Kriegsende in Roth

Letzte Kriegstage in Roth: Schrank wurde zur tödlichen Falle

29.3.2020, 19:45 Uhr
Schwer getroffen wurde der Fliegerhorst Roth. Unser Bild zeigt Krankenrevier und Schülerkompanie nach dem Angriff am 8. April, dem "Weißen Sonntag" des Jahres 1945.

© Foto: Heimatkundliche Schriftenreihe. Schwer getroffen wurde der Fliegerhorst Roth. Unser Bild zeigt Krankenrevier und Schülerkompanie nach dem Angriff am 8. April, dem "Weißen Sonntag" des Jahres 1945.

Statt zu kapitulieren, nahmen die Nazis den Tod zahlreicher Bürger und die Zerstörung etlicher Städte und Dörfer in Kauf. In unserer Region starben in den Kriegswirren der letzten Wochen ebenfalls noch viele Menschen. Der erste Teil unserer Serie "1945. Vom Krieg zum Frieden" schildert unter anderem die folgenschweren Angriffe auf den Fliegerhorst Roth.

Machtübernahme und Ermächtigungsgesetz

Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Der weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung reagierte auf den sogenannten Tag der Machtübernahme reserviert und abwartend, schrieb Josef Brunner, von 1952 bis 1972 Bürgermeister in Mörlach, im Rahmen seiner Forschungsarbeit "Der Nationalsozialismus im Landkreis Hilpoltstein".

Den Mann auf der Straße berührte in dieser Zeit die wirtschaftliche Notlage und die Sorge um das tägliche Brot mehr als die Politik. Bei den Reichstagswahlen am 5. März 1933, der letzten freien Wahl vor Beginn des "tausendjährigen Reiches", das "nur" zwölf (schreckliche) Jahre dauern sollte, erhielt die NSDAP fast 44 Prozent der Stimmen. Dazu kamen die Stimmen der Deutschnationalen.


Jubel für den Hass: Wie Hitlers Truppen in Franken Fuß fassten.


Den Abschluss dieses zweiten Abschnittes zur Machtergreifung durch Adolf Hitler bildete die Reichstagssitzung am Abend des 23. März 1933 mit der Annahme eines Ermächtigungsgesetzes. Unter anderem wurden alle Parteien außer der NSDAP verboten. Auf viele Funktionäre der verbotenen Parteien wartete in der Folge das Gefängnis oder gar das berüchtigte Konzentrationslager in Dachau. Die jüdische Bevölkerung wurde während der Nazi-Herrschaft systematisch verfolgt, im Holocaust wurden Millionen Juden ermordet.

Am 1. September 1939 gab Hitler den deutschen Truppen den Einmarschbefehl nach Polen. Der Zweite Weltkrieg hatte begonnen. Zwei Tage später wurde bekannt, dass England und Frankreich Deutschland den Krieg erklärt haben. Oskar Schneider aus Altenheideck gehörte von 1969 bis 1994 dem Deutschen Bundestag an und fungierte sieben Jahre lang als Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau.

Er hat im Beitrag "Erinnerungen an Heideck in Wort und Bild" beschrieben, wie sein Vater diese Nachricht aufnahm. "Diesmal hat sich Hitler verrechnet. Er wird zwar in Polen siegen, weil er sich zuvor mit den Russen verbündet hat, aber diesen Krieg wird er verlieren. Die Deutschen werden wieder büßen müssen und die Zeiten werden finster und schrecklich werden."

Schneider senior hatte die Lage realistisch eingeschätzt. Schon in den ersten Kriegstagen traf die Nachricht ein, dass zwei Söhne von Heidecker Familien in den Kämpfen in Polen gefallen sind. Weltweit sollte der schreckliche, von den Nationalsozialisten angezettelte Zweite Weltkrieg im Verlauf von sieben Jahren über 55 Millionen Menschenleben fordern.

Die Landung alliierter Truppen in der Normandie leitete am 6. Juni 1944 die Endphase des Zweiten Weltkrieges ein. Ende 1944 galt die deutsche Front als nicht mehr haltbar. Der zunächst noch geordnete Rückzug der deutschen Soldaten nahm seinen Anfang. Die Auflösungserscheinungen des Deutschen Reiches waren nicht mehr zu übersehen. Unter anderem strömten Flüchtlinge aus dem Osten, auf der Flucht vor der Roten Armee, in den ausgebluteten Westteil des Reiches.

Fliegerangriffe, Bombenangriffe und Tiefflieger wurden auch für die Menschen in den damaligen Landkreisen Schwabach und Hilpoltstein zu einer permanenten Bedrohung. Nürnberg, Stadt der Reichsparteitage, traf es mit am härtesten. Besonders vernichtend der Angriff von US-Bombern auf Nürnberg am eisig kalten 2. Januar 1945. Die Bomber der Alliierten wollten nicht nur Rüstungsfirmen treffen, sondern auch den Nimbus zerstören, den die Stadt im "Dritten Reich" genoss.

