Währungspolitische Trümmerlandschaft gerade noch verhindert

10.11.2010, 22:59 Uhr
Währungspolitische Trümmerlandschaft gerade noch verhindert

© Gsänger

Der eloquente Redner, charmante Plauderer und finanzpolitisch versierte promovierte Jurist, der zudem an diesem Abend Namenstag hatte, referierte zum Thema „Der Euro und die Finanzmärkte in Europa — Herausforderungen für das nächste Jahrzehnt“. Den Sparkassen-Vorständen Matthias Nester, Rita Smischek und Hans Jürgen Rohmer bereitete der Auftritt des Finanzexperten Waigel zunächst großes Kopfzerbrechen. Angesichts des Besucherandrangs galt es zu entscheiden, entweder die Besucherzahl zu reglementieren oder das S-

Gespräch erstmals als Stehempfang durchzuführen. Schließlich wurde auf eine Bestuhlung im Saal verzichtet und die gut 500 Gäste bewiesen eineinhalb Stunden lang bestes Stehvermögen, was scheinbar auch an der Kurzweiligkeit des Vortrags lag, wie der lange Beifall am Ende der Rede gedeutet werden kann.

Eine Währung lebt vom Vertrauen, sagte Waigel, und leitete zur jüngsten Banken- und Finanzkrise über. Und dieses Vertrauen habe zuletzt bei den Banken untereinander gefehlt. Sogar eine „Kernschmelze“ der Finanzsysteme drohte. „Wir standen damals Zentimeter vor dem Abgrund“, ließ Waigel tief blicken. Damals hätten die Staaten viel Geld in die Hände nehmen müssen, um einen Zusammenbruch der Finanzmärkte zu vermeiden. Nun müsse es darum gehen, die Gelder wieder einzusammeln und die Haushalte zu konsolidieren. Der Politik in Europa und auch der der Großen Koalition bescheinigte er bei der Bewältigung der Krise eine beachtliche Leistung.

Dass sich Deutschland zur „Konjunkturlokomotive Europas“ (Zitat Hans Jürgen Rohmer) entwickelt hat, liegt für Waigel auch in der Wirtschaftspolitik begründet. Die Einführung des Euro bezeichnete er dabei als Riesenerfolg.

In Deutschland hätten seiner Meinung nach auch die Skeptiker in der Wirtschafts- und Finanzbranche zwischenzeitlich gemerkt, dass der deutsche Aufschwung nicht zuletzt der gemeinsamen europäischen Währung geschuldet sei. Nach Einführung des Euro seien jedoch zunächst die Hochzinsländer Profiteure dieser Euro-Rendite gewesen. Sie konnten ihre hohen Schulden mit niedrigen Zinsen bedienen. Einige Länder, beispielsweise Italien, hätten diese zum Teil für die Konsolidierung benutzt. Andere hätten diesen Gewinn für den Konsum und den öffentlichen Dienst verschwendet. In den vergangenen Jahren jedoch hätte Deutschland durch die reale Abwertung am meisten profitiert. Niedrige Inflation, hohe Arbeitsproduktivität, verantwortungsvolle Tarifabschlüsse der Gewerkschaften, Flexibilität auf den Arbeitsmärkten und die Restrukturierung der Betriebe hätten der deutschen Wirtschaft Wettbewerbsvorteile verschafft.

Der Stabilitätspakt, den er damals als Finanzminister in Europa durchgesetzt hat, habe „das Prinzip der Nachhaltigkeit“ in die Finanzpolitik gebracht. Die Euro-Länder seien sich der Verantwortung hinsichtlich der Drei-Prozent-Vorgabe bewusst. Deshalb habe die Konsolidierung der Staatsfinanzen höchste Priorität, sagte Waigel und meinte dabei vorrangig Griechenland. Der Euro sei bei Staatskrisen nicht das Problem. Eine Stabilitätskrise werde von Ländern wie Griechenland hervorgerufen, die hochverschuldet seien und jetzt endlich ihre Haushalte sanieren müssten.

Sollte ein Staat künftig die Vorgaben nicht erfüllen, müsste härter durchgegriffen und mit dem Entzug von EU-Mitteln gedroht werden. Der Entzug der Gelder sei die wirksamste Methode, um Druck auf die betreffenden Regierungen auszuüben, die die Kriterien nicht einhalten, wurde Waigel deutlich.

Konsolidierung bedeutet für Deutschland auch, dass an der Rente mit 67 („Dazu gibt es keine Alternative“) festgehalten werden müsse. Ansonsten sei der Erhalt der sozialen Sicherungssysteme in Gefahr.

Geärgert habe er sich, dass Deutschland schon viermal den Stabilitätspakt verletzt hat, um sich dann mit Frankreich zu verständigen und den Pakt einfach im eigenen Sinne zu verändern. Dies sei ein schlechtes Signal gewesen nach dem Motto: „Wenn die großen Länder ein Problem haben, wird der Vertrag passend gemacht. Wenn die kleinen Länder gegen den Pakt verstoßen, werden sie gesteinigt“.

Ohne den Euro, davon ist Waigel überzeugt, wäre Europa mit seinen einst 25 bis 30 verschiedenen Währungen und täglichen Wechselkursschwankungen in Zeiten der Banken- und Finanzkrise eine währungspolitische Trümmerlandschaft geworden.

„Eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik schafft nicht nur Solidarität untereinander, sondern trägt auch zur Friedenssicherung in Europa bei“, schloss Waigel.