Hattler-Projekt und Fola Dada
"So unbluesig wie nie": Bluestage-Auftakt in Roth
28.3.2022, 12:43 UhrVor elf Jahren war der Ex-„Kraan“-Bassist Hellmut Hattler schon einmal zu Gast bei den Bluestagen. Seine Außergewöhnlichkeit hat sich Hattlers „Projekt“ mit der Sängerin Fola Dada, dem Gitarristen Torsten de Winkel und dem Schlagzeuger Oli Rubow bewahrt. Die Schublade, in die man diese Band zu stecken versucht, wird stets klemmen, weil Hattler und Co. spürbar keine Lust haben, sich auf einen Stil oder ein Genre festzulegen.
Wie auch, wenn der 1952 geborene Bandboss selber seit Jahrzehnten zwischen allen möglichen Facetten der populären Musik hin und her changiert, sich im Jazz ebenso bedient wie im Soul, im Rock und sogar in der Weltmusik.
Blind aufeinander eingespielt
Was dabei herauskommt, ist intensiv, frenetisch, emotional und schwer zu fassen, aber immer groovig, tanzbar und weit ab jeglichen Mainstreams. „Das ist der definitiv unbluesigste Auftakt, den die Rother Bluestage je hatten“, sagt Festivalchefin Monika Ammerer-Düll und es gibt keinen Grund, ihr in dieser Hinsicht zu widersprechen.
Denn mit dem Blues, zumal dem des schwarzen Amerika, hat die clever gemachte Kunstmusik des Hattler-„Projekts“ wahrlich nichts zu tun, obwohl die Wurzeln manches Songs ohne Frage aus dem Black-Music-Dunstkreis kommen. Macht die omnipräsente und ungemein wandlungsfähige Leadsängerin Fola Dada mal Pause, dann schwelgen die drei Instrumentalisten in hermetisch dichten Arrangements und zeigen, wie blind sich drei ausgepichte Individualisten aufeinander einspielen können.
Da zahnen Hattlers E-Bass und de Winkels diverse Gitarren ineinander wie die Zahnräder eines irrwitzig schnell laufenden Uhrwerks, das weder von einer Feder noch von einem Elektromotor angetrieben wird, sondern von einem völlig entfesselten Schlagzeug-Derwisch.
Zu einer kontrollierten Ethno-Explosion wird die schon 2011 überwältigende Nummer „Delhi News“, von der einem auch ohne das zugehörige Highspeed-Video mit Straßenimpressionen aus Delhi schwindelig wird: Das ist minimalistischer Fusion-Jazzrock, bei dem sich Torsten de Winkels Gitarre in eine schneidende Sitar verwandelt, Hellmut Hattler lustvoll vertrackte Synkopen funkig-jazzig in den Saal ballert und Oli Rubow zeigt, dass es jenseits von Dreiviertel- und Viervierteltakt ganz viel zu entdecken gibt.
Kunstvoller "Ohrwurm"
Das zentrale Thema ist dabei so ohrwurmig, dass man dieses Stück locker als „Airplay“ kurz vor den Nachrichten im formatierten Radio laufen lassen könnte. Dazu kommen kunstvoll fragmentierte Sprachschnipsel. Ein heißes Paket Dance Music der anderen Art.
Erwartbar hält es manche im Corona-halber bestuhlten Saal nicht auf ihren Plätzen, sie stehen auf und tanzen. Das mag ihnen nach mehr als zwei Jahren Pandemie auch niemand verübeln.
Am Dienstag, 29. März 2022, werden die Bluestage mit Chris Kramer und Kai Strauss fortgesetzt. Informationen: www.bluestage.de
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