NNNZ-Klinikcheck
Prostatakrebs: Erfahrene Ärzte verhindern Potenzprobleme
2.10.2021, 09:31 UhrTumorerkrankungen bleiben oft lange unerkannt – so auch der Prostatakrebs. Die Diagnose trifft dennoch pro Jahr rund 60 000 Männer in Deutschland. Wenn das Organ operativ entfernt werden muss, spricht man von einer "Radikalen Prostatektomie". Unter den Krankenhäusern, die diese RPE anbieten, ist das Klinikum Fürth im NN/NZ-Klinikcheck 2021 klarer Gewinner – zum wiederholten Mal. Prof. Dr. Andreas Blana, Chefarzt der Urologie und Kinderurologie, sprach mit uns über die mit Abstand häufigste Krebserkrankung bei Männern.
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Wie entsteht Prostatakrebs, kann man vorbeugen?
Die Ursachen sind größtenteils unbekannt. Als Risikofaktoren gelten unter anderem höheres Alter und genetische Veranlagung, also Prostatakrebs bei nahen Verwandten und – vielfach unbekannt – Brustkrebs bei der Mutter. Eine Ernährung mit viel Gemüse und wenig Fleisch, ein optimales Körpergewicht sowie Sport kann vorbeugend wirken.
Nur wenige invasive Prostatatumoren werden bei Männern unter 50 Jahren festgestellt. Aber etwa 70 Prozent aller 80-Jährigen haben ein zumindest latentes Prostatakarzinom – was meist nicht behandelt werden muss.
Informationen zur Methodik des NN/NZ-Klinikchecks finden Sie hier.
Wie läuft die Früherkennung bei Prostatakrebs ab?
Blana ist es ein Anliegen, Männern die Scheu davor zu nehmen. Immerhin zahlen die gesetzlichen Krankenkassen Patienten ab 45 Jahren jährlich eine Tastuntersuchung durch den Enddarm. "Das Beste, was Männer tun können, ist das Angebot wahrzunehmen", sagt der 52-Jährige, verweist aber auf Daten der Deutschen Krebsgesellschaft, wonach die Früherkennungsquote von Tumoren aller Arten während der Corona-Pandemie um 20 Prozent zurückgegangen sei.
Da sich durch die so genannte digitale rektale Untersuchung frühe, symptomlose Krebsstadien meist nicht feststellen lassen, setzt Blana auf den PSA-Wert als "guten Indikator". So wird es auch in der aktuellen S3–Leitlinie empfohlen. Die Kosten von 25 bis 35 Euro für die Blutuntersuchung müssen gesetzlich versicherte Patienten selbst bezahlen.
Ergibt sich dann ein Verdacht, folgt eine ultraschallgesteuerte Biopsie. Davor sollte laut neuesten Empfehlungen unter Umständen noch eine multiparametrische Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt werden. "Damit können wir 85 Prozent der signifikanten Tumoren finden und die Genauigkeit der Biopsie durch die Fusion von Ultraschall und MRT verbessern", erklärt Blana. Insgesamt zeigen Studien, dass die Prostatakrebs-Früherkennung die Sterblichkeit senkt.
Wann kann man bei Prostatakrebs eine OP vermeiden?
"Nicht jeder Mann, egal welches Tumorstadium, egal welches Alter, muss operiert werden", betont Blana, der für eine "Therapie mit Augenmaß" plädiert. Die Leitlinien, deren Aktualisierung in diesem Frühjahr er selbst als Gremiumsmitglied begleitet hat, sehen bei einem langsam wachsenden Tumor im niedrigen Stadium die "Aktive Überwachung" (Active Surveillance) als Alternative vor. Hier wird der Patient engmaschig kontrolliert. Bleibt der Tumor unauffällig, wird nicht behandelt, wächst er schnell oder verändert sich, können die Ärzte rechtzeitig eine geeignete Therapie beginnen.
Meist muss die Prostata herausoperiert werden. Warum? Wie ist der Ablauf?
Weil in etwa 80 Prozent der Fälle mehrere Tumorherde über die Prostata verteilt sind und es nicht anders möglich ist, das gesamte Krebsgewebe zu entfernen. Der Eingriff wird in Fürth in der Regel per Bauchspiegelung (Laparoskopie) mit Hilfe des OP-Roboters "Da Vinci" durchgeführt.
Blana oder einer seiner Oberärzte sitzen dabei an einer Konsole und bedienen die endoskopischen und chirurgischen Geräte, während der Patient in Vollnarkose wenige Meter entfernt auf dem OP-Tisch von einem Anästhesisten überwacht wird. Ein weiterer Arzt assistiert am Patienten beim Austausch der verschiedenen Instrumente. Bereits während der OP wird das herausoperierte Gewebe am Schnittrand auf Tumorzellen untersucht, um gegebenenfalls "nachbessern" zu können. So ist nicht nur Tumorfreiheit garantiert, sondern dabei können oft die Nerven für die Erektionsfähigkeit erhalten werden.
