Razzien in fränkischen Hanf-Läden: "Entwürdigend und entehrend"

8.11.2019, 16:27 Uhr
Razzien in fränkischen Hanf-Läden:

© Peter Kneffel/dpa

Das, was Lukas Schwarz beschreibt, klingt brutal. "Ich wollte filmen, daraufhin ist mir der erste Beamte in den Rücken gesprungen." Der junge Unternehmer aus Würzburg wurde von einer Streife auf den Boden seiner Wohnung gedrückt. Handschellen klickten vor den Augen seiner Kinder. Erst nach zehn Minuten, so skizziert es Schwarz in einem Video auf Facebook, habe er wieder aufstehen dürfen. Der 27-Jährige betreibt gemeinsam mit einer Partnerin unter anderem das "Cannameleon" in Würzburg, ein Laden, der legale Hanf-Produkte verkauft. Jetzt sieht er sich schweren Vorwürfen ausgesetzt - es geht um gewerbsmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln sowie die Abgabe an Minderjährige. Eine schwere Straftat, die mit bis zu fünf Jahren Gefängnis belegt werden kann.

Im Fokus stehen Tees. Sie sollen, zumindest ergaben das Stichproben, zwischen 0,16 Prozent und 0,3 Tetrahydrocannabinol beinhalten - und damit illegal sein. THC, so die Abkürzung des berauschendens Stoffes, fällt in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz. Es darf deshalb nur mit Erlaubnis verkauft werden. Doch genau die habe gefehlt, heißt es in einer Pressemitteilung der Polizei.

"Halten uns an gesetzliche Vorgaben"

Den Vorwurf, illegale Betäubungsmittel zu verkaufen, weist Schwarz dabei zurück. "Wir vertreiben reine Nutzhanfprodukte." Öle hat das "Cannameleon" etwa im Sortiment, aber auch Cannabis-Schokolade, Cremes und Mehl. "Wir halten uns an alle gesetzlichen Vorgaben", sagen die Betreiber. Doch genau daran haben die Behörden offenbar Zweifel - deshalb die Razzien am vergangenen Dienstag, wo drei Geschäfte in Würzburg und Schweinfurt sowie mehrere Privatwohnungen durchsucht wurden. Insgesamt gelten fünf Männer und Frauen als tatverdächtig, sie bleiben zunächst aber auf freiem Fuß.

Wilkürlich sei der Einsatz gewesen, unverhältnismäßig, entwürdigend und entehrend, sagt Schwarz. Die Polizei widerspricht. "Es lagen richterliche Durchsuchungsbeschlüsse vor", sagt Björn Schmitt, Sprecher des Präsidium Unterfranken. In einem Fall habe das Verhalten eines Beschuldigten die "Anwendung unmittelbaren Zwanges erforderlich gemacht". Dass es dabei um "Cannameleon"-Betreiber Schwarz geht, bestätigt die Polizei nicht. Der Verdacht liegt jedoch nahe.

"Wir waren vorbildlich, sehr kooperativ und friedlich", sagt Schwarz, der betont, den Beamten die Tür geöffnet zu haben. Er spricht von "verbalen Drohungen", massiven körperlichen Attacken und psychischer Gewalt. "Wir werden alle erdenklichen Mittel ergreifen und Hebel in Bewegung setzen", sagt der Unternehmer. "Wir wollen ein Zeichen setzen, gegen die Repressalien, gegen die Willkür." Der wirtschaftliche Schaden liege nach der Razzia schon jetzt im fünfstelligen Bereich.

Immer wieder Razzien in CBD-Shops

Polizei-Einsätze in Hanf-Läden gibt es immer wieder, auch in Franken. Oft geht es dabei aber anders als in Unterfranken nicht um THC, sondern um Cannabidiol-Produkte, kurz CBD. Der Stoff wird aus dem weiblichen Cannabis gewonnen und ist nicht psychoaktiv. Er wirkt aber etwa angstlösend und schmerzlindernd, wird deshalb oft in der Medizin verwendet - auch große Drogerie-Ketten wie dm und Rossmann nahmen CBD-Produkte ins Sortiment auf. Wegen der unklaren Rechtslage tilgten viele Händler Öle, Seifen und Tees aber wieder aus den Regalen. In Nürnberg geriet das "Greenz", ein Laden in der Oberen Schmiedgasse, vor einigen Wochen ins Visier der Ermittlungsbehörden. Mehrere Streifen räumten das Geschäft leer. Das Bundesamt für Verbraucherschutz etwa sieht eine Verschreibungspflicht für CBD - und deshalb geht die Justiz zumindest im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Nürnberg-Fürth gegen Cannabidiol-Produkte vor.

