Psychiatrische Bezirksklinik in Engelthal wandelt sich
29.07.2013, 08:00 UhrEine Frau liegt entspannt in der Wiese, lesend, und lässt sich von der gleißenden Sonne wärmen. Ein Mann kommt in Joggingschuhen, erhitzt vom Sport, sichtlich die kühlende Dusche herbeisehnend. Zwei Frauen schlendern durch den Garten und lassen sich auf einer Bank im Halbschatten nieder, auf ein Gespräch. Im Zen-Garten, der atriumgleich angelegt ist, wartet eine kleine gelbe Quietsche-Ente auf Beachtung. Prof. Thomas Kraus wundert sich. „Die muss wohl jemand vergessen haben.“
Kraus ist Chefarzt der Frankenalb-Klinik des Bezirks Mittelfranken, die wie ein Schloss im Wald über dem Dorf Engelthal im Nürnberger Land thront. Er steht inmitten eines Gebäudetraktes, der die Zukunft des Hauses symbolisiert, das eine lange medizinische Tradition hat: der Privatstation. 16 Plätze bietet die vor drei Jahren eröffnete Station, die ständig ausgebucht und lange vorbelegt ist. Hierher kommen Frauen und Männer, die, flapsig gesprochen, eine Krise haben. Neudeutsch: das Burn-out-Syndrom.
Burn-out. Geradezu ein modemäßig gebrauchter Begriff für das Ausgebranntsein von Menschen, die mit den Gegebenheiten der modernen Gesellschaft in Konflikt geraten sind. Stress im Beruf und, wenn vorhanden, in der Familie, Überforderung, Versagensängste gelten als Auslöser der Krankheit. Krankheit?
Den gesetzlichen Bestimmungen zufolge ist Burn-out keine Krankheit, sondern ein „chronischer, anhaltender Stresszustand, der, wenn er nicht behandelt wird, zu einer Krankheit führen kann“, erklärt Prof. Kraus. „Burn-out heißt, dass der Akku leer ist, geistig, seelisch und körperlich.“ Anzeichen sind zum Beispiel zunehmende Fehlerhäufigkeiten im Beruf, dazu können Freudlosigkeit im Alltag, Antriebslosigkeit, aber auch Schlaflosigkeit oder Magen-Darm-Probleme und Infektionsanfälligkeit kommen. Kraus beschreibt Burn-out als „Risikozustand“. Ein Zustand, an dem in Deutschland Millionen Menschen leiden. Tendenz steigend.
Weil das so ist, kümmert sich die Engelthaler Bezirksklinik, die 1898 als Lungenheilstätte erbaut wurde, um Betroffene. Auf der Privatstation, 135 Euro pro Tag beträgt der Tarif, sind Patienten in Behandlung, die nicht nur das Exklusive schätzen. Sie, ob Politiker, Pfarrer oder Wirtschaftsleute, wollen in erster Linie nicht, dass die Öffentlichkeit erfährt, dass sie überhaupt da sind. Die Privatstation hat einen eigenen Zugang. Wer will, der muss von der Aufnahme bis zur Entlassung die Privatstation nicht einmal verlassen.
In den Wochen, die die Patienten hier verbringen, sollen sie nicht nur zu sich kommen, sondern mit professioneller Hilfe die Ursachen, die zur Krisensituation geführt haben, erkennen und verarbeiten. Sie sollen sich selbst und ihr Umfeld wieder schätzen lernen. So gibt es eine Achtsamkeitsgruppe, in der Patienten behandelt werden, und auch ein Genusstraining, das Freude am Leben zurückbringen soll.

Wer die Privatstation betritt, hat nicht das Gefühl, in einem Krankenhaus zu sein. Eher in einem Vier-Sterne-Hotel. Von der Lounge, in der man in Designersesseln sitzt und bei einem Espresso oder einem frischen Saft lesen oder fernsehen kann — der hochmoderne Flachbildschirm ist obligatorisch —, bis zum privaten Wellnessbad oder der professionellen Massage wird alles geboten, was man von guten Hotels her kennt. Mit den Gewinnen, die die Privatstation macht, können Defizite anderer Stationen abgefedert werden. Allerdings nicht alle. So schließt die Engelthaler Bezirksklinik ihre Station für Suchtrehabilitation, was Kritiker der Entwicklung der Bezirkskliniken dem Vorstand immer wieder vorhalten. Doch Chefarzt Prof. Kraus verteidigt dies. „Es gibt keinen Bedarf an Reha-Plätzen.“ Auch andere Kliniken hätten Schwierigkeiten, ihre Reha-Plätze zu belegen. Ohne die Sucht-Reha, gibt Prof. Kraus zu bedenken, hätte die Klinik schon längst schwarze Zahlen geschrieben.
Dafür erweitert die Engelthaler Klinik ihr Angebot für Psychiatriepatienten um eine Tagesklinik, die am 5. August eröffnet wird. Die Tagesklinik bietet zehn Plätze und richtet sich an Patienten, die nach ihrer Therapie tagsüber die Klinik abends wieder verlassen können. Damit bietet die Frankenalb-Klinik den Betroffenen das komplette Programm: Akutpsychiatrie, Tagesklinik, stationärer Bereich.
Damit sieht Kraus die Klinik, die er seit 2006 leitet, auf einem guten Weg — den er so weitergehen will, wie er bekennt. Auch die psychiatrische Versorgung an sich sei im Lande gut. Dass Sozialpolitiker aus den Reihen von SPD und Grünen nun ein Gesetz für psychiatrische Hilfen fordert, das —wie berichtet — den Ausbau gerade ambulanter Therapieformen auf dem Lande fördern soll, begrüßt Kraus offiziell; lässt aber auch erkennen, dass er die zwingende Notwendigkeit dafür nicht sieht. Dass ambulante Behandlungen vor stationären kommen sollten, hält er grundsätzlich für sinnvoll; allerdings, gibt er zu bedenken, gebe es viele psychiatrische Patienten, „die bei uns stationär aufgenommen werden wollen“.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen