Fraas (CSU) gegen Reiß (SPD): Schwabachs OB-Kandidaten im Gespräch

29.3.2020, 18:31 Uhr
Fraas (CSU) gegen Reiß (SPD): Schwabachs OB-Kandidaten im Gespräch

© Foto: Günther Wilhelm

Herr Fraas, Herr Reiß, die Corona-Krise ist für alle eine völlig neue Herausforderung, auch für jeden Einzelnen. Wenn Sie in sich hineinhören, was empfinden Sie ganz persönlich?

Fraas: Ich gehe das mit großem Ernst an. Wir fahren das Land praktisch herunter, wir müssen aber auch an die Zeit danach denken und jetzt handeln, damit es die Firmen danach noch gibt. Gerade sitze ich in vielen Runden, in denen es darum geht, dass die nötigen Hilfen auch ankommen.

Reiß: Der Begriff Ernst trifft es sehr gut. Es ist ja zu erwarten, dass die dramatischen Auswirkungen auch zu spüren sein werden, wenn ein neuer OB ins Amt kommt. Im Moment überschlagen sich ja die Ereignisse. Die große Frage wird sein: Ausgangssperre oder nicht? Gleichzeitig muss man auch über die Zukunftsperspektive sprechen.

Fraas: Wir müssen uns auf alles einstellen. Im Moment fährt man auf Sicht. Es gibt aber auch eine Zeit nach Corona. Wir müssen dafür sorgen, dass es wieder was zum Hochfahren gibt. Deshalb gibt es ja viele Hilfen wie Liquiditätsdarlehen, Bürgschaften oder den Schutzschirm der Staatsregierung, der auch Zuschüsse gewährt, die nicht zurückgezahlt werden müssen.

Das sind Hilfen des Staates, was kann die Stadt tun?

Fraas: Der Job einer Stadtverwaltung ist jetzt der eines Kümmerers. Die großen Konzerne haben dafür eigene Abteilungen, der kleine Handwerker hat die nicht. Die rufen an und fragen, wie das konkret mit den Hilfen abläuft. Das ist jetzt Krisenmanagement.

Reiß: Die Unterstützung für die Unternehmen ist etwas ganz Entscheidendes. Als Staat und auch als Stadt müssen wir Mut geben: Ja, da ist was möglich. Es ist einfach toll, was die Leute in den systemrelevanten Bereichen leisten, von der Pflege bis zum Supermarkt. Parallel gibt es jetzt viele, die auch mit Kurzarbeit leben müssen.

Die neue Regelung zur Kurzarbeit wurde sehr schnell verabschiedet. Es gibt aber auch die Kritik, dass wir anders als China zu spät reagiert haben. Wie sehen Sie’s?

Fraas: Hinterher ist man immer schlauer, das bringt jetzt doch nichts. Wir sind nicht China. Das Beispiel Kurzarbeitergeld zeigt: Unser System funktioniert. In Krisenzeiten rücken wir zusammen, darauf können wir stolz sein. Es geht nicht ums Durchregieren. Mein Verständnis als Kommunalpolitiker ist, möglichst breiten Konsens zu suchen. Gerade in der jetzigen Situation.

Reiß: Gemeinsamkeit ist das, was wir jetzt auch in Schwabach brauchen. Das Tempo der Reaktion zu beurteilen ist ein schwieriges Feld, da sind wir auf Experten angewiesen. Hoffnung gibt, dass Deutschland deutlich bessere Voraussetzungen hat als etwa Italien.

Fraas: Zum Beispiel können wir in Schwabach froh sein, noch ein Krankenhaus zu haben. Das ist keine billige Angelegenheit, aber die Stadt sollte auf jeden Fall ihre 25 Prozent Anteile halten, ganz klar.

Reiß: Dass diese kommunale Mitsprache wichtig ist, haben wir im Stadtrat auch immer deutlich gemacht.

Wie sieht Wahlkampf in der Coronakrise noch aus?

Fraas: Eigentlich will man raus zu den Leuten und das direkte Gespräch suchen. Das fällt alles weg. Jetzt geht es online, per Mail, Telefon oder Wurfsendung. Aber der direkte Kontakt fehlt. Und man fragt sich: Interessiert das die Leute, oder haben sie nicht gerade andere Themen?

Reiß: Das Gespräch mit den Bürgern fehlt mir auch. Es ist ein Spagat: Jetzt in dieser Sondersituation sind andere Dinge wichtiger, gleichzeitig will man die Perspektiven für die nächsten sechs Jahre zeigen.

Vor der Stichwahl noch einmal auf den Punkt gebracht: Warum, Herr Fraas, soll Schwabach Michael Fraas wählen?

Fraas: Ich habe jahrelange hauptberufliche Erfahrung in der Kommunalpolitik und leite eine Verwaltung mit einigen hundert Menschen. Diese Erfahrung möchte ich mit voller Kraft für Schwabach einbringen.

Sie sind deutlich jünger und haben diese große Erfahrung deshalb noch nicht, was spricht für Sie, Herr Reiß?

Reiß: Ich habe durchaus jahrelange Erfahrung. In der Kommunalpolitik als Stadtrat, in der Verwaltung, in der Stadtgesellschaft als Vereinsvorsitzender der Bürgergemeinschaft Wolkersdorf. Mir geht es um den Zusammenhalt in der Stadt und um Dinge wie bezahlbaren Wohnraum. Diese Themen kommen ja wieder.

Deshalb lassen Sie uns einen Blick darauf werfen. Wie schaffen Sie mehr bezahlbaren Wohnraum?

Reiß: Indem wir weitere städtische Projekte im geförderten Wohnungsbau umsetzen. Zudem müssen wir mit Hochdruck an der Ausweisung neuer Wohngebiete arbeiten und dabei auch kleine Grundstückszuschnitte ermöglichen, die für junge Familien bezahlbar sind.

Fraas: Geförderten Wohnungsbau braucht’s. Dafür bin ich in Nürnberg ja zuständig. Wir wollen zudem was für die Familien tun, die ihr Häuschen bauen wollen. Wichtig dabei: Die Vorschriften werden komplexