Kirchenaustritte im Landkreis: Auch hier steigen die Zahlen

4.8.2019, 09:55 Uhr
Kirchenaustritte im Landkreis: Auch hier steigen die Zahlen

Wie in so vielen Prozessen, die im besten Fall zu einer Verbesserung führen, kommt zunächst die Erkenntnis, dass etwas schief läuft. So auch im Bistum Eichstätt. Generalvikar Isidor Vollnhals sieht zwei problematische Entwicklungen: die fortschreitende Säkularisierung der Gesellschaft und der Missstand, dass sich beide großen Kirchen nicht in gebührendem Maß um ihre Mitglieder kümmern. "So entsteht der Eindruck: ,Die Kirche beschäftigt sich nur mit sich selbst und verschleudert Geld‘", erklärt er.

Die Zahlen von 2018 überraschen den Generalvikar nicht. Denn auch im Dekanat Roth/Schwabach gibt es jedes Jahr mehr Kirchenaustritte: Waren es 2017 noch 439, so stieg die Zahl im vergangenen Jahr um 31,9 Prozent – 579 Katholiken haben 2018 die Kirche verlassen.

In der evangelischen Kirche sieht es nicht viel besser aus: 552 Austritte hatte sie 2018 im Dekanat Schwabach zu verzeichnen, das entspricht einer Steigerung um knapp 9,7 Prozent. Das Dekanat umfasst nicht alle Bereiche des Landkreises, ausgegliedert ist etwa Thalmässing.


So viele wie noch nie: 64.000 Kirchenaustritte in Bayern


Den größten Anteil der Austritte machten im vergangenen Jahr die 21- bis 30-Jährigen aus, wie das Dekanat Schwabach angab. Die Ursachen zu hinterfragen, ist eine "sehr komplexe und sehr wichtige Aufgabe", räumt der Rother Pfarrer und stellvertretende Dekan Joachim Klenk, ein.

In der katholischen Kirche sind die Zahlen anders gelagert: Dort treten überwiegend Menschen im Alter von 30 bis 59 Jahren aus. Das sei laut Vollnhals besonders schlimm, denn diese Altersgruppe spült im Normalfall einen großen Anteil der Kirchensteuer in die Kassen – welcher nun wegbricht.

Unsichtbare Kirchenmitglieder

Vor ein paar Jahren galt ein Kirchenaustritt noch als Tabubruch. "Doch diese Tage sind vorbei", weiß Vollnhals. Wenn immer mehr Menschen aus der Kirche austreten, wird das auch immer selbstverständlicher – ein Teufelskreis. Die großen Kirchen stehen damit auch hier im Landkreis vor der Frage: Wie erreichen wir unsere Gläubigen?

Aus eigener Erfahrung weiß der Generalvikar, dass Kirchen sich nicht immer füllen. Im Bistum Eichstätt nehmen nur rund 14 Prozent der katholischen Gläubigen an Gottesdiensten teil. "Die große Frage ist deshalb: Wie erreichen wir die übrigen 86 Prozent?", erklärt er.

Zurück zur Seelsorge

Einen Ansatzpunkt bieten die 190 katholischen Kindertagesstätten im Dekanat Roth-Schwabach, denn darüber tritt die katholische Kirche mit jungen Familien in Kontakt. Zudem soll eine neue Arbeitsstruktur die Pfarrer entlasten: Im Oktober werden acht Stellen für Verwaltungskoordinatoren ausgeschrieben – eine pro Dekanat. Damit bliebe den Pfarrern mehr Zeit für die Seelsorge und den persönlichen Kontakt zu Gemeindemitgliedern.

Auch der evangelische Pfarrer Joachim Klenk gibt zum 1. September zwei Kindergärten und einen Kinderhort, die er bisher betreut hat, an einen Verwaltungsfachwirt ab. In der Summe hatte ihn zuvor "die Verwaltungsarbeit etwa einen Tag meiner Sechs-Tage-Woche gekostet", so Klenk. Auch die Pfarrer in den Gemeinden Hilpoltstein, Büchenbach und Rittersbach sollen ab September durch Fachangestellte entlastet werden.


Debatte um Kirchensteuer: "Gibt keine faire Alternative"


Vollnhals erachtet diesen Schritt als wichtige erste Maßnahme, um näher an die Gemeinde heranzutreten und Vertrauen wieder aufzubauen. Im Hinblick auf den Eichstätter Finanzskandal und die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche sei das jetzt besonders wichtig. Aber: "Es ist sehr schwierig, Vertrauen, das verspielt ist, wieder aufzubauen."

Indes sei nicht nur die Zahl der Kirchenaustritte ein Problem für die katholische Kirche, sondern auch der Rückgang der Taufzahlen, Erstkommunionen und Bestattungen. Einzig die kirchlichen Trauungen erzielten 2018 ein Wachstum von bayernweit 42 523 (2017) auf 42 789 (2018).

Auch die Zahl der Kircheneintritte und Wiederaufnahmen verzeichneten 2018 Verluste gegenüber 2017.

Niedrigschwellig in Kontakt treten

In der evangelischen Kirche sind die Zahlen je nach Gemeinde sehr unterschiedlich: So blieben die Taufen in Roth stabil und die Gemeinden Hilpoltstein und Petersgmünd registrieren Zunahmen bei den Eintritten, viele davon durch Zuzüge.

Dass es nötig ist, auf die jüngsten Zahlen zu reagieren, darin besteht kein Zweifel. Klenk setzt hier insbesondere auf niedrigschwellige Angebote – und nennt als Beispiel das Rother "Fenster in der Stadt" oder die Veranstaltung "sportissimo". Er sei überrascht, wie viele Ehrenamtliche dadurch zur Gemeinde gekommen sind.

Kirchensteuer bricht weg

Einem Problem müssten sie sich in absehbarer Zukunft so oder so stellen: Durch die Austritte entsteht eine Finanzierungslücke, die laut einer Studie der Universität Freiburg weiter wachsen wird. Denn bis 2060 soll sich die Zahl der Kirchenmitglieder halbieren.

Im Bistum Eichstätt ist diese Studie allen geläufig. Im Winter tritt dort der Steuerausschuss zusammen, um aktuelle Finanzprojekte auf den Prüfstand zu stellen und Prioritäten zu setzen. So manchen Restaurierungsmaßnahmen und Schönheitsreparaturen könnte dann ein Riegel vorgeschoben werden.

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