Razzien in fränkischen Hanf-Läden:

© Foto: Michael Matejka

Das "Greenz" wurde Opfer eben jener Rechtsunsicherheit. Die Betreiber wehren sich gegen die Kriminalisierung. Kein "Kiffer-Image" wolle man in der Oberen Schmiedgasse transportieren, sagt Max Ezel. "Wir verkaufen kein Rausch-Zubehör." Zwischenzeitlich musste der Laden schließen, ein weißes Schild an der Eingangstüre verwies auf das laufende Verfahren. Doch mittlerweile ist das "Greenz" wieder geöffnet. "Das Sortiment mussten wir aber zu 100 Prozent umstellen", sagt Ezel. "CBD-Produkte findet man bei uns gar nicht mehr." Doch genau das habe die Leute interessiert - die Umsätze in dem Laden seien massiv zurückgegangen. "Es geht um mehrere Zehntausend Euro", sagt Ezel.

Flickenteppich und rechtliche Unsicherheit

Die juristische Aufarbeitung der Vorfälle läuft. "Bis heute kam gar nichts", sagt der "Greenz"-Betreiber. Die Untersuchungen und Analysen der Behörden dauern weiter an. Ob es noch in diesem Jahr Ergebnisse gibt, bleibt unklar. Die Betreiber des Hanf-Ladens müssen warten, in Unsicherheit. "Ohne CBD ist es natürlich viel schwieriger."

Nach den Razzien in Unterfranken laufen auch dort die Ermittlungen. Proben seien an das bayerische Landeskriminalamt (LKA) geschickt worden, erklärt Björn Schmitt vom zuständigen Präsidium. "Wenn kein THC gefunden wird, dann ist das unproblematisch." Anders als etwa in Nürnberg erachte man das Cannabidiol zunächst für nicht verschreibungspflichtig.

Weitere Razzien in Oberfranken

Noch während der Einsätze in Unterfranken nahm die Polizei mehrere Hanf-Shops in Oberfranken, unter anderem in Coburg und Bamberg, ins Visier. Auch hier wird gegen fünf Männer nach dem Verkauf von CBD-Produkten wegen Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz ermittelt - dort spielt THC keine Rolle. Weibliche Cannabisblüten wurden deshalb beschlagnahmt. "Ob die Ladenbetreiber mit dem Handel der Cannabidiol-Produkte auch gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen", werde geprüft, heißt es in einer Pressemitteilung.

Die Behörden stehen vor einem Flickenteppich mit jeder Menge Spielraum. Ist das Hanf ohne Rauschwirkung legal oder nicht? Verwirrung gibt es besonders immer wieder um die sogenannte 0,2-Prozent-Grenze. Pflanzliche Produkte mit einem THC-Gehalt von unter eben jenem Wert dürfen laut Polizei verkauft werden - allerdings nur für gewerbliche oder wissenschaftliche Zecke. Die Abgabe an Endkonsumenten, etwa in Hanf-Shops, ist strikt verboten. Beinhalten CBD-Produkte kein Tetrahydrocannabinol und damit berauschende Stoffe, sind sie legal - das ist zumindest die Deutung vieler Experten.

In der Praxis, das zeigen die Fälle aus Franken, interpretieren Polizei und Staatsanwaltschaft die Rechtslage aber unterschiedlich. "Warum entscheidet sich die Staatsanwaltschaft jetzt, nach einem dreiviertel Jahr, wo wir schon vier Franchise-Nehmer haben, dass wir hier illegale Substanzen vertreiben?", sagt "Cannameleon"-Betreiber Lukas Schwarz. "Hier wurde in Kauf genommen, dass Existenzen zerstört werden."