Was ist dran an den Eisheiligen?

10.5.2017, 15:29 Uhr
Was ist dran an den Eisheiligen?

© Stefan Bergauer

Mitarbeiter des Hilpoltsteiner Bauhofes haben am Dienstag die Blumenkästen an der Fassade des Rathauses angebracht. Offensichtlich geben sie nicht viel auf die Bauernregel "Pflanze nie vor der kalten Sophie". Denn zwischen dem 12. und dem 15. Mai wüten demnach die Eisheiligen, Nachtfröste setzen Sprösslingen, Knospen und Blüten zu.

In der Nacht zum Mittwoch waren Tiefstwerte von null Grad vorhergesagt, nach wärmeren Tagen zuvor war es nochmal empfindlich kälter geworden. Das würde in etwa passen. Zu den Eisheiligen strömt kalte Luft von Norden nach Süden — deshalb sind es im Norden nur drei Eisheilige, Mammertus (am 11. Mai), Pankratius und Servatius. Bis die kalte Luft bei uns angekommen ist, fällt Mammertus aus der Liste, dafür schließen sich Bonifatius und die kalte Sophie an.

Die frostempfindlichen Vegetationsperioden haben sich allerdings im Kalender nach vorne verschoben, weiß der Deutsche Wetterdienst. Deshalb spielen die Eisheiligen nicht mehr eine so große Rolle wie früher.

Klaus  Sinke  baut  in Weinsfeld auf einem Hektar nach den Bioland-Richtlinien Gemüse an. Wie alle Landwirte ist er auf das Wetter angewiesen. Wetter- und Bauernregeln spielen in seiner täglichen Arbeit jedoch keine Rolle — viel zu ungenau. Das erledigt der Agrarwetterbericht. "Ganz konventionell", sagt der Bio-Gärtner lächelnd. "Steckst Kartoffeln im April, komm i wann i will. Steckst Kartoffeln im Mai, komm i glei", hielt sein Schwiegervater Sinke aus Sicht einer Kartoffel vor, als dieser Frühkartoffeln steckte. Sie wurden trotzdem was.

"Ich kann deutlich früher pflanzen", sagt Sinke, auf die Eisheiligen angesprochen. Das liege zum einen am Klimawandel. In Deutschland hat die Durchschnittstemperatur seit 1881 um 1,4 Grad zugenommen, im Rest der Welt um ein knappes Grad. Sinke kennt Kollegen, die schon Feigen und Melonen anpflanzen, er selbst hat heuer erstmals Süßkartoffeln ausgebracht, die sonst aus Südamerika oder Spanien kommen. Ein bis zwei Wochen  sei die Vegetation früher dran als sonst, meint Sinke.

"Das ist jetzt ein Vorteil." Einer, dem Sinke mit gemischten Gefühlen begegnet. Denn die Klimaerwärmung ist nicht zu begrüßen, zudem werde es in Mittelfranken und Nordbayern immer trockener. Ein Kollege habe einen tiefen Brunnen, die Quelle sei heuer erstmals versiegt. Für hitze- und dürreempfindliche Pflanzen mag Sinke kein Urteil abgeben, die Tendenz sei aber, dass es eher schwieriger werde, sie anzubauen.

Ein weiterer Grund für die frühere Pflanzzeit: Es gibt  neue, widerstandsfähigere Sorten und technische Möglichkeiten. Mit Beregnungsanlagen kann er einen Eisschild über die Pflanzen legen, der die Kälte abhält. In Sinkes Gewächshäusern wachsen Gurken, Tomaten und Erdbeeren, auf dem Feld ist Salat oder Spinat, reif für die Ernte und den Verkauf im Hofladen oder auf Wochenmärkten. "Salat hab ich schon am 10. März gesetzt", sagt er. Da durfte es halt nicht kalt sein. Ein bisschen Risiko ist schon dabei. Viele Jahre ist es gutgegangen, heuer erforen die Zucchini unterm Vlies, die ersten Blüten der Erdbeeren sind in der Mitte schwarz geworden — auch sie hat der Frost erwischt. "Bis Johanni nicht vergessen, sieben Wochen Spargel essen." Sinke würde das Gemüse lieber zu dessen "richtiger" Zeit anbieten. Aber Werbung und ausländische Konkurrenz weckten bei den Kunden früh die Lust auf Spargel oder  Erdbeeren. Bei einigen Sorten winkt der 53-Jährige ab, bei anderen muss er mitmachen, entweder durch Zukäufe oder über  Technik — zehn Prozent seiner Fläche ist überdacht —,  Fachwissen und 30 Jahre Erfahrung.

Falsch wegen Kalenderrefrom

Das alles  können die Bauernregeln, die meist an ein festes Datum gebunden sind, nicht abbilden. Zudem liegen die Stichtage   wegen der Kalenderreform falsch (siehe Kasten links). Trotzdem: "Das mit den Eisheiligen klappt erstaunlicherweise ganz gut", sagt Sinke. Doch mittlerweile ist "Vor der kalten Sophie nie", lacht der Gärtner, "eben überholt". Auch mit den neuen Bauernregeln, mit denen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks vor einigen Monaten die konventionelle Landwirtschaft angriff, kann er nichts anfangen. Das sei "bissl unglücklich" gewesen. "Konfrontation ist nicht der richtige Weg." Vielmehr ein vernünftiger Austausch.

Aber an "Morgenrot Schlechtwetter droht, Abendrot Schönwetterbot’" sei was dran. Zumindest wenn das Wetter aus Westen kommt — dann leuchtet die Sonne die kommenden Wolken an. Auch an "Mairegen bringt Segen" hat Sinke nichts auszusetzen.

Der Deutsche Wetterdienst kennt weitere Bauernregeln, die oft zutreffen. Zum Beispiel "Wenn an/nach Martini Nebel sind, wird der Winter meist gelind." Wenn die Folgetage vom 19. bis 23. November ebenfalls feucht-trüb seien, liege die Wahrscheinlichkeit bei 75 Prozent — deutlich besser als ein Münzwurf.

Martini (11. November) ist damit ein sogenannter Lostag, an dem das Wetter für die kommenden Wochen ablesbar sein soll. Insgesamt sind es 84, allein die Zahl lässt einen skeptisch werden. Hinzu kommen lokale: "Wenn’s am Kellerfest regnet, ist es am Burgfest schön", kennen viele Hilpoltsteiner, ein ähnlicher Zusammenhang wird mit dem Heidecker Heimatfest überliefert.

Siebenschläfer am 27. Juni ist ein weiterer Lostag. "Ist der Siebenschläfer nass, regnet’s ohne Unterlass" — an dem Tag werden demnach die Weichen für einen Freibadsommer gestellt. "Ich bin da eher skeptisch", sagt Sinke. "Meine Frau sagt, dass sie das aber beobachtet hat." Der Deutsche Wetterdienst gibt ihr  Recht. Sofern man nicht das Wetter am  27. Juni, sondern das Ende Juli/Anfang Juli betrachtet: Dann gelte in Süddeutschland eine Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent. Für die Schafskälte (10. bis 12. Juni) errechnen die Meteorologen sogar eine 80-Prozent-Wahrscheinlichkeit für niedrigere Temperaturen.

Für  Bauernregeln gilt daher: Genaue Wettervorhersagen liefern sie nicht. Sie können jedoch Tendenzen anzeigen, vor allem wenn man sich vom Stichtag löst. Damit sind die Eisheiligen vor allem als Warnung zu verstehen: Es kann im Mai noch kalt werden. Der Hilpoltsteiner Bauhof hat demnach mit den Blumenkästen alles richtig gemacht. Vielleicht haben sich die Mitarbeiter an die schönste aller Bauernregeln gehalten: "Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich‘s Wetter oder bleibt wie es ist."

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