Landkreis Roth besitzt "echte Vorbildfunktion"

3.11.2017, 16:17 Uhr
Landkreis Roth besitzt

© Foto: Bittner

Aktuell kümmern die sich um etwa 150 Geflüchtete in den Gemeinschaftsunterkünften der Kreisstadt am Sieh-Dich-Für-Weg und im Kiefernweg sowie um die Flüchtlinge in den dezentralen Unterkünften. Dabei ist das Duo Richter/Turnwald kein unbedarftes. Denn beide gehörten bereits vor ihrer Nominierung zum erweiterten Sprecherkreis. Und deshalb wissen sie nur zu gut: Nach dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015/16 hat sich die Arbeit der Helfer verändert.

Herr Richter, Herr Turnwald, wie viel Idealismus muss man am Leib haben, um Flüchtlingshelfer zu sein in Zeiten, in denen fremdenfeindliche Parolen Einzug in Parlamente halten?

Frank Richter: Ein Ehrenamt ohne Idealismus geht gar nicht! Entweder will ich was für andere Menschen tun oder ich lass´ es – ganz unabhängig von der politischen Situation.

Toni Turnwald: Sobald man aufhört, pauschal "den Flüchtling" zu sehen, erkennt man den Menschen. Und dann ist schnell klar: Man hat da mit Leuten zu tun, die es wert sind, dass man ihnen hilft – weil sie vor Krieg, Folter oder Armut aus ihrer Heimat fliehen mussten. Ich will keine großen politischen Handlungen vollziehen, sondern Hilfesuchenden beim Ankommen unter die Arme greifen.

 

Sie sprechen aus Erfahrung. Denn Sie sind die "Neuen" an der Spitze des Rother Asyl-Helferkreises, die so neu gar nicht sind. . .

Richter: Stimmt, seit Februar 2016 bin ich dabei – jetzt als Sprecher des Helferkreises und gleichzeitig auch als Koordinator zwischen dem Landratsamt und dem Helferkreis. Ich war in der Logistik-Steuerung bei BMW tätig und als dann der Ruhestand kam, hab´ ich nach einer Aufgabe gesucht, die dem Gemeinwohl dient. Ich hatte vorher schon über Asylverfahren und -recht recherchiert, weil´s mich interessierte. Und darum hab´ ich entschieden: Da machst du mit!

Turnwald: Ich bin seit 2015 beim Rother Helferkreis. Ausschlaggebend waren die Diskussionen im Freundeskreis. Mich hat dieses ewige "Man müsste..."-Gerede genervt. Und nachdem meine Frau dann spontan angefangen hat, Deutschkurse für Flüchtlinge zu geben, hab´ ich mich hier beim Organisieren eingebracht. Da kommt mir meine berufliche Vertriebs-Erfahrung bei Siemens inzwischen schon zugute...

 

Das Engagement in der Flüchtlingshilfe sieht heute sicher anders aus als im akuten Krisenzeitraum 2015/16. Wie haben sich die Strukturen aus Ihrer Sicht verändert, seit der Rother Helferkreis Asyl 2012 aus der Taufe gehoben wurde?

Richter: Inzwischen kommen weniger Flüchtlinge an, weshalb die Zielsetzung jetzt eine andere ist: Ging´s damals in erster Linie um Soforthilfe, so sind wir heute damit befasst, im Sinne einer gelingenden Integration nachhaltig zu unterstützen und zu begleiten. Der Schwerpunkt der Tätigkeiten hat sich verlagert und damit auch die Aufgaben.

Turnwald: Wir organisieren, motivieren und begleiten. Wir stellen den Kontakt zu Ämtern, Behörden und Institutionen her. Es ist wichtig, dass wir unseren Aufgabenbereich klar definieren. Denn wir sind Helfer und nicht das "Bällebad", in das sich ein Asylbewerber fallen lässt. Der Grundsatz heißt: "Fordern und Fördern". Wir wollen den Flüchtlingen Hilfe zur Selbsthilfe geben und ihnen nicht ihre Selbstständigkeit nehmen.

Richter: Im Helferkreis ist eine Art "Teamleiter"-Struktur gewachsen. Das heißt, es gibt Leute, die bestimmte Themen federführend betreuen: beispielsweise die Hausaufgabenhilfe für Flüchtlingskinder – für die wir übrigens immer Freiwillige suchen; das Asylcafé, in dem man jeden Mittwoch von 16 bis 17 Uhr ganz niederschwellig mit Asylsuchenden in Kontakt kommen kann; den ehrenamtlichen Sprachunterricht oder die Betreuung unseres Sachspendenlagers, in dem wir den Grundbedarf für einen Hausstand sammeln – also Töpfe, Geschirr, Bettwäsche und so was – um damit anerkannte Flüchtlinge, die in eine eigene Wohnung ziehen, zu unterstützen.

Was wir aufgegeben haben, ist die Kleiderkammer. Dafür gibt’s das "Kaufhaus Regenbogen". Denn es darf nicht sein, dass Flüchtlinge besser behandelt werden, als andere hilfsbedürftige Menschen in der Stadt. Wir folgen da strikt dem Grundsatz der Gleichbehandlung. Alles andere sorgt für Unmut.

 

Wie sieht es in diesem Zusammenhang mit dem Bau des Asylbewerberheims am Ostring aus?

Richter: Was da am Ostring entsteht, sind 24 Wohneinheiten für hilfsbedürftige Menschen – Flüchtlinge ebenso wie Sozialfälle aus der Bevölkerung. Auch hier greift der Grundsatz der Gleichbehandlung. Bei diesem Projekt des Freistaats Bayern zusammen mit dem Bauamt Erlangen-Nürnberg geht es unter anderem darum, die teuer angemieteten dezentralen Flüchtlingsunterkünfte zu reduzieren. Vielleicht fehlt in der Sache noch ein bisschen die Transparenz. . .

 

Apropos fehlende Transparenz: Bundesweit wurde ja immer wieder mal das mangelnde Zusammenspiel zwischen Ehrenamt und Behördenapparat beklagt. . .

Richter: Wir dürfen uns glücklich schätzen, im Landkreis Roth zu sein. Die Behörden vor Ort unterstützen uns Ehrenamtliche, wo´s nur geht. Auch die Kooperation mit den Kommunen und anderen Institutionen wie der Diakonie klappt prima. Da hat unser Landkreis wirklich eine Vorbildfunktion!

 

Alles bestens? Keine Schwierigkeiten, mit denen Sie zu kämpfen haben?

Richter: Natürlich gibt’s auch Probleme. Zum Beispiel beim Finden von Wohnraum oder bei der Integration ins Berufsleben — obwohl der Fachkräftemangel akut ist!

Turnwald: Wir halten unsere Fühler ausgestreckt, aber gerade bei großen Firmen kriegen selbst gut qualifizierte Flüchtlinge oft nicht mal einen Gesprächstermin. Dann steigt der Frustrationsgrad natürlich. Auf der anderen Seite kann man verstehen, wenn manche Arbeitgeber lieber die Finger von einem Geflüchteten lassen. Da sorgen unklare Abschiebe- und Ausbildungsrichtlinien für viel zu viel Unsicherheit.

 

www.helferkreis-asyl.de

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