Schlachtschüssel für eingefleischte Genießer

24.10.2010, 17:57 Uhr
Schlachtschüssel für eingefleischte Genießer

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Allein in der Frankenalb im Nürnberger Land bieten mehr als 70 Gastwirte diese typisch fränkischen Gerichte auch heute noch an. Eine Rarität ist aber mittlerweile die prall aufgeblasene Schweineblase, die früher am Schlachttag vor jedem Gasthof hing.

Vereinzelt kann man sie aber noch entdecken, so zum Beispiel in Reichenschwand, wo ein Gastwirt noch heute auf diese Art zum Mahl einlädt.

Bis allerdings Blut- und Leberwürste wie Kesselfleisch mundgerecht serviert werden können, sind allerlei Vorbereitungen nötig — so auch bei Gastwirt und Metzger Hans Schwab in Engelthal. Seit fünf Uhr morgens ist er auf den Beinen. Sein Arbeitsplatz: das Schlachthaus. Gefragt ist zunächst die hohe Kunst des Zerlegens. Fachgerecht wird das Schwein vom Metzgermeister zerteilt. Von der Schulter wird eine andere fränkische Spezialität, das Schäufele, herausgeschnitten. Und natürlich landet auch die Lende nicht in der Wurst.

Was eine gute Schlachtschüssel ausmacht? Hans Schwab muss nicht lange überlegen: „Frische, qualitativ hochwertige Zutaten, egal ob Fleisch, Kraut oder Kartoffeln — und Leidenschaft, das macht es aus.“

Im weiß gekachelten Raum ist es schwülwarm. Kein Wunder, der Kessel zum Kochen der Würste ist bereits seit dem frühen Morgen angeheizt. Im Sud brodelt zunächst der Schweinekopf über dem Feuer aus Holzscheiten.

Nach gut zwei Stunden ist das Kopffleisch weich, aus dem Sud entsteht die Metzelsuppe. Die kräftige Brühe lassen sich seine Gäste, darunter viele Handwerker, gerne mit Schwärtla (Bauchspeck) ab neun Uhr schmecken. Auf Kalorien achtet bei diesem Frühstück niemand.

Während die ersten Gäste ihre Metzelsuppe genießen, wird bereits der zweite Teil des Schmauses zubereitet.

Im Schlachthaus duftet es mittlerweile nach Majoran, Speck und Kraut, mit denen Blut- und Leberwürste verfeinert werden. Die genauen Würzmischungen sind ein Betriebsgeheimnis, versteht sich. Die Würste landen ebenfalls im Sudkessel und dann ab elf Uhr — traditionell serviert mit Kartoffeln und Sauerkraut — auf den Tellern der Gourmets. Doch nicht nur bei Einheimischen findet die rustikale Schlachtschüssel Anklang, weiß Hans Schwab zu berichten.

Zu ihm in den Landgasthof „Weißes Lamm“ nach Engelthal kommen seit vielen Jahren auch Gäste aus Norddeutschland, auch wegen dieses rustikal-kulinarischen Genusses. Wer möchte, bekommt in seine Schlachtschüssel auch Zunge, Herz, Nieren oder den Rüssel.

Wurst-Lyrik

Literarische Liebesbeweise für das schweinerne fränkische Kulturgut gab es bereits im Jahr 1814. Der deutsche Dichter Ludwig Uhland huldigte der Schlachtschüssel mit einem Metzelsuppenlied: „So säumet denn ihr Freunde nicht, die Würste zu verspeisen, und lasst zum würzigen Gericht die Becher kräftig kreisen!“

In früheren Jahren wurde dieser Tag zu einem Fest, das sich im Jahreslauf mehrmals wiederholte. Vor Erfindung der Kühltechnik musste Fleisch, das nicht gleich gegessen wurde, konserviert werden. Der Tag des Schlachtens bot somit eine seltene Gelegenheit, frisches Fleisch zu verzehren, „was die Üppigkeit der Schlachtschüssel erklärt“, so der 73-jährige Gastwirt Schwab. Obendrein boten sich die ersten kalten Tage im Herbst zum Schlachten an: Das Fleisch konnte leicht gekühlt werden — und der Bauer musste die Sau nicht über den Winter füttern. Heute ist alles einfacher: Da nehmen die Gäste die Wurstdosen mit nach Hause.

Zum Probieren ist jeder selbst eingeladen — überall in Franken und der Oberpfalz, der „Schlachtschüsselregion Deutschlands“. Für diejenigen, die aufgrund des üppigen Schlemmens um ihre Figur fürchten, gibt es in Röslau im Fichtelgebirge die sportliche Lösung. Alle zwölf Monate gilt dort beim Schlachtschüssel-Lauf die Devise: Schlemmen und Trimmen.

Einen Schlachtschüsselführer bietet beispielsweise die Tourist-Information Frankenalb unter www.frankenalb.de.

Mehr Informationen in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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