Die Auswirkungen des verheerenden Flächenbombardements waren selbst im 30 Kilometer entfernten Roth zu sehen. Der damals elfjährige Hans Gsänger schaute ebenfalls fassungslos in Richtung Nürnberg. In späteren Jahren brachte der langjährige Rother Stadtrat seine Erinnerungen für eine von seiner Stadtratskollegin Marlene Lobenwein erarbeitete Gedenkveranstaltung anlässlich von "50 Jahre Kriegsende" zu Papier.

"Die schlimmen Detonationen von Nürnberg und dem Umland wollten kein Ende nehmen", schrieb er. "Als wir nach der Entwarnung aus dem Keller kamen, sahen wir den Himmel im Norden von Roth auf breiter Front blutrot; wie Sonneneruptionen stiegen immer wieder Feuerbündel in den Nachthimmel und die Luft roch verbrannt. Am nächsten Morgen fanden wir auf der Straße und im Garten viele angekohlte Papierreste, die es von Nürnberg bis zu uns in Roth geweht hatte."

Dass die Stadt Roth ein Vierteljahr später ebenfalls nicht von Luftangriffen verschont blieb, hat sich tief ins Gedächtnis des Elfjährigen eingegraben. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich in Roth die Nachricht, dass bei einem Angriff durch Nachtflieger am 25. Februar 1945 gegen 23 Uhr zwei Menschen getötet und einige verletzt wurden. Am Nachmittag des 1. April 1945, dem Ostersonntag, waren dann tagsüber Rother Bahnanlagen und Wohnhäuser das Ziel von acht Jagdbombern, die zehn Splitterbomben abwarfen und Gebäude beschossen. Dabei wurden eine Frau, vier Männer und drei Soldaten verwundet.

216 Tonnen Bomben in zwei Minuten

Eine Woche später war schließlich der Rother Fliegerhorst das Ziel von Flugzeugen der US-Luftwaffe. Am 8. April, dem "Weißen Sonntag" des Jahres 1945, kurz nach zwölf Uhr wurde die heitere Stimmung dieses Frühlingstages mit strahlend blauem Himmel jäh unterbrochen. Der Angriff begann mit dem Abwurf von Rauchbomben durch den ersten Bomber zur Markierung des Abwurffeldes. 91 amerikanische Flugzeuge warfen anschließend binnen zwei Minuten insgesamt 216 Tonnen Spreng- und Brandbomben ab und verbreiteten damit in der Bevölkerung Angst und Schrecken, Verwundung und Tod.

Die Bombardierung traf Unterkünfte, Wirtschaftsgebäude, das Krankenrevier und Fliegerhallen gleichermaßen. Die Feuerwehr konnte nicht mehr viel retten. Obwohl das Krankenrevier bereits Ende Februar nach Wernsbach und in den Wald bei Untersteinbach verlegt worden war, sind Menschen bei diesem Angriff umgekommen beziehungsweise wurden verletzt. Hauptsächlich durch Fehlabwürfe.

Alliierte Bomber warfen in den letzten Kriegsjahren tonnenweise Bomben über dem Deutschen Reich ab.

Alliierte Bomber warfen in den letzten Kriegsjahren tonnenweise Bomben über dem Deutschen Reich ab. © dpa

Von den Ortschaften in der Nähe des Fliegerhorstes traf es Unter- und Obersteinbach am härtesten. In Obersteinbach hatten zwei Brüder den Schutzraum wegen eines voreiligen Entwarnungssignals zu früh verlassen. Als noch einmal Bomben fielen, wurden die sechs und zehn Jahre alten Jungen in einer Behelfsdeckung verschüttet. Der jüngere der beiden Buben kam ums Leben, der ältere konnte gerettet werden.

Ebenfalls sehr tragisch das Schicksal einer Frau, die auf dem Fliegerhorst nach einer Reihe vorausgegangener Fehlalarme die erneute Aufforderung zur Evakuierung ignorierte und sich, als nachgesehen wurde, ob alle Soldaten und Bedienstete den Befehl befolgt hatten, in einem Kleiderschrank versteckte. Gerade auf jenes Gebäude, in dem sich die Frau aufhielt, fiel wenig später eine der Bomben. So wurde der Schrank für die Frau zur tödlichen Falle.

Not war allgegenwärtig

Am Montag, 16. April 1945, verursachte ein weiterer Bombenangriff auf das Fliegerhorst-Gelände erneut große Schäden. Tags darauf verließen die letzten deutschen Soldaten die Kaserne.

So wie viele Nachbarn waren auch der junge Hans Gsänger und seine Mutter nach dem Bombardement mit einem Handleiterwagen zum stark beschädigten Fliegerhorst gezogen, um dort ihr Wägelchen mit Holz, Kohlen und angekohlten Wehrmachtsdecken zu beladen. Die Not war damals allgegenwärtig.

Auf dem Heimweg mussten Mutter und Sohn vor Tieffliegern immer wieder in die damals zum Glück noch relativ tiefen Straßengräben flüchten. Ab Anfang April 1945 hatte es laufend Tieffliegerangriffe durch amerikanische Jagdmaschinen auf Fahrzeuge und Personen gegeben, die auf der damaligen Reichsstraße R2, der späteren B2, unterwegs waren.

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