Demenz vorbeugen: Schwabacher wagten Selbstversuch
6.2.2016, 09:09 Uhr„Die Prävention von Demenzerkrankungen, das ist ein sehr großes Feld“, erklärt Anna Streber, Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei „GESTALT-kompakt“. Ziel der Studie des „Instituts für Sportwissenschaft und Sport“ der Uni Erlangen-Nürnberg ist es, GEhen, Spielen und Tanzen Als Lebenslange Tätigkeit in den Alltag von Senioren zu integrieren.
„Demenz hat viele Faktoren, mangelnde Bewegung ist einer davon. Und zwar einer, den man selbst beeinflussen kann. Dann sollte man das auch tun“, rät Anna Streber.
Die Schwabacher Gruppe ist eine von fünf im Raum Nürnberg mit insgesamt 85 Teilnehmern zwischen 60 und 80 Jahren. Ein Jahr lang haben sie den Feldversuch gewagt. Ausgestattet mit Schrittzählern und einem Aktivitäten-Tagebuch, sollten die Ü60-Probanden zu mehr Bewegung motiviert werden.
Die 17 Schwabacher Seniorinnen und Senioren haben gemeinsam mit Betreuerin und Sportlehrerin Ingrid Ittner-Wolkersdorfer ein rundum zufriedenstellendes Ergebnis erreicht. „Keiner muss sich Sorgen machen“, beruhigt Streber beim Verteilen der Auswertungsbögen im Evangelischen Haus.
Im Vergleich zu den anderen Gruppe kann sich die Schwabacher Runde über sehr gute Werte freuen, zum Beispiel in der Kategorie Gedächtnistest. Einige waren sogar richtig überrascht. „Ich bin ja fitter als ich dachte“, freute sich eine Teilnehmerin.
Die „Lokale Allianz für Menschen mit Demenz“ vermittelte den Kontakt zwischen Ingrid Ittner-Wolkersdorfer und der Uni Erlangen. Nachdem man im Evangelischen Bildungswerk einen Träger gefunden hatte, folgten die 17 Senioren einem Aufruf zur Teilnahmen an diesem Selbstversuch.
„Das Projekt will vor allem einen Impuls zu mehr Aktivität geben, aber auch die soziale Komponente spielt eine Rolle“, so die Sportlehrerin. Die hätten die Schwabacher vorbildlich umgesetzt. Die Senioren seien zu einer kleinen Gemeinschaft zusammengewachsen. Auch über die Testphase hinaus hat die Studie motiviert, wieder vermehrt soziale Kontakte zu pflegen: „Sonst bin ich mit meinem Mann abends auf dem Sofa gesessen“, gibt Brigitte Katzenberger-Müller zu, „aber jetzt rufen wir öfter mal wieder Freunde an“.
Mehr Bewegen, das war für viele der ausschlaggebende Grund, an der Studie teilzunehmen. So haben die Teilnehmer verschiedene Sportarten kennengelernt. Von langen Spaziergängen über Tischtennis bis hin zum Kegeln – alles hat die Gruppe gemeinsam ausprobiert. Für andere stand die Demenz-Prophylaxe im Vordergrund, vor allem wenn Angehörige von der Krankheit betroffen sind.
„Etwas tun, was Spaß macht“
Die Treffen waren niemandem lästig, im Gegenteil: „Die Gruppe trifft sich weiter einmal im Monat, weil wir uns alle so sympathisch finden“, sagt Harro Witt. Gemeinsamkeit macht stark — auch und gerade im Kampf mit dem berüchtigten „inneren Schweinehund“. So schwer sei es aber gar nicht, diesem Schweinehund zu trotzen. „Man muss nur etwas finden, das einem Spaß macht“, lautet das Geheimrezept von Anna Streber.
Aktiv sein ohne Druck
Zudem ist es einfacher, wenn Menschen im gleichen Alter gemeinsam Sport treiben. Da werde man einfach so genommen, wie man ist und müsse nicht versuchen, den Jüngeren hinterherzukommen. „In der Gruppe habe ich die Erfahrung gemacht, dass man, als jemand der selbst krank ist, noch aktiv sein kann. Wenn jemand nicht schneller kann, dann wird eben langsamer gemacht. Für mich ist es nicht das Ziel, mich zu verbessern, sondern das Niveau zu halten“, berichtet Harro Witt. Wöchentliches Walken, Tanzen und Gymnastik – viele Teilnehmer betreiben jetzt regelmäßig Sport.
Aber hat sich die Bewegung in den Alltag eingeschlichen? Dass die Probanden Sport in das tägliche Leben integriert haben, zeigt schon allein die Auswertung der Schrittzählers. Zu Beginn des Projekts lag der Durchschnitt bei etwa 6700 Schritten. Mittlerweile kommen die Schwabacher Teilnehmer auf fast tausend Schritte mehr pro Tag: auf 7654. Dazu muss man nicht immer Sport machen. „Es reicht auch, bei kleineren Wegen das Auto mal stehen zu lassen und nach dem Essen einen Spaziergang einzuplanen“, berichtet Katzenberger-Müller. „Oder nicht gemütlich mit dem Aufzug in die erste Etage fahren, sondern die Treppe wählen.“
Dann sei es auch in Ordnung, ab und zu alle fünf gerade sein zu lassen. „Am Samstag hatte ich zwei Optionen: Eine große Wanderung oder eine Runde Walken. Gemacht habe ich: nichts“, erzählt Carol Stark. Untätig blieb sie dennoch nicht. „Ich bin dann einfach zum Einkaufen gelaufen. Das sind 20 Minuten hin und 20 Minuten wieder zurück. Und auf dem Weg habe ich dann noch mit Bekannten geratscht.“ Man muss sich also nicht immer Druck machen.
Belohnung zum Schluss
Und ganz wichtig ist es, sich nach dem Sport zu belohnen. Deshalb ist das gemütliche Beisammensein nach den gemeinsamen Aktivitäten schon eine kleine Tradition geworden. Das nächste Ziel steht auch schon fest, blickt Dieter Berndt voraus: „Im Frühjahr geht’s zum Golfen.“
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