"SMS-Terror": CSU-Abgeordneter drangsaliert Landjugendchefin
7.3.2014, 10:00 UhrSchon morgens um 7.55 Uhr blinkt an jenem 30. November 2013 die erste SMS auf Daniela Wirths Handy. Der frischgebackene CSU-Landtagsabgeordnete Volker Bauer (42), der als Nachfolger von Manfred Weiß den Landkreis Roth in München vertritt, ist der Absender.
Bauer und die 23-Jährige, beide aus Kammerstein südlich von Schwabach, kennen sich seit neun Jahren, aus der Jugendarbeit und vom alljährlichen Skifahren. Er habe da ein blödes Gerücht im Wirtshaus gehört, simst CSU-Kreisvorsitzender Bauer, nämlich, dass Daniela auf der SPD-Liste für den Kammersteiner Gemeinderat kandidieren wolle. Das könne doch nicht wahr sein. Noch sieben weitere Kurznachrichten verschickt der Abgeordnete im Lauf des Tages an die 23-Jährige, garniert mit den gängigen Smileys und Zwinkergesichtern, aber immer heftiger im Ton. Letztlich lädt Bauer die junge Frau vom Skifahren wieder aus. Daniela Wirth antwortet kein einziges Mal.
Sie ist seit Oktober neue Landesvorsitzende der Evangelischen Landjugend (ELJ). Schon zuvor hat die SPD-Ortsvorsitzende Jutta Niedermann-Kriegel die 23-Jährige darauf angesprochen, ob sie am 16. März auf der SPD-Liste für den Kammersteiner Gemeinderat antreten wolle. Daniela Wirth sagt zu, eine Kandidatur ohne Parteibuch, auf Platz drei.
Eine Landjugend-Landeschefin auf der Sozi-Liste? Das kann Bauer nicht glauben. Zumal „die Dani“, wie er unserer Redaktion sagt, noch am 20. November auf dem CSU-Parteitag Horst Seehofer und Angela Merkel frenetisch zugejubelt habe. Die SPD habe doch für den ländlichen Raum „nix über...;)“, und bei der erzkonservativen Klientel der 8000 Mitglieder zählenden ELJ könne Daniela als SPDlerin sowieso nichts bewegen, simst Bauer. Sie solle lieber zu den Freien Wählern gehen, weil ein politisches Engagement bei den „Sozen“ für die Landjugend-Mitglieder ein echtes Problem sei. Er war halt enttäuscht, sagt Bauer, dass die 23-Jährige ihm die SPD-Kandidatur verschwiegen habe.
Daniela Wirth ging es an jenem 30. November „sehr schlecht“, erinnert sie sich im Gespräch mit unserer Redaktion. Sie habe sich massiv unter Druck gesetzt gefühlt, sich die Vorwürfe „sehr zu Herzen genommen“ und war hin- und hergerissen, das kommunalpolitische Engagement hinzuwerfen.
Dass ein Abgeordneter einen jungen Menschen derart unter Druck setzt, ja an den Pranger stellt, „das tut der politischen Kultur gar nicht gut“, wettert Kammersteins Bürgermeister Walter Schnell (Freie Wähler). Niemand sei daran interessiert, einen örtlichen Abgeordneten zu beschädigen, aber ein derartiger Fall von Einschüchterung sei indiskutabel: „Wenn ich solche Fehler mache, sinke ich doch auf die Knie und sage Entschuldigung.“ Schnell hält mit seiner Meinung nicht hinterm Berg, obwohl er als Volker Bauers Patenonkel und Nachbar auch familiär stark tangiert ist.
Roths Landrat Herbert Eckstein (SPD) lässt dahingestellt, ob das Auftreten Bauers nur Einfältigkeit sei oder Arroganz der vermeintlichen Macht. Aber, so Eckstein: „Ich habe mitbekommen, welchen psychischen Druck er auf die junge Frau ausgeübt hat. Sie hat Gott sei Dank ein Zeichen für Zivilcourage gegeben und sich nicht einschüchtern lassen.“
Die Vize-Fraktionschefin der Landtags-SPD, Helga Schmitt-Bussinger, zeigt sich entsetzt über Bauers „SMS-Terror“ und fordert eine Entschuldigung: „Dieses Verhalten ist eines Abgeordneten mehr als unwürdig. Es kann ja wohl nicht angehen, dass jemand wegen einer SPD-Kandidatur seine Kinderstube völlig vergisst.“
Er habe sich bereits entschuldigt, erwidert Bauer. Der Vorgang sei seit Dezember Stammtischgespräch in Kammerstein; schon damals habe die SPD gedroht, die Sache öffentlich zu machen; nun, natürlich kurz vor der Kommunalwahl, werde die Geschichte ausgespielt. „Das ist königlich-bayerisches Amtsgericht“, meint Bauer.
SPD-Ortsvorsitzende Niedermann-Kriegel erinnert sich dagegen an ein Telefonat, in dem der CSU-Abgeordnete gedroht habe, Daniela Wirth werde keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen, wenn die SMS-Flut öffentlich gemacht würde.
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