Polizei suchte den Mörder von Lewin und Poeschke sogar in Venezuela
17.12.2020, 21:40 Uhr"Gleich im ersten Jahr gab es ungewöhnlich viele Tötungsdelikte und -versuche", sagt Hanschmann im Gespräch mit unserer Redaktion. Dann kam der 19. Dezember 1980, ein Freitag. Der offizielle Teil der Weihnachtsfeier in der Dienststelle war vorüber, als ein Kollege auf ihn zutrat: "Der sagte: 'Ich muss euch alarmieren, es hat einen Doppelmord gegeben.'"
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Hanschmann machte sich auf den Weg. Er war einer der ersten Kriminalpolizisten am Tatort. Im Bungalow in der Ebrardstraße lagen zwei Leichen, erschossen. "Wir wussten bald, dass es sich bei den Opfern um bekannte Persönlichkeiten handelte. Der Mann lag im Eingangsbereich, die Frau ein Stück weiter weg. Wir durchsuchten das Haus und mussten aufpassen, der Täter konnte ja noch da sein", berichtet er.
Als klar war, dass der Mörder geflüchtet war, rückte die Spurensicherung an. Die Beamten fanden Patronenhülsen sowie ein Teil, das zu einem selbstgebauten Schalldämpfer gehörte. Und sie entdeckten eine Brille mit der Gravur "Schubert Modell 27". Doch das Gestell gehörte nicht den Opfern.
Soko zählte 30 Leute
Die bayerischen Sicherheitsbehörden stuften den Fall hoch ein. Fortan leitete das Landeskriminalamt (LKA) die Ermittlungen. Gegründet wurde eine Sonderkommission mit mehr als 30 Beamten – Hanschmann war dabei. "Ich war in einer Gruppe mit vier, fünf Mann, die sich mit der Brille befassten", sagt der heute 64-Jährige, der bis vor drei Jahren Leiter des Kommissariats für Sexualdelikte im Präsidium Mittelfranken war.
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Die Herstellerfirma der Brille hatte ihren Sitz in Heroldsberg. Die Ermittler wandten sich an das Unternehmen, ließen sich die Adressen der Kunden geben, an die die Brillen dieses Typs verkauft worden waren. Jetzt ging es darum, die Käufer zu befragen. "Das war eine Sisyphos-Arbeit. Ich hatte sogar eine Spur nach Venezuela. Damals gab es kein Handy und keine E-Mails. Wir schrieben Briefe. Es gab einen einheitlichen Text. Der ist in die jeweilige Sprache übersetzt und dann per Luftpost verschickt worden. Es dauerte lange, bis wir Antworten bekamen. Wir waren zeitlich den dortigen Behörden und dem privaten Adressaten ausgeliefert."
Nach und nach kamen die Rücksendungen. Die Angeschriebenen konnten alle nachweisen, dass sie noch im Besitz ihrer Brille waren. Doch dann fiel dem Heroldsberger Firmenchef Erich Schubert ein, dass er das gefundene Gestell der Lebensgefährtin des "Chefs" der Wehrsportgruppe Hoffmann geschenkt hatte. Nun hatte die Kripo eine heiße Spur.
Einen Podcast mit Horst Hanschmann finden Sie in der Reihe "Abgründe" auf nordbayern.de