„Das ist eine ganz außergewöhnliche Geste“
23.2.2012, 08:10 UhrNachum Wissmanns Urgroßvater Loeb Wissmann war von 1858 bis 1901 Rabbiner in Schwabach. „Ich empfinde das als ganz außergewöhnliche Geste, die mich innerlich bewegt hat“, sagt der frühere Oberbürgermeister Hartwig Reimann, der Vorsitzende des Schwabacher Vereins „Synagogengasse 6“.
Die Gebotstafel wurde unter dem mittleren Fenster an der Ostseite der ehemaligen Synagoge angebracht, also in Richtung auf die heilige Stadt Jerusalem. An genau dieser Stelle war auch die ursprüngliche Gebotstafel gehangen, bis sich Schwabachs jüdische Gemeinde 1938 auflöste und die Synagoge am 28. Mai 1938 an die Brauerei Weller verkaufte. Weil das Gebäude damit keine Synagoge mehr war, wurde es bei der Pogromnacht am 9. November 1938 nicht zerstört.
Inschrift im Stadtmuseum
Das Ehepaar Wissmann hat dem Synagogenverein aber überraschenderweise sogar noch ein zweites Geschenk gemacht: Ein Holztafel mit der ebenfalls in Hebräisch geschriebenen Mahnung: „Gedenke, vor wem Du stehst“. Eine solche Tafel hatte sich ursprünglich zwischen der Gebotstafel und dem großen Thoraschrein befunden, dem wichtigsten sakralen Gegenstand einer Synagoge. Diese Inschrift aber wird nicht in der Alten Synagoge angebracht, sondern im Stadtmuseum ausgestellt.
Diese Zweiteilung des Geschenks ist der Kompromiss nach einer längeren, teils sehr kontroversen Diskussion. Denn diese Geschenke haben unterschiedliche Reaktionen ausgelöst.
„Wir haben uns gefreut, weil es ein Erinnerungszeichen für die Synagoge ist“, sagt Hartwig Reimann bei der offiziellen Vorstellung der Gebetstafeln. „Es zeigt, wie sehr die Nachfahren der Schwabacher Juden noch an ihren Wurzeln hängen. Trotz all der Opfer und des Leids.“
Zwar wurde wegen der Auflösung der Gemeinde kein Jude von Schwabach direkt in die Konzentrationslager deportiert. „Aber die meisten der Schwabacher Juden haben den Holocaust nicht überlebt“, erklärt Reimann.
Tod in Theresienstadt
Stadtarchivar Wolfgang Dippert hat versucht, die Einzelschicksale zu klären und schon vor einigen Jahren seine Forschungsergebnisse in einem kleinen Buch veröffentlicht. Danach fiel mindestens ein Mitglied der Familie Wissmann den Nazis zum Opfer. Ester Wissmann wurde am 10. September 1942 von Nürnberg aus ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und ist dort bereits nach wenigen Wochen am 17. November 1942 umgekommen.
Noch in Schwabach verstorbene Juden sind auf dem jüdischen Friedhof in Georgensgmünd begraben. Eine Gruppe von Nachfahren aus Israel und den USA hatte 2010 Schwabach und Georgensgmünd besucht. Damals ist auch die Idee zu dem Geschenk entstanden. „Die jüdischen Gäste hatten sich gefreut, dass die Synagoge zumindest noch Alte Synagoge heißt“, berichtet Reimann. „Aber sie haben berichtet, dass viel zu wenig daran erinnert, was es mit diesem Haus auf sich hatte. Dieser Meinung waren wir auch.“
Niemand weiß, was aus den sakralen Gegenständen der Schwabacher Synagoge geworden ist. „Bekannt ist uns nur ein Kidusch-Becher, ein Segensbecher, in einem Museum in Jerusalem“, sagt Pfarrer Gottfried Renner vom Synagogenverein.
Für den Verein war es deshalb selbstverständlich, das Geschenk anzunehmen und die Gebotstafeln auch aufzuhängen. „Es gab auch einen klaren Beschluss der Mitgliederversammlung. Den haben wir nun umgesetzt“, betont Rechtsanwalt Albrecht Schuhmann vom Vorstand.
Kritische Stimmen
Doch daran gab es zunächst auch Kritik. Zum einen gab es Bedenken der Volkshochschule. Das hat eine gewisse Bedeutung, weil die Stadt die Hauptmieterin ist. Alleine könnte der Verein die Alte Synagoge gar nicht erhalten. „Die Befürchtung der VHS war, dass sich Kursteilnehmer durch die Gebotstafeln religiös bedrängt fühlen könnten“, berichtet Reimann, der dieses Argument aber nicht nachvollziehen kann. „Denn die Zehn Gebote sind ja doch so etwas wie das Grundgesetz des menschlichen Anstands, also universelles Menschheitsgut.“
Doch auch das Jüdischen Museum Franken, bei dem die Stadt Schwabach Mitglied ist, sieht das Geschenk kritisch. Hier will man klar machen, dass eine heutige Bildungsstätte eben keine Synagoge mehr ist. „Wir wurden sehr deutlich ermahnt, streng auf den nur säkularen Charakter zu achten und jedwede religiöse Symbolik zu vermeiden“, berichtet Reimann.
Einvernehmliche Lösung
Es sei nicht ganz einfach gewesen. solche Bedenken gegenüber den Spendern in Israel zu erklären, ergänzt der frühere OB. „Wir vom Verein haben eine einvernehmliche Lösung gesucht.“ Und schließlich auch gefunden. „Der Kompromiss wird akzeptiert.“
Zumal sich die Gebotstafel gestalterisch gut einfüge und den Raum keineswegs wie befürchtet dominiere, sagt Architekt Jürgen Lemke, ebenfalls im Vorstand des Synagogenvereins. Die Mahnung „Bedenke, vor wem Du stehst“ soll im Stadtmuseum auf die Alte Synagoge hinweisen und an die Geschichte der Juden in Schwabach erinnern, erklärt Museumsleiter Jürgen Söllner. „Wir werden sicher einen würdigen Platz finden.“
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