Tipps vom Profi: Was man beim Pilze sammeln beachten muss
12.10.2019, 06:00 UhrEr weiß so viel, dass es schnell kompliziert werden kann, wenn er versucht, sein Wissen in Wörter zu kleiden. Da jongliert er mit den Pilzarten in seiner Hand und gleichzeitig mit den Begriffen, den Namen der Gattungen und ihren jeweiligen Eigenheiten. Bei Raustielröhrlinge gibt es etwa 31 Arten, die alle essbar sind. Sie vereint zum einen, wie der Name schon sagt, der raue Stiel. Und dennoch: Die Kappen sind alle unterschiedlich, auch das Fleisch hat bei Oxidation, also der Verletzung des Pilzes mit Luftsauerstoff, vielerlei Farben. In seiner Linken hält er eine Rotkappe, in seiner Rechten den seltenen weißen Birkenpilz. Ein einziges Pilzbild aus einer Perspektive reiche da nicht aus. Und: Es bestehe Verwechslungsgefahr zum ungenießbaren Gallenröhrling, den müsse man von den übrigen Röhrlingen unterscheiden können.
De facto ist aber "wer in Deutschland drei Pilzarten kennt, schon überdurchschnittlich gut", erklärt Rudolf Rossmeissl. Die Sache mit den Pilzen sei zudem "sehr komplex". Seit 41 Jahren ist er nun Pilzberater, zunächst für die Naturhistorische Gesellschaft, seit 1981 auch für den Landkreis Roth. Bisher bearbeitete er rund 140 Giftnotrufe, bei denen der Pilzberater als absolute Ausnahme via Foto eine Ferndiagnose stellte. Im Normalfall ist das nicht genug, denn jeder Pilz ist anders. Es gibt zwar Merkmale, aber eben auch zig Ausnahmen und Feinheiten, die der Laie nicht erkennen kann. Im schlimmsten Fall unterscheiden diese Details den giftigen Pilz vom essbaren.
Auf Pilzbücher ist kein Verlass
Der 72-Jährige rät deshalb davon ab, auf Pilzbücher zu vertrauen, die es auf dem Markt hundertfach zu kaufen gibt. Er selbst hat zahlreiche fremdsprachige und deutsche Fachbücher getestet; die Darstellung der Pilze ist fast immer mangelhaft. "Eigentlich bräuchte jeder Pilz Fotos aus den unterschiedlichsten Perspektiven", erklärt er. Die gäbe es aber in sehr wenigen Fachbüchern, die er kennt. Auch Pilz-Apps, wie es sie neuerdings gibt, seien mit Vorsicht zu genießen.
Prinzipiell, so Rossmeissl, könne jeder mit dem Sammeln von Röhrlingen einsteigen. Lediglich Röhrlinge mit rotem Stiel und roten Röhren sowie der Gallenröhrling sollte gemieden werden. Letzteren erkennt man an einem dunklen Netz am Pilzstiel und einer Röhrenschicht, die anfangs weiß, dann rosa und an Druckstellen braun wird.
Geteilte Körbe sind wichtig
Der Pilzberater empfiehlt dringend, mit einem geteilten Korb oder zwei Körben loszuziehen: Was man nicht kennt, sollte man auf keinen Fall mit dem Bekannten mischen. Die unbekannten Arten könne man dann in die Pilzberatungsstelle mitbringen.
Zur Praxis des Pilzesammelns kursieren zahlreiche Mythen. Viele meinen etwa, man müsse einen Pilz unten abschneiden, anstatt ihn herauszudrehen. Das ist aber gar nicht nötig: "Man dreht einfach den Fruchtkörper sauber heraus", erklärt Rossmeissl. Das darunterliegende Myzel, also der eigentliche Pilz, wird dadurch nicht beschädigt und kann wieder nachwachsen.
Eine Saison gibt es nicht
Ein weiterer Mythos ist, dass bis zum Ende des Oktobers "Pilzsaison" ist. "Eine solche Zeit gibt es nicht", sagt der Pilzberater. Sind die Bedingungen günstig, dann sprießen die Pilzkörper – unabhängig von der Jahreszeit. In diesem Jahr wurden die ersten fleißigen Sammler schon im Mai mit Steinpilzen belohnt, die meisten Pilze gab‘s heuer im August. Insgesamt 100 Pilzberatungen hatte Rudolf Rossmeissl da allein in einem Monat – auf das ganze Jahr gerechnet waren es bisher 130.
2019 - ein schlechtes Pilzjahr
Generell sei 2019 aber ein schlechtes Jahr für Pilzsammler gewesen. Wer aktuell in den Wald bei Pfaffenhofen geht, wird Mühe haben, viel zu finden, so der Pilzberater. Aktuell ist es viel zu trocken für gutes Pilzwachstum – auch eine Woche Regen könne das nicht so schnell ausgleichen.
Ein weiteres Problem sind Spätfolgen des Sturms am 18. August: Denn die fruchtbarsten Waldstücke sind aktuell nicht zugänglich. Bei Pruppach und Meckenlohe laufen die Forstarbeiten, umgestürzte und angelehnte Bäume, die unter Spannung stehen, durchziehen dort jeden Waldabschnitt. "Da reinzugehen, ist lebensgefährlich", warnt Rossmeissl.
"Gute" und "schlechte" Wälder
Generell seien Mischwälder aber ideal für das Wachstum von Pilzen. Eine einfache Moosschicht oder Wälder mit leichtem Nadel- und Laubbelag, aber auch Wiesen und Weiden schaffen beste Voraussetzungen für eine große Artenvielfalt. Viel Heidekraut, Heidelbeeren und Gestrüpp seien hingegen hinderlich.
Einen letzten Tipp hat Rossmeissl noch an alle Hobby- und leidenschaftlichen Pilzsammler: Ein kleines, scharfes Messer. Damit säubert er stets alle Pilze, noch bevor sie im Korb landen. Warum das so wichtig ist? Sonst nimmt man Erde, Wurzeln und Dreck mit nach Hause.
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