Der Rother Marktplatz ist jetzt wieder autofrei

28.11.2012, 17:16 Uhr
Der Rother Marktplatz ist jetzt wieder autofrei

© Windisch

Es war ausgerechnet die „Rother Schelln“, die Leonhard Steib, CSU-Stadtrat und selbst Einzelhändler in Roth, zitierte. Das SPD-Blatt hatte in seiner Oktober-Ausgabe ein Bild vom Rother Marktplatz abgedruckt. Und auf diesem Bild „ist der Marktplatz menschenleer“, erklärte Steib. Ein Zustand, der für den Einzelhandel fatal ist, denn „die Händler verdienen hier ihren Lebensunterhalt“. Und ein autofreier Marktplatz sei in diesem Zusammenhang „ein Experiment, das sich keine vergleichbare Stadt leistet“.

Doch Roth wird genau dies wieder tun. Zwar haben die Einzelhändler signalisiert, dass ihr Umsatz durch den Verkehr auf dem Marktplatz „wieder ähnlich wie zu Marktkauf-Zeiten“ sei, wie Bürgermeister Ralph Edelhäußer in der Sitzung informierte. Doch der Preis, der dafür gezahlt werden müsste, ist der Stadt zu hoch. Die Mehrheit der Rother nämlich will keine Autos auf dem Marktplatz.

Zu wenig Platz

Einer der Gründe: Die wenigsten Autofahrer halten sich an die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit. Dass dies nicht nur das subjektive Empfinden der Fußgänger und Radfahrer ist, hatte wie berichtet vor zwei Wochen auch eine Geschwindigkeitskontrolle der Polizei ergeben. Dabei seien laut Polizei die geblitzten Fahrer „der festen Überzeugung gewesen, 30 Stundenkilometer fahren zu dürfen“.

Ein anderer Grund: Vor allem in der Traubengasse ist es während der Probephase sehr eng zugegangen; hätte sich mancher Fußgänger an die Hauswand drücken müssen, wenn die Fahrzeuge vorbeifuhren, so die Erfahrungen, die auch in zahlreichen Briefen an unsere Redaktion geschildert wurden.

Das Fazit der NIVeR-Gruppe, die in der Sitzung das Ergebnis ihrer Zählung vorstellte (siehe untenstehenden Bericht) fällt daher gespalten aus. „Der Verkehr nutzt der Geschäftstätigkeit am Marktplatz“, stellte NIVeR-Sprecherin Cornelia von Hardenberg fest. Allerdings „fahren die Autos im gesamten Innenstadtbereich zu schnell“. Außerdem leide der Marktplatz unter den beengten Platzverhältnissen. Und vor allem „kann die Verkehrslösung über die Traubengasse keine Dauerlösung sein“.

Genau diese Verkehrsführung über die Traubengasse hatte zum Beispiel dazu geführt, dass vor allem an den Markttagen in der Stadt ein heilloses Durcheinander herrschte. Ursprünglich war nämlich angedacht gewesen, die Marktstände während der Probephase auf dem nördlichen Teil des Marktplatzes anzuordnen. Dass man davon wieder abgewichen war, sei „der größte Fehler gewesen“, war sich 2.Bürgermeisterin Elisabeth Bieber (Freie Wähler) sicher.

Doch weil zum einen dann die Lokale ihre Außenbestuhlung hätten einschränken müssen, zum anderen ein Fahrstreifen für den Rettungsdienst freigehalten werden müsste und nicht zuletzt der Markgrafenbrunnen laut Ulrich „ganz schön Fläche wegnimmt“, erwies sich diese Variante als nicht praktikabel.

Die Marktstände blieben daher im südlichen Teil und der Verkehr am Mittwoch- und Samstagvormittag draußen. Das Ergebnis: So mancher Autofahrer fuhr trotzdem auf den Marktplatz „und stellte sein Auto einfach zwischen den Marktständen ab“, merkte Dr. Joachim Waigel an. Das aber schreckte immer mehr Kunden ab, sodass die Händler „an Umsatz eingebüßt haben“, wie auch Bürgermeister Ralph Edelhäußer zugab.

Edelhäußer selbst blieb bis zum Schluss ein Befürworter des Testbetriebes, hatte dies vor allem mit dem Vorteil für die Einzelhändler begründet und war auch in der Sitzung davon überzeugt, dass es „an normalen Wochentagen funktioniert hat“. Nur eben am Mittwoch nicht.

Die Bevölkerung jedoch sieht das bekanntlich anders. Zwar seien bei ihm auch Mails eingegangen, die sich positiv über den Testlauf geäußert hätten, aber die Mehrheit derjenigen, die sich öffentlich — auch in den Leserbriefen in der RHV – geäußert habe, „sei eben dagegen“. Daher würden Verwaltung und NIVeR-Gruppe vorschlagen, „den Probebetrieb aufzuheben“, erklärte das Stadtoberhaupt.

Eine Meinung, der sich das Gremium nahezu einstimmig anschloss, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. SPD-Sprecher Gerhard Grau betonte, dass seine Fraktion „von Anfang an dagegen war“ und Sonja Möller (Freie Wähler) bezeichnete den Testlauf als „Krampf von Anfang an“. Max Eiber (Freie Wähler und Apotheker direkt am Marktplatz) verwies jedoch darauf, dass es schon eine Belebung gegeben habe und auch Kunden aus Nachbargemeinden nun den Weg nach Roth gefunden hätten, und war sich mit Leonhard Steib einig, dass die Kunden da einkaufen, „wo sie auch hinfahren können“.

Dass die vorgelegten Zahlen und Fakten eine andere Sprache sprechen würden als die Emotionen, darauf verwies auch Siegfried Schwab (Ausschussgemeinschaft). Die avisierten „Horrorszenarien“ jedenfalls seien ausgeblieben, so Schwab. Eine Tatsache, die zuvor auch schon Bürgermeister Edelhäußer unterstrichen hatte, nach dessen Aussage „der Polizei in den acht Wochen nichts gemeldet wurde“.

Dennoch mochte keine Fraktion den Testbetrieb nach der Pause Mitte Dezember wieder aufnehmen. Gegen die Stimme von Jochen Gürtler (CSU) beschloss der Stadtrat, das Experiment zu beenden. Damit ist der Rother Marktplatz wieder autofrei.

Gelebte Demokratie

Cornelia von Hardenberg zog im Namen ihres NIVeR-Teams in der Sitzung dennoch eine positive Bilanz: Die Diskussionen um den Marktplatz seien ein Beispiel für „gelebte Demokratie“. Es sei gut und wichtig, dass sich viele Rother Bürgerinnen und Bürger beteiligen, wenn es um die strategische Ausrichtung der Stadt Roth gehe, heißt es in einer Stellungnahme der Gruppe.

Dabei gäbe es allerdings vor allem auf zwei Feldern Entwicklungsbedarf: Zum einen wünsche sie sich von Andersdenkenden einen „sachlichen und respektvollen Ton“. Sie könne die politischen Vertreter gut verstehen, die gegenüber einer Bürgerbeteiligung zurückhaltend seien, „denn wir haben hautnah mitbekommen, was sie sich teilweise anhören mussten“.

Zum anderen aber wünsche sich die Gruppe „mehr Mut zu Transparenz“. Zu häufig habe sie gehört, dass dieses oder jenes auf keinen Fall veröffentlicht werden dürfe und die Informationswege eingehalten werden müssten. Aber es sei besser, die Öffentlichkeit in allen Stufen zu informieren und die Möglichkeit der Beteiligung anzubieten.BEATE WINDISCH

5 Kommentare