LKA bestätigt versuchten Anschlag auf ICE bei Allersberg

29.10.2018, 18:52 Uhr

Der Vorfall ereignete sich gegen 23.15 Uhr am 7. Oktober, als ein ICE (Zugnummer 821, Dortmund -München) auf der Strecke von Nürnberg nach München unterwegs war. Auf Höhe des Streckenabschnitts Allersberg nahm der Zugführer verdächtige Geräusche wahr, berichtet Ludwig Waldinger, stellvertretender Leiter der Pressestelle des Bayerischen Landeskriminalamtes in München (LKA) gegenüber nordbayern.de. Da die Technik aber einwandfrei funktionierte, setzte der Lokführer die ICE-Fahrt bis München fort. Im Endbahnhof kontrollierte er den Triebwagen und entdeckte dort eine Beschädigung an der Frontscheibe des Waggons. Verantwortliche der Deutschen Bahn stellten vor Ort einen Kurzschluss auf der Bahnstrecke fest, heißt es in einer Pressemitteilung des LKA, die am Montagmittag veröffentlicht wurde.

Bei der Suche vor Ort wurden die Ermittler fündig. Die Beamten entdeckten Holz- und Eisenteile, die das LKA aus ermittlungstaktischen Gründen jedoch nicht genauer beschreiben möchte. Nach ersten Informationen soll es sich dabei aber um die Reste eines Stahlseils sowie massive Holzkeile handeln. Das Seil war von Unbekannten offenbar über die Gleise gespannt worden, die Holzstücke waren wahrscheinlich auf den Gleisen platziert. Bei den Absuchen war auch ein Hubschrauber im Einsatz. 

"Abstrakte Drohungen"

Die Ermittler machten allerdings noch einen weiteren brisanten Fund: Vor Ort stießen sie auf ein Drohschreiben, das in arabischer Sprache verfasst worden war, sowie ein arabisches Graffiti auf einem Brückenpfeiler. "Das Schreiben wurde übersetzt und bewertet", so Waldinger. Es steht offenbar im Zusammenhang mit dem Anschlag auf den ICE. Der Text soll zwar keine konkreten Drohungen oder Anschlagspläne enthalten, Waldinger spricht jedoch von "abstrakten Drohungen". Weitere Informationen zum Inhalt des Briefes gibt es nicht.

Laut Pressemitteilung fanden die beiden Suchaktionen, bei denen das Beweismaterial gefunden wurde, am 24. und am 26. Oktober statt - mehr als zwei Wochen nach dem eigenlichen Vorfall. "Zum Sachverhalt wurde die Bundespolizei erstmals am 24. Oktober 2018 in Kenntnis gesetzt", erklärt die Bundespolizei. Warum die Polizei erst so spät informiert wurde, ist derzeit noch unklar. 

"Wenn da 17 Tage lang Züge mit mehr als 200 Kilometern pro Stunde vorbeirasen und das Papier Wind und Wetter ausgesetzt war, können Sie sich vorstellen, wie das Drohschreiben ausgesehen hat. Da finden Sie nicht einfach ein verschlossenes Briefkuvert, dass Sie entspannt öffnen und lesen können", meint Waldinger.

"Gefährlicher Eingriff in den Schienenverkehr"

Inzwischen hat sich die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus der Generalstaatsanwaltschaft (ZET) dem Fall angenommen. Unterstützt werden die Ermittler durch das Polizeipräsidium Mittelfranken, durch die Bundespolizei, durch das Bundeskriminalamt und durch das Polizeipräsidium München. Spezialisten des Eisenbahnbundesamtes werden zudem zur Bewertung des Schadenpotenials solcher Anschläge herangezogen. 

Auch am Sonntag und Montag waren noch Experten am Tatort, um weitere Spuren sicherzustellen. Offiziell wird der Vorfall als "gefährlicher Eingriff in den Schienenverkehr" eingeordnet. "Es kann viele Ursachen geben, von einem terroristischen Anschlag, über jemanden, der Panik auslösen will bis hin zu Spinnern — und dann gibt es noch viele Möglichkeiten, die irgendwo dazwischenliegen", meint Waldinger vom LKA. "Sowas nehmen wir natürlich sehr ernst. Wir haben Warnungen in ganz Deutschland gestreut - und so die Bahn für solche Vorfälle sensibilisiert." Im LKA geht man davon aus, dass die Passagiere in jener Nacht nichts von dem Zwischenfall mitbekommen haben, da der Zug seine Fahrt ja fortsetzen konnte. Es wird jedoch wohl ein Teil der Ermittlungsarbeit sein, die Passagiere, die an Bord waren, mit Hilfe der Deutschen Bahn ausfindig zu machen und zu befragen.

Allersbergs Bürgermeister Daniel Horndasch hat erst am Montagmorgen durch die WhatsApp-Nachricht eines Bürgers von dem Vorfall erfahren. "Das finde ich aber nicht ungewöhnlich. Es ist normal, dass die Ergreifung des Täters eine höhere Priorität hat als die Information der Öffentlichkeit. Da habe ich vollstes Vertrauen in die Ermittler", meint Horndasch. "Natürlich erschrickt man, wenn man so etwas mitbekommt, wenn so etwas ganz in der Nähe passiert."

Das LKA bittet Zeugen, die im Zusammenhang mit dem Fall verdächtige Beobachtungen gemacht haben, sich unter der Telefonnummer 0800/3000060 beim Landeskriminalamt oder bei jeder anderen Polizeidienststelle zu melden.

Der Artikel wurde um 18.50 Uhr mit der Stimme des Bürgermeisters aktualisiert.


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