"Dieses Vorgehen ist bei uns Standard, wir Operateure haben alle jahrelange Erfahrung", sagt Blana auch mit Blick auf seine Oberärzte Henrik Samtleben und Samir Radoin. Im Durchschnitt dauert eine Prostatakrebs-OP drei Stunden. Läuft alles lehrbuchgemäß ab, kann der Patient das Krankenhaus bereits nach fünf Tagen ohne Katheter verlassen.
2020 wurde dieser Eingriff in Fürth 250-mal durchgeführt. 2021 rechnet Blana mit knapp 300. Die Steigerung ist auch durch einen zweiten "Da Vinci"-OP-Roboter möglich, den das Fürther Klinikum in dieser Woche bekommen hat.
Ist die Bestrahlung eine Alternative zur radikalen Prostataentfernung?
Ja, sie ist in fast allen Stadien möglich. Etwaige Nebenwirkungen sind allerdings ähnlich häufig, wenn auch anders als bei der OP. manchmal wird Strahlentherapie auch zusätzlich zur OP eingesetzt (adjuvant), wenn der Tumor nicht vollständig entfernt werden konnte und das Rückfallrisiko hoch ist.
Welche weiteren Möglichkeiten gibt es?
In Fürth wird auch die "Fokale Therapie" angewandt, bei der nur ein Teil des Tumors (Tumorherd) mit hochintensiv-fokussiertem Ultraschall (HIFU) behandelt wird. "Diese Methode hat geringere Nebenwirkungen, aber auch eine geringere Effektivität als die OP", sagt Blana. Laut einer neuen im "European Urology Focus" veröffentlichten Studie ist diese gewebeschonende Therapie nur für 12,8 Prozent der Patienten geeignet.
Eine Antihormontherapie wiederum kann Linderungen bringen, aber keine Heilung. Sie ist daher nur für Männer ab circa 80 Jahren geeignet oder bei fortgeschrittenem Prostatakarzinom mit oder ohne Metastasen. "Wir besprechen die Möglichkeiten ehrlich und finden eine individuelle Lösung", verspricht Blana.
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Die große Angst der Männer ist es, durch die OP impotent und inkontinent zu werden. Wie wahrscheinlich ist das?
"Wir wollen nicht nur den Tumor entfernen, sondern auch Kontinenz und Erektionsfähigkeit erhalten", sagt Blana. Geschätzt kämpft die Hälfte der Patienten anfangs mit leichter Inkontinenz. In 90 Prozent der Fälle lässt sich das Problem aber lösen.
Die Erektionsfähigkeit ist tatsächlich durch die OP gefährdet, weil die dafür notwendigen Nervenstränge seitlich an der Prostata entlang laufen. "Es hängt stark vom Können des Operateurs ab, inwieweit diese Strukturen erhalten werden können", erklärt Blana. In über 60 Prozent der Fälle gelinge dies in Fürth. Wenn nicht, gibt es weitere Möglichkeiten der Therapie der erektilen Dysfunktion.
Warum ist das Klinikum Fürth Seriensieger in unserem Klinikcheck?
Bereits seit 2016 werten Wissenschaftler der Universitäten Erlangen-Nürnberg und Bayreuth für den NZ-Klinikcheck Daten des wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zur Prostatakrebs-OP aus – seit 2021 werden die Ergebnisse auch in den NN veröffentlicht. Dabei geht es um Qualitätsindikatoren wie die Sterblichkeit, die Notwendigkeit von Bluttransfusionen sowie ungeplante Folge-OPs. Jedes Jahr belegte das Klinikum Fürth hier Platz eins, war damit besser als der Durchschnitt aller Kliniken in der Region, die diesen Eingriff durchführen. Auch bundesweit rangiert Blana unter den zehn Prozent der Kliniken mit den höchsten Fallzahlen.
Informationen zum Forschungsprojekt finden Sie hier.
Seit Blana 2009 als Chef-Urologe nach Fürth kam, hat er dort ein zertifiziertes Prostatakarzinomzentrum mit einem eingeschworenen Team aus Ärzten, Pflegekräften und weiteren Mitarbeitern aufgebaut, die eine hohe Prozessqualität sicherstellen. Regelmäßig tauscht man sich nicht nur über die Patienten, sondern auch über neue OP-Techniken sowie mögliche Probleme aus, um effektive Verbesserungen zu etablieren. Blana sagt: "Wir möchten uns ständig weiterentwickeln."
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