Rückblick: Wildwest-Figuren und kleine Soldaten aus Roth
15.12.2019, 06:03 UhrIm Großraum Nürnberg pulsierte ein starkes Herz der Kreativen in der Spielwarenbranche: Pioniere wie etwa Strobel & Lades (Strola), Albert Heid, Fröha oder August Schlemmer. Die Schar der Anbieter war im Landkreis Roth besonders ausgeprägt. Allen voran natürlich die Rother Spielwarenfabrik von Christian Friedrich Ley, dessen Unternehmen unter Sammlern besser als "Leyla" bekannt geworden ist.
Mit Spielzeugsoldaten erreichte Ley(la) bis 1945 – und mithin in einer kriegerischen Zeit – einen Bekanntheitsgrad, der dem Rother Unternehmen in der Rangliste der erfolgreichsten Fabrikanten damals einen stolzen dritten Platz verschaffte, gleich hinter Lineol und Elastolin. Besonders im Nürnberger Raum genoss Leyla ein hohes Ansehen und erfreute sich großer Beliebtheit. Nicht nur der detaillierten Figuren wegen oder den Produkten, die Ley als Zulieferer für beispielsweise JNF (später Carrera) oder die Fleischmann-Modelleisenbahnen fertigte.
Musterlager in Fürth
Ley galt zwar als nicht gerade einfacher Zeitgenosse, dennoch engagierte er sich für das Gemeinwohl seiner "Kameradschaftsfirmen", wie Ley seine Mitstreiter selbst betitelte. Oftmals trat er als Sprachrohr gegenüber den Aufsichtsbehörden auf oder regelte Angelegenheiten, die viele Heimarbeiter betrafen. Als Spielzeugfachmann genoss Ley jedenfalls einen guten Ruf, der sich hauptsächlich durch seine Expertise in der Großhandelstätigkeit begründete.
Zunächst betrieb Firmengründer Ley (*5. Dezember 1883, † 16. November 1953) einen Spielwarengroßhandel in Fürth und begann Mitte der 1930er Jahre in Zusammenarbeit mit Richard Lades (Strobel & Lades) mit der Produktion von Spielzeugfiguren. Das Hauptaugenmerk wurde auf die Fertigung von Soldaten in der Größe von sieben Zentimetern gelegt. Auf eine einheitliche Leyla-Sockelprägung wurde anfangs nur sporadisch zurückgegriffen, was heute die Identifizierung von Leyla-Artikeln erschwert. Um den damals herrschenden Boykott deutscher Waren im Ausland zu umgehen, verließen darüber hinaus etliche Figuren das Haus Leyla mit der Sockelprägung "Foreign", also für den Export.
Obwohl die Firma Leyla ihre Figurenherstellung ausschließlich in Roth betrieb, behielt sie dennoch ihre Spielwaren-Großhandlung in Fürth. Dort richtete man ein umfangreiches Musterlager mit Leyla-Soldaten und weiteren Produkten ein.
Zunächst mietete Ley einige Räumlichkeiten in der Nähe des Rother Bahnhofes an. Leider lässt sich über die Größe des damaligen Firmengeländes heute kaum noch etwas erfahren. Erzählungen ehemaliger Mitarbeiter zufolge muss Ley zur Höchstphase der Produktion vor und während des Zweiten Weltkriegs bis zu 100 Mitarbeiter beschäftigt haben, die an knapp 30 Handspindelpressen produzierten.
Gearbeitet wurde mit einer grauen Masse, über deren Zusammensetzung bis heute nichts weiter bekannt geworden ist. Das Produktionsprogramm bestand entsprechend der Zeit vornehmlich aus Soldaten der Deutschen Wehrmacht, aber auch aus anderen, ausländischen Soldatenfiguren. Ferner arbeitete Ley als Zulieferant für diverse Firmen. Seien es kleine Panzerkommandanten für Fahrzeuge der Firma Georg A. Mangold oder Fahrerfiguren für die Firma Neuhierl (Carrera). Die Schar an Leyla-Figuren für andere Unternehmen ist groß gewesen. Darüber hinaus fanden etliche Leyla-Teile Verwendung in der Schweizer Uhrenindustrie.
Es musste improvisiert werden
Modelliert hat die Figuren damals ein gewisser Herr Reinhard, der bereits bei der Firma Schlemmer tätig war und zusammen mit Lades zu Ley kam. Lange arbeitete Reinhard jedoch nicht für Ley, da er schon 1937 zur Firma Georg Schuster ("Schusso") nach Georgensgmünd wechselte. Viele Sammler bedauern noch heute das Ausscheiden Reinhards, da die Qualität der Leyla-Figuren fortan zwar immer noch sehr gut war, an Reinhards Handwerkskunst jedoch nie heranreichten. Seine Modelle waren besonders detailliert und sehr schön gemacht. Auch heute noch stechen seine Figuren auf Sammlerbörsen für Spielzeug sofort ins Auge.
Übrigens stammen auch nahezu alle Figuren mit der Sockelprägung "Foreign" von Ley. Eine Bestätigung hierfür lieferte die ehemalige Ley-Mitarbeiterin Lina Karg (bei Ley tätig von 1934 bis 1965). Begonnen hat sie, wie so viele andere Frauen, an der "Massepresse". Später wechselte sie aber ins Büro und kümmerte sich somit auch um die Exportangelegenheiten des Hauses.
Der September 1939 bedeutete auch für Ley den Anbruch schwieriger Zeiten. Nicht nur, dass eine Anzahl eingearbeiteter und bewährter Fachkräfte für kriegswichtige Betriebe dienstverpflichtet wurde, auch die Rohstoff- und Materialbeschaffung wurde mit zunehmender Kriegsdauer immer schwieriger. Wie überall: Es musste stark improvisiert werden. Den Arbeitskräftemangel versuchte man damit zu bewältigen, dass Frauen aus der näheren Rother Umgebung eingestellt wurden, bei denen nicht mit einer Dienstverpflichtung zu rechnen war.
Sporadisch sind Ley – wie damals im NS-Reich üblich – auch Kriegsgefangene zur Arbeit zugeteilt worden. Rüstungsgüter wurden bei Leyla allerdings nicht produziert. Im Mai 1943 wurde die Produktion von Spielwaren im gesamten Deutschen Reich verboten. Dennoch: In Roth wurde weiterproduziert, überwiegend für das Ausland. Die Kriegsjahre überstand die Spielwarenfirma ohne Bombeneinschläge oder andere direkte Kampfeinwirkungen.
Mühsamer Neuanfang nach 1945
Als 1945 die Amerikaner in Roth einmarschierten, fasste Ley einen Entschluss, der nicht einfach für ihn gewesen sein musste: Sämtliches Spielzeug, alle Formen, Dokumente, Unterlagen oder Sonstiges, das auf die Spielwarenproduktion hinwies, wurde komplett vernichtet. Ley wollte auf Nummer sicher gehen und etwaigen Schwierigkeiten für sich und seinen Betrieb aus dem Weg gehen.
Niemand wusste, wie es weiter gehen würde. Das gesamte Geschäfts- und Wirtschaftsleben lag am Boden. Entlassungen waren die Folge, da Aufträge, gerade mit Hinblick auf die Bestimmungen der allierten Besatzungsmächte, ausblieben. Schlicht gesagt: Es gab keinerlei Arbeit in den Ley-Produktionshallen mehr. Selbst Lades, der bis dorthin Meister und Betriebsleiter war, verließ das Unternehmen.
Erst langsam konnte allmählich wieder mit der Figurenproduktion begonnen werden. Die Schweizer Uhrenindustrie war ein Trittbrett, auf dem sich Ley versuchte. Mit Unternehmen, die bereits vor dem Krieg beliefert wurden, ergaben sich neue Möglichkeiten. Somit war der Startschuss gegeben und auch "Leyla" war wieder auf dem Markt vertreten, mit Indianer-, Cowboy- und Tierfiguren. Der Verkauf von Eisenbahnen aller Spurengrößen lief gut und Ley fertigte hierfür Figuren. Er konnte sich sozusagen wieder richtig in die Arbeit knien.
Die Leitung seines immer noch bestehenden Großhandels vermachte er seinem Sohn Eberhard. Wenige Jahre vor dem Krieg hatte Ley einen jungen Modelleur namens Franz Seitz eingestellt, den er nicht nur ausbildete, sondern auch großzügig förderte. Als Ley versuchte, ihn wieder für sein Werk zu gewinnen, war Seitz bereits für die Nachbarfirma Fröha in Hilpoltstein tätig. An seine Stelle rückte Helmut A. Rückert, der dem Unternehmen bis zum Schluss treu blieb. Nach der Währungsreform von 1948 begann die Zeit des Wirtschaftswunders; das Geschäftsleben erholte sich und der Aufschwung ließ nicht mehr lange auf sich warten.
Auch Ley erlebte eine positive Entwicklung. So nahm man Anfang der 1950er Jahre einen Betriebsneubau nach speziellen, betrieblichen Notwendigkeiten in Angriff. Die Fabrik war 1952 fertig geworden und Ley zog mit "Sack und Pack" in die neuen Räume. Das alte Rother Werk wurde aufgegeben. Die ehemaligen Ley-Fabrikgebäude stehen heute noch immer und zwar in der Straße "Am Espan" in Roth.
Am neuen Glück seiner Firma konnte sich Christian Ley aber nicht mehr allzu lange erfreuen: Kurz vor seinem 70. Geburtstag verstarb er am 16. November 1953. Nach seinem Tod wandelte Leys Witwe Ellen die bisherige Einzelfirma in eine Offene Handelsgesellschaft (OHG) um und machte ihre Kinder Eberhard und Lore zu Teilhabern. Sohn Eberhard galt als überaus tüchtiger Geschäftsmann und soll seinem Vater sehr ähnlich gewesen sein. Aufgewachsen und ausgebildet im väterlichen Unternehmen, hielt er sich zunächst auf Sprachstudien im Ausland auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg kümmerte er sich nahezu ausschließlich um den Wiederaufbau und die Vergrößerung des Großhandels. Nunmehr aber setzte er sich vor allem für den Produktionsbetrieb in Roth ein. Der Großhandel wurde später aufgegeben.
Währenddessen entwickelte man in Roth eine völlig neuartige Massenrezeptur für die Leyla-Figuren, die mit der bisherigen Mischung nichts mehr gemeinsam hatte. Da sich jedoch schnell herausstellte, dass die Produktion mit Kunststoff immer mehr Vorteile mit sich brachte, wurde der Beschluss gefasst, sich frühzeitig dem Kunststofftrend anzuschließen. So findet man viele Leyla-Massefiguren aus dieser Zeit bereits mit Kleinteilen aus Plastik ausgestattet (etwa Gewehre und Pistolen). In den folgenden Jahren ist das Programm um Fahrzeuge, Kräne und andere Spielwaren ergänzt worden. Im Bereich der Zulieferaufträge ist Ley schließlich auch wieder aktiv geworden. Neben Souvenirartikeln zog Eberhard Ley einen ganz besonderen Auftrag an Land: Die Fertigung der Eisenbahnfiguren für die Nürnberger Firma Lehmann (LGB).
Anno 1978 war Schluss
Der im Lauf der Zeit immer stärker werdende Konkurrenzdruck führte schließlich dazu, dass man auf dem Sektor der Spielfiguren aus Kunststoff nur noch Ritter-, Wildwest- und Tierfiguren herstellte. Leider waren diese hervorragend gestalteten Figuren nicht von langer Angebotsdauer und verschwanden bald wieder aus den Kaufhausregalen.
Am 23. August 1966 verunglückte Eberhard Ley tödlich bei einem Autounfall. Er hinterließ keine Erben. Für das Unternehmen ein tragischer und zugleich folgenschwerer Schlag. Die Geschäftsführung oblag schließlich nur noch seiner Schwester und seiner Mutter. Sechs Jahre später verstarb auch die Firmengründerwitwe Ellen Ley. Ihre Tochter Lore starb im März 1978 und vermachte die Firma Christian Friedrich Ley ihrer Tochter, die das Unternehmen noch im gleichen Jahr schloss. Eine Weiterführung war ihr aus persönlichen Gründen nicht möglich gewesen.
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