In Urlaubszeit ausgesetzt: Katzen hinter Mülltonnen gefunden
10.8.2019, 14:00 UhrEr macht sich lang, schiebt seinen Arm so weit aus dem Käfig, wie es nur irgendwie geht. Blickt konzentriert und starr auf das Gitter, dann beißt er mit den kleinen Zähnchen urplötzlich hinein und umklammert die Stäbe mit den Pfoten, tastet nach einem Ausweg, schreit nach Freiheit.
Der schwarz-weiße Kater ist extrem gestresst, eine Kätzin, vermutlich seine Schwester, sitzt im hintersten Teil des Tragekorbs der Finderin und starrt regungslos hinaus. Soeben wurden die Tiere hergebracht, auf der Suche nach Flöhen gebürstet, die Ohren nach Milben inspiziert und die Zähne untersucht sowie der Katzenschwanz angehoben, um das Alter beziehungsweise Geschlecht der beiden festzustellen.
Es ist ein herzzerreißender Anblick für Kristina Fürst, das etwa vier Monate junge Tier jetzt im Korb derart leiden zu sehen. Die Tierheim-Mitarbeiterin ist aber gleichermaßen froh, dass die Katzen nun sicher sind. Gegen 11 Uhr kam ein Anruf, dass eine Frau zwei Katzen gefunden hat. In Kristina Fürst machte sich da schon Hoffnung breit: Das könnten weitere Geschwister von Max und Moritz sein, den beiden Katzen, die am Montagnachmittag gefunden wurden. Oder auch deren Mutter, die sich am Montag nicht von Dr. Ulrich Pfeiffer, dem Vorsitzenden des Tierschutzvereins Roth, hatte einfangen lassen.
Katzen miauten hinter Tonnen
Letztlich stellen sich die beiden neuen Katzen mit großer Wahrscheinlichkeit als weitere Geschwister von Max und Moritz heraus. Sie ähneln ihnen bis auf ein paar schwarze Fleckchen, die Mutter ist weiter unauffindbar. Hinter ein paar Mülltonnen neben dem Rathaus haben die Tiere erbarmungsvoll miaut, vermutlich aus Angst und großem Hunger. Wie ihre Brüder sind sie zahm und zutraulich, außerdem sehr gepflegt, sie waren mit höchster Wahrscheinlichkeit Hauskatzen.
In einer gemeinsamen Jagd der umliegenden Anwohner gelang es am Mittwochabend gegen 22 Uhr, die beiden (jetzt) Neuankömmlinge im Tierheim einzufangen. Eine Frau nahm sie mit zu sich nach Hause, fütterte die Tiere und brachte sie am Folgetag ins Tierheim. Kristina Fürst macht der kuriose Fund wütend. Wer sein Tier einfach so aussetzt, nimmt in Kauf, dass es stirbt, stellt sie klar. Die 27-Jährige hat im Tierheim Roth eine Ausbildung absolviert und arbeitet seit elf Jahren dort.
Vor zwei Jahren hat sie sich einer älteren Hündin angenommen, die geschlagene sechs Wochen in Allersberg und Umgebung herumgeirrt ist. Es gelang lange Zeit niemandem, das Tier einzufangen. Als sie es schließlich zu fassen bekamen, waren die Pfoten des Vierbeiners komplett wund gelaufen.
Katze in fremder Umgebung ausgesetzt
Vermutlich reagierte das Tier derart verstört, weil es in einer völlig fremden Umgebung ausgesetzt wurde. Über die Registrierungsnummer im Chip ließ sich schließlich feststellen, dass die Hündin aus Österreich stammte, Informationen zum Halter enthielt der Chip allerdings nicht.
"Auch das ist typisch", räumt Fürst ein. Viele Tierhalter wüssten nicht, dass der Chip alleine nicht ausreicht. Ein weiteres Datenformular ist erforderlich, um die Informationen des Tieres und Tierhalters mit einzuspielen.
Bei etwa jedem dritten oder vierten Fundhund beziehungsweise Fundkatze ist ein leerer Chip eingepflanzt, schätzt Fürst. Der hilft dann natürlich nicht weiter. Im Falle der vier Hauskatzen gibt es keinen Chip, dabei hätte dieser ab der achten Woche eingepflanzt werden können. Fürsts Vermutung nach wird sich in den nächsten Tagen kein Halter bei ihnen melden. Denn das Tierheim hatte den Fund sofort auf Facebook und der eigenen Internetseite bekannt gegeben "und niemand hat gesagt: "Ich kenne die." Die Zeichen stünden also schlecht, dass der ursprüngliche Besitzer sich meldet. Zumal dieser die bisherigen Kosten, die dem Tierheim entstanden sind, tragen müsste. Pro Tier betragen die Pensionskosten acht Euro am Tag, dazu kommen die Entwurmungen, später Impfungen und Kastration.
Die Geschichte wirft viele Fragen auf, über den Halter könne man aber nur mutmaßen. Vielleicht war die Mutter der Tiere trächtig geworden und der Halter mit dem Nachwuchs überfordert. Für die nächsten Tage bleiben die Tiere nun in Quarantäne, die Entwurmung der neuen zwei Katzen wird gemäß der Standardprozedur ein zweites Mal wiederholt werden. Nach Verstreichen einer Frist von 28 Tagen können die Tiere geimpft, kastriert und dann neu vermittelt werden. Anfang September wäre es soweit.
Zuhause fürs Leben gesucht
"Wir wollen sie paarweise abgeben", erklärt Fürst. Denn die Katzen wurden jeweils im Duo gefunden und auch so untergebracht. Bald kommen sie in das Katzenhaus, wo ihr Verhalten im Gehege beobachtet wird: Hält sich das Tier dort eher im Freigehege auf, ist die Katze ein Freigänger – und wird auch als solcher vermittelt.
"Wir kennen die Vorgeschichte der Tiere ja nicht", erklärt Fürst. Durch die Beobachtung versuchen sie, einiges abzuleiten. Nur so könne man den Tieren gerecht werden. Und sie an Menschen vermitteln, die ihnen ein Zuhause fürs ganze Leben geben wollen – nicht nur, bis diese unbequem werden.
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