmal nieder. Für diese zwei Tage heißt die Stadt temporär Stalingrad. Der 9. Mai ist ein nationaler Feiertag in Russland und einigen anderen Ländern.
Gastfreundschaft beeindruckt
In Wolgograd werde die Erinnerung an den Krieg hoch gehalten. "Die Stadt ist mit Denkmälern und Mahnmalen regelrecht übersät." Eine gigantische Gedenkstätte ist der einst umkämpfte Mamajew-Hügel, den die 85 Meter hohe Betonfigur namens "Mutter Heimat" krönt. Was Hans Steger ebenfalls enorm beeindruckt hat, war die Gastfreundschaft der Russen und die Stimmung in der Gesellschaft. Hektik sei nie spürbar gewesen, auch böse Worte habe er nie gehört. Stattdessen erinnert er sich an die Aufforderung "Kommen Sie doch wieder!" sowie an zuvorkommendes Personal am Flughafen und im Hotel.
Bei einer Fahrt auf dem Wolga-Don-Kanal ging es durch Schleusen, die von deutschen Kriegsgefangenen gebaut worden waren. Auch der Besuch eines Fußballspiels der U18-Teams von Russland und Deutschland gehörte zum Rahmenprogramm. 15.000 Zuschauer sahen einen 3:1-Erfolg der Gäste.
Mit ihrem Visum konnten sich die Mitglieder der Reisegruppe – die Mehrheit war aus Regensburg – außerhalb der geführten Touren auch frei bewegen. Hans Steger erkundete abends auf eigene Faust die Stadt, sah sich den Bahnhof an, ging in einen Supermarkt und zum Wolgauufer, wo gerade ein Konzert stattfand. Mulmig sei ihm im fremden Land in keiner Sekunde gewesen. Auf den Straßen habe er weniger Polizei gesehen als in Deutschland, allerdings war der Bahnhof von Wolgograd bewacht.
Das Hotel aus den 1960er Jahren hatte keine Wellness-Einrichtungen, war aber in gutem Zustand, erzählt Steger. Auch die Hauptstraßen waren ähnlich wie in Deutschland, nur mit merklich weniger Verkehr. Beeindruckt hat ihn vor allem aber ein Gespräch mit einer Schulklasse. Diese war zweieinhalb Tage mit dem Bus aus Sibirien angereist, um das ehemalige Stalingrad zu sehen. Alle Jugendlichen freuten sich über eine kurze Unterhaltung mit dem Auerbacher – sogar auf Deutsch.
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