Viel Ausdauer bewiesen
Hochwasser im Ahrtal: Das Hilpoltsteiner THW blickt zurück
10.12.2021, 11:10 UhrDie Wassermassen addierten sich in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli im Ahrtal zu einer reißenden Flut und rissen eine Schneise der Verwüstung durch das sonst so romantische Weinanbaugebiet. Mehr als 180 Menschen verloren in dieser Nacht ihr Leben. Es musste besonders schnell und besonders viel Hilfe vor Ort geleistet werden.
So begann mit insgesamt mehr als 13.000 Ehrenamtlichen aus 668 Ortsverbänden der größte Einsatz in der Geschichte des Technischen Hilfswerks. Zeitweise waren rund 2400 THW-Angehörige gleichzeitig im Einsatz, um Menschen und Tiere zu retten, unterzubringen und zu versorgen, Stauseen zu sichern, Keller auszupumpen, Gebäude vor dem Einsturz zu sichern, Brücken zu bauen, Schlammmassen zu entfernen, die Trinkwasserversorgung sicherzustellen und die Infrastruktur provisorisch wieder herzustellen.
Infrastruktur komplett zerstört
Für die Helfer aus dem Hilpoltsteiner THW-Ortsverband sind Großschadenslagen wie Hochwasser nichts Neues. So leisteten die Katastrophenschützer beim Elbhochwasser 2002 Hilfe oder waren bei der Flut 2013 an der Donau im Einsatz. „Solch massive Schäden an der kompletten Infrastruktur habe ich aber noch nicht gesehen", vergleicht THW-Ortsbeauftragter Alexander Regensburger mit der Situation im Ahrtal. „Die extreme Größe des Schadensgebiets machte alle Hilfeleistungen deutlich komplexer.“
In kürzester Zeit wurde ein Bereitstellungsraum als organisatorischer Dreh- und Angelpunkt am Nürburgring eingerichtet. Von dort aus wurden auch die Hilfskräfte des Hilpoltsteiner THW zu ihren Einsatzorten geschickt – insgesamt sechsmal über zwei Monate hinweg waren die helfenden Hände aus der Burgstadt vor Ort - überwiegend als Führungsunterstützung, manchmal allein, manchmal als Gruppe.
Der erste Einsatz begann, geführt von Alexander Regensburger, am 25. Juli. Regensburger betrieb mit drei weiteren Helfern den Meldekopf in Bad Neuenahr. Als nächtliche Ansprechpartner für Anfragen von außen erfasste das Quartett neu ankommende Einheiten und ermöglichte der Einsatzabschnittsleitung so den Überblick über die zur Verfügung stehenden Kräfte.
"Mitten im Schlamm"
Unter der Führung des Fachberaters Felix Erbe ging es für ein sechsköpfiges Team als Untereinsatzabschnittsleitung nach Rech in der Verbandsgemeinde Altenahr. Hier schnitten etwa 45 THW-Kräfte Öltanks auf, stützten Häuser ab, pumpten Wasser ab, verlegten Stromkabel und Wasseranschlüsse und entsorgten Müll.
„In Rech mussten wir vollkommen autark arbeiten – sozusagen mitten im Schlamm“, berichtet Erbe. „Wir waren für Führungsarbeiten im Zugtrupp zuständig, also für das Führen einer Lagekarte, das Funken, das Telefonieren oder auch mal das Nachtanken des Aggregats, um unser kleines Büro zu betreiben.“ Weiterhin gab es einen Infopunkt für die Bevölkerung, wo diese Unterstützung fand.
„Am meisten im Gedächtnis bleiben mir die Bilder, als wir erstmals durch das Ahrtal gefahren sind. Diese meterhohen, kilometerlangen Schutthaufen werde ich nie vergessen. Ein Dutzend Häuser war komplett weg, andere standen noch vor dem Abriss. Daran hängen natürlich Schicksale, die man auch mitbekommt“, blickte Erbe auf den Einsatz zurück.
Im Gegenzug habe sich eine beeindruckende Hilfsbereitschaft unter den Menschen gezeigt. Es kamen private Helfer und Helferinnen, um mit anzupacken, die organisierten Einsatzkräfte arbeiteten Hand in Hand. So sei es schon einmal vorgekommen, dass sich der Radlader des THW mit dem Wechsellader der Feuerwehr die Arbeit teilte, während ein paar Meter weiter die Bundeswehr für die Verpflegung sorgte.
Kameradschaftlich zum Ziel
Wie unkompliziert und kameradschaftlich man im THW zusammenarbeite, zeigte den Hilpoltsteinern zufolge nochmals deutlich die Entsendung eines Teams zur technischen Hilfeleistung Mitte September. Fünf Helfer aus Hilpoltstein und drei weitere aus Ingolstadt bildeten ein Team der Fachgruppe „Notversorgung und Notinstandsetzung“.
Der Einsatzauftrag führte zunächst zur Ahrtalschule im Ortsteil Altenburg. Der kleine Ort wurde zu gut 80 Prozent von der Flut in Mitleidenschaft gezogen, zahlreiche Häuser waren unbewohnbar. Um besonders für die Kinder wieder einen geregelten Schulalltag sicherzustellen, war es Aufgabe des THW, die dortige Realschulturnhalle zu räumen, damit eine zügige Sanierung erfolgen konnte.
Unterstützt wurde die Gruppe von weiteren Teams sowie einer Räum-Fachgruppe, die Teleskoplader und Kipper mit im Gepäck hatte, um die tonnenschweren Schlammmassen zu transportieren.
Vor dem Hintergrund des nahenden Winters bildete das Berufsschulzentrum in Bad Neuenahr-Ahrweiler einen weiteren Einsatzschwerpunkt der Hilpoltsteiner Helfer. Das mehrstöckige Gebäude wurde vom Hochwasser so stark beschädigt, dass es vom Keller bis ins erste Stockwerk nicht mehr genutzt werden konnte. Um den Schulbetrieb in den weiteren Etagen wieder aufzunehmen und die Zentralheizung in Betrieb zunehmen, mussten die Helfer beschädigte Teile der Fensterfassade mit Holzplatten verschalen. Denn bis zur fachgerechten Sanierung wird es noch einige Monate dauern.
Beeindruckt war der langjährige THW-Helfer Bernhard Bergauer von der Leistungsfähigkeit der Einsatzkräfte im Krisengebiet. „Bei dieser Großschadenslage sieht man erst einmal, über welch breites Einsatzspektrum das THW in Deutschland verfügt - von der Errichtung eines Camps mit allen notwendigen Versorgungseinrichtungen über die Trinkwasseraufbereitung und Stromversorgung bis hin zum Brückenbau. All das konnte in kürzester Zeit unbürokratisch realisiert werden“, so Bergauer fasziniert.
Ein starkes Netzwerk
Auch in Hilpoltstein wurde unterdessen hinter den Kulissen viel rund um den Einsatz gearbeitet. Allem voran sorgte Schirrmeister Maximilian Rupp mit seinen Helfern vor und nach den Einsätzen dafür, dass die Fahrzeuge und Geräte gepflegt, gereinigt und aufgeräumt wurden. „Wir müssen natürlich sofort wieder einsatzbereit sein, wenn unsere Helfer wieder daheim sind“, betont Rupp.
Bei Fragen und Problemstellungen gab es zu jeder Tages- und Nachtzeit ein offenes Ohr bei den beiden Ortsbeauftragten Regensburger und Kobras, die sich zudem um die bürokratischen Angelegenheiten kümmerten, um den Einsatzkräften den Rücken freizuhalten.
Die Akuthilfe durch das THW ist nun zwar vorerst abgeschlossen, aber es gibt vor Ort noch einiges zu tun. Noch mindestens sieben der 22 geplanten Behelfsbrücken sind zu bauen, und immer wieder wird die Unterstützung des THW vor Ort angefragt. 40 Experten der Fachgruppe „Notversorgung und Notinstandsetzung“ bleiben weiterhin am Nürburgring stationiert, um bei kleineren Aufgaben unbürokratisch zu unterstützen. Sobald mehr Hilfe gebraucht wird, kann das THW jederzeit wieder aus dem gesamten Bundesgebiet Helfer zusammenziehen.