Wandel während Corona: "Längst nicht mehr nur Muckibuden"

3.6.2021, 13:27 Uhr
Wandel während Corona:

© Foto: Yevheniia Frömter

Ein Großteil der Angebote kann im Prinzip wieder voll in Anspruch genommen werden. Einschränkungen gibt es dennoch, und die Branche geht nach einem monatelangen Dornröschenschlaf zum Teil stark gebeutelt wieder ans Werk. Durch Corona kamen die Studiobetreiber auf viele Ideen, um zu überleben und gleichzeitig für ihre Mitglieder zu sorgen.

"Wir sind längst keine reine Muckibude mehr", erklärt Studioleiter Alessandro Russo vom Fitnesspoint Schwabach. Vielmehr hätten sich Fitnessstudios hin zu vollwertigen Gesundheitseinrichtungen entwickelt. "Für jeden haben wir die passende Lösung parat – und das für junge und ältere Menschen." Es gebe kein Medikament, das einem so viele Vorteile ohne Nebenwirkungen biete, wie Krafttraining, ist sich Russo sicher.

Die Wiedereröffnung sei jedenfalls "super" verlaufen. "Die Leute sind einfach froh, wieder ein Stück Normalität genießen zu dürfen." Gerade die letzten Monate hätten gezeigt, wie wichtig körperliche Aktivität und eine ausgewogene Ernährung seien. Der Andrang in der ersten Woche sei mehr als deutlich sichtbar gewesen. "Selbstverständlich hat die ganze Fitnessbranche unter der Situation gelitten, aber in jeder Krise lässt sich auch eine Chance finden, wenn man eben möchte."

In "Richtung Digitalisierung" habe Russo zusammen mit seinem Team deshalb vieles auf die Beine gestellt. Allen voran stünde eine neue "Studio-App", die so manchen Vorteil für die Mitglieder brächte. Zudem lobt Russo die gegenseitige Unterstützung mit der lokalen Gastronomie. Im Rahmen der Aktion "Wer bestellt, ist ein Held" seien nicht nur Trainingsgutscheine verteilt worden. "Wir haben positives Feedback erfahren, gerade die ältere Generation ist mehr als erleichtert, wieder kommen zu dürfen."

"Die Regeln stören kaum"

Selbstverständlich sei die Auslastung nicht mehr die gleiche, wie vor der Pandemie und auch die Testpflicht sei weiterhin ein gewisses Hindernis. Aber: "Die Regeln im Studio selbst stören den Großteil kaum - viel wichtiger ist es, dass ein Training überhaupt wieder möglich ist. Eine durch Corona erwirkte Lektion sei, dass ein "Home-Workout" nicht mit einem Krafttraining unter Betreuung professioneller Trainer zu vergleichen sei.

Wandel während Corona:

© Foto: Yevheniia Frömter

"Die Wiedereröffnung unserer Cafemtra Frauenstudios verlief aufgrund der Anmeldepflicht zum Gerätetraining geordnet und ruhig. Alle Mitglieder wurden vorab persönlich angesprochen und über die gesetzlichen Voraussetzungen informiert. Somit waren alle vorbereitet und hatten ihre Impf- oder Testnachweise dabei", fassen Andrea und Eric Juergensen aus Roth zusammen. "Als Vertreter der kleineren Trainingsanlagen mit Schwerpunkt Beratung und Betreuung haben wir schon im Frühjahr 2020 die nun geltenden Vorgaben realisiert."

Dies sei bei den Kundinnen sehr gut angekommen: "Unsere Damen legen großen Wert auf coronakonforme Bedingungen." Dennoch würden entgangene Neuanmeldungen aktuell "schmerzen". Auch zahlreiche Kündigungen mussten hingenommen werden. Klagen wollen die beiden allerdings nicht: "Durch unsere mobile Sportlerküche konnte eine gefüllte Interessentenliste generiert werden."

Zunächst sogar Mitgliederwachstum

Die ersten Neuanmeldungen wurden bereits registriert. "Somit sind wir schon nach einigen Tagen auf einem guten Weg den Mitgliederschwund auszugleichen." 2020 habe das Studio in Roth sogar ein deutliches Mitgliederwachstum verzeichnen dürfen – zumindest bis zur zweiten Schließung.

Die Anfragen auf begleitende Ernährungsberatung habe darüber hinaus so stark angezogen, dass viele Beratungen nur noch online stattfinden werden können: "Das spart für beide Seiten Zeit und ist effektiv." Den Lockdown sahen Andrea und Eric Juergensen ebenso als Chance an: "Diese Zeit wurde intensiv genutzt." Insgesamt drei Bücher zum Thema "Abnehmen" wurden geschrieben und verlegt. Auch eine eigene App und verschiedene "Webinare" konnten entwickelt werden.


Verständnis in den Fitnessstudios ist aufgebraucht


"Erstaunlich und überraschend war für uns der bundesweite Erfolg der online geführten Ernährungsseminare. Für uns als Betreiber der Fitnessstudios und Ernährungsberatung waren die Monate der Schließung dennoch eine gewaltige Herausforderung. Wir erwarten, dass die neuen und ergänzenden Angebote unser Geschäft weiter stabilisieren und dass wir unsere führende Stellung im Bereich FemSports ausbauen können."

Das Immunsystem stärken

Die Juergensens sind davon überzeugt, dass der Fitnessbereich eher als Teil der Lösung - und nicht als Problem - verstanden wird. "Wir produzieren Gesundheit und gerade in Zeiten der Pandemie helfen wir dem Mitglied, das Immunsystem und die körperliche Abwehr entscheidend zu stärken." Beide blicken positiv und optimistisch nach vorne: "Trotzdem bleiben wir aufmerksam."

Über die Kundenfrequenz in der vergangenen Woche zeigt sich René Wischer vom Rother Sport- und Gesundheitspark Well.Come "recht zufrieden". Immerhin habe ihm Corona eine Mitgliedereinbuße von nahezu 25 Prozent gekostet – von den laufenden Kosten ganz zu schweigen. Den Kopf in den Sand stecken wollte er jedoch zu keinem Zeitpunkt. Im Gegenteil: "Wir haben den Laden komplett umgekrempelt, neue Geräte angeschafft und den Kraftraum deutlich vergrößert." Die Investitionen schulterte Wischer aus privater Tasche.


Lieblingsstrecke zum Laufen: Spannung am Heidenberg


Von diesen Arbeiten seien die Mitglieder aber völlig aus dem Häuschen. "Es freut mich, endlich wieder lächelnde Gesichter zu sehen." Die Bindung zu seinen Kunden hielt Wischer trotz Corona aufrecht. "Bereits zu Beginn des ersten Lockdowns haben wir ohne lange zu überlegen mit einem Online-Training losgelegt." Darüber hinaus organisierte er Rad- und Laufgruppen: "Eben alles, was erlaubt war."

Gesundheitliche Schicksale

Bedauerlich sei jedoch, dass er mit "zahlreichen Schicksalen" konfrontiert werden musste: "Einige Mitglieder haben letztendlich doch künstliche Gelenke bekommen – das hätte mit einem ordentlichen Training vermieden werden können." Momentan mache ihm auch das Wetter zu schaffen: "Die vergangenen sieben Monate waren von Kälte und Regen geprägt." Hätte er dies ausnützen können, wäre sein "Business-Plan" mehr als aufgegangen. Nun stünde der Sommer bevor: "Ich rechne mit weiteren saisonbedingten Kündigungen." Mit speziellen Angeboten müsse Wischer nun entgegensteuern.

Allgemein betrachtet sei er seit Beginn der Pandemie vier Jahre zurückgeworfen worden. Ängste vor einer weiteren Komplettschließung zeige er mittlerweile nicht mehr: "Es wurde ein Plan B entwickelt." In wenigen Tagen will Wischer sein Angebot als medizinischer Anbieter erweitern. Erst kürzlich habe er eine entsprechende Ausbildung abgeschlossen. "Dieser Weg ist eine Möglichkeit, weiterhin Sport anzubieten, sollte es erneut zu Schließungen kommen."