Entmündigung oder ein Gebot der Vernunft?
03.01.2008, 00:00 Uhr
«Ich finde es eine Unverschämtheit, dass Raucher vom Staat derart entmündigt werden. Niemand zwingt schließlich die Nichtraucher dazu, sich im Zigarettenqualm aufzuhalten», sagt Annette Drechsler erbost und zieht an ihrer Zigarette. Anderer Meinung ist Rainer Thomas, der vor 20 Jahren das Rauchen eingestellt hat und sich auf die frische Luft in Gaststätten freut: «Es gibt doch nichts Schlimmeres, als wenn der Geschmack eines leckeren Essens durch Rauch und Gestank getrübt wird.» Wer rauchen wolle, könne dies auch daheim oder im Freien tun.
Rüdiger Meyer wiederum hat das neue Gesetz direkt den Anreiz dazu gegeben, das Rauchen aufzugeben: «Ich sitze jeden Abend in meiner Stammkneipe, in der ich nun nicht mehr rauchen darf. Was liegt da näher, als es ganz bleiben zu lassen?»
Aus der Kneipe wird ein Club
Christoph Rösel vom Cafe «Auszeit» denkt ähnlich: Er sei zwar selbst Raucher, fände es aber angenehmer in frischer Luft zu arbeiten. Deshalb findet er es auch nicht weiter schlimm, dass er dort nicht mehr zur Zigarette greifen darf. Ute Zankl, die Wirtin des «Little Nugget», sieht die Sache dagegen eher skeptisch: Es sei die freie Entscheidung des Gastes, ihre Kneipe zu betreten oder eben nicht. Da sich viele ihrer Stammgäste, ebenso wie sie selbst, gerne eine anstecken, wird sie aus ihrem Lokal einen Club machen. Wer den Ausweis dafür erwerben möchte, erklärt sich damit einverstanden, dass geraucht wird. «Wir kleinen Eckkneipen wären doch sonst zum Sterben verurteilt!», ereifert sich Zankl. So möchte sie sich vom Staat nicht einschränken lassen.
Und die Einschränkung ist in der Tat groß, denn in Sachen Nichtraucherschutz marschiert der Freistaat Bayern nun ganz vorneweg. Trotz heftiger Proteste ist die Regelung des bayerischen Landtages eine der schärfsten bundesweit. In mittlerweile elf Bundesländern ist das Rauchen in Gaststätten nun untersagt; fünf weitere wollen bis zum Sommer folgen.
Das «Rauchverbot» in Bayern gilt ab sofort in allen öffentlichen Gebäuden, Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, Bildungseinrichtungen für Erwachsene, Einrichtungen des Gesundheitswesens, Heimen, Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie eben auch in Gast- und Sportstätten. Auch in Bierzelten ist das Rauchen untersagt, was dazu führt, dass auf dem Münchener Oktoberfest zum ersten Mal in fast 200 Jahren nur in Biergärten und anderen Außenbereichen geraucht werden darf. Lediglich in Nebenräumen, die baulich so abgetrennt sind, dass kein ständiger Luftaustausch besteht, dürfen sich die Freunde des blauen Dunsts weiterhin der Zigarette oder dem Zigarillo hingeben.
Hohe Geldbußen drohen
Verantwortlich für die Einhaltung der Richtlinien ist der Betreiber oder der Leiter eines Gastronomiebetriebes: Er darf einen Gast vor die Tür setzen, sollte der trotz einer Mahnung das Rauchen nicht einstellen. Tut der Wirt dies nicht, droht ihm ebenso wie dem Raucher selbst eine erhebliche Geldbuße.
Eine Regelung, mit der ein Großteil der Gastronomen nicht gerade glücklich ist. Viele Wirte rechnen mit erheblichen Umsatzeinbußen, da sie rückläufige Gästezahlen befürchten, so die Geschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands, Ingrid Hartges.
Angesichts der gesundheitlichen Gefahren des (Passiv-)Rauchens hat der bayerische Landtag das Rauchverbot Ende 2007 dennoch durchgepeitscht. Insbesondere für Kinder erhöht sich durch den Zigarettenqualm das Risiko an Asthma, Bronchitis oder sogar an Lungenkrebs zu erkranken, warnt das Deutsche Krebsforschungszentrum. Rauchende Schwangere müssen mit Frühgeburten und einer verlangsamten Entwicklung des Kindes rechnen; außerdem geben sie die Abbauprodukte wie Nikotin durch die Muttermilch an den Säugling weiter.
Herzinfarkte vor dem 40. Lebensjahr seien bei Menschen, die sich regelmäßig dem blauen Dunst hingeben, wesentlich häufiger; Frauen, die mit der «Pille» verhüteten und rauchten, hätten ein zehnmal höheres Risiko an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben als andere, berichtet das Internet-Portal rauchfrei.de.
Angesichts dieser Gesundheitsgefährdungen wollen viele wie Rüdiger Meyer das Gesetz als Chance nutzen, um rauchfrei zu werden: Um den Kampf gegen die Sucht zu gewinnen, habe er sich bereits mit Nikotinpflastern und -kaugummis eingedeckt, erzählt Meyer. Diese unterdrücken die körperlichen Entzugssymptome und geben ihren Wirkstoff nach und nach ab. Die Sprecherin der Aptheken im Landkreis Roth, Renate Winkler, freut sich über jeden der sein Vorhaben in die Tat umsetzt: «Schon nach wenigen Stunden ohne Nikotin geht es dem Körper besser. Hält man das Nichtrauchen durch, sinken im Laufe der rauchfreien Jahre fast alle Gesundheitsrisiken wieder auf das Niveau von Menschen, die niemals geraucht haben.»