Kunstradfahren: Finalkrimi mit Kurzzeit-Weltrekord
11.9.2018, 16:44 UhrSpannender hätte die Masterserie und damit auch die Qualifikation für die Weltmeisterschaft, die Ende November in Belgien ausgetragen wird, zumindest bei den Frauen nicht beginnen können.
Wer glaubt, als amtierende Weltmeisterin hätte die Bernloherin einen Startplatz bei der nächsten WM sicher, der täuscht. Wie alle anderen auch, muss sich die Titelträgerin im Rahmen der Masters-Serie und bei der deutschen Meisterschaft insgesamt sieben brillante Ergebnisse (von denen zwei gestrichen werden) erkämpfen, um eine Chance zu haben, den Titel verteidigen zu können. Das Reglement des Weltverbands UCI sieht nur zwei Startplätze pro Disziplin und Nation vor. Angesichts des enormen Konkurrenzdrucks gerade bei den Frauen in Deutschland eine große Aufgabe, die ein extremes Maß an Kontinuität und Nervenstärke erfordert. Geschenkt wird einem da nichts.
Geschenke braucht man auch nicht, wenn man so hart arbeitet, wie die Frauen an der Weltspitze. Vielleicht eher im genau richtigen Moment das kleine Quäntchen Glück – und eben vor allem Nerven wie Drahtseile. Denn in der Spitze ist die Leistungsstärke extrem dicht.
Wie in den Vorjahren an dieser Stelle von Saisonbeginn zu sprechen, trifft es heuer nicht wirklich: Die Kunstrad-Spitzensportler durften sich dank des neu eingeführten zusätzlichen Weltcups mit vier Terminen keine Wettkampfpause gönnen. Milena Slupina hat diese Dauer-Belastung bisher überragend gemeistert. In die Masterserie ist sie mit einem im Vergleich zum Vorjahr um 3,4 auf 194,5 Punkte aufgestockten Programm und damit der zweithöchsten Schwierigkeit gestartet. Nur eine, Iris Schwarzhaupt (Sportkultur Stuttgart), reichte einen höheren Wert ein.
Zunächst galt es am Samstag, sich für das Finale der besten Drei am Abend zu qualifizieren. Das gelang Slupina nach gewohnt akribischer Vorbereitung souverän – obwohl ein Reifenplatzer am Ende des letzten Heimtrainings am Donnerstagabend noch für eine Schrecksekunde gesorgt hatte und noch flugs ein neuer Reifen montiert und eingefahren werden musste.
Das ist etwas, das Kunstradfahrer gar nicht schätzen. Mit 184,92 Punkten sicherte sich die Bernloherin den zweiten Platz in der Vorrunde. Den Punktverlust durch einen etwas vorzeitig abgebrochenen Sattellenkerhandstand konnte sie zumindest teilweise mit einer taktischen Übung kompensieren, die ihr erstmals im Wettkampf gelungen war: die 2,5-fache Lenkerstanddrehung. Im Finale hatte sie es mit Maren Haase (Blitz Hoffnungsthal) und Iris Schwarzhaupt (die die Vorrunde mit leichtem Vorsprung gewonnen hatte) zu tun. Als vorletzte Starterin legte Milena Slupina eine blitzsaubere Kür hin, an deren Ende nicht nur ein Punktwert von 188,44 Punkten stand, sondern ein rotes "WR" für Weltrekord. Den hatte die Bernloherin mit ihrem Programm um fast zwei Punkte überboten und durfte sich dafür feiern lassen.
Doch der Rekorde sollten es an diesem Abend noch nicht genug sein. Auch der nachfolgenden Vorrunden-Siegerin Iris Schwarzhaupt gelang eine annähernd makellose Fahrt, die mit 191,86 Punkten bewertet wurde und so fiel der Weltrekord innerhalb weniger Minuten ein zweites Mal.
Die Freude der Bernloher über die herausragende Leistung Slupinas konnte das aber nicht trüben. Der Einstieg in die WM-Quali ist mehr als gelungen. Auch für die Deutsche Meisterschaft ist Milena Slupina mit diesem Ergebnis automatisch frühzeitig qualifiziert. Etwas anders sieht das für die beiden anderen Starterinnen des TSV Bernlohe aus, deren Ziel es ebenfalls ist, jeweils einen von insgesamt 16 Plätzen für die Deutsche Meisterschaft im starken Frauenfeld zu erreichen.
Claudia Ridinger viel stabiler
Claudia Ridinger präsentierte sich in Wendlingen viel stabiler als in den Wochen zuvor. Mit wenigen Abzügen befand sie sich auf Kurs zu einer neuen persönlichen Bestleistung. Erst in den letzten 30 Sekunden musste sie einige Federn lassen. Zuerst gelang ein Übergang nicht, dann wollte die letzte Übung nicht klappen. So blieb zwar keine Bestleistung, aber ein sehr erfreuliches Ergebnis und Platz 17 (Rang 13 unter den deutschen Starterinnen).
Als Nächste startete Bianca Zint, die im Vorfeld aus ihrem Programm vier Punkte im Schwierigkeitsgrad herausgenommen hatte. Sie fühlte sich nicht wohl und hoffte, so das Programm bis zum Ende durchstehen zu können. Auch sie begann stark, musste aber den Dornenstandsteiger rückwärts freihändig kurz nach der halben Fahrstrecke abbrechen. Dazu kamen kleinere Fehler, die sich für die erfahrene Sportlerin zu ungewöhnlich hohen Abzügen summierten.
Knapp hinter Claudia Ridinger erreichte Bianca Zint Platz 17. Beide haben damit gute Chancen, sich beim Deutschlandcup in drei Wochen noch für die Deutsche Meisterschaft zu qualifizieren. Mannschaftskollegin Milena Slupina wird sich die Reise nach Lemgo aber sparen – sie gehört zu den direkt qualifizierten ersten Acht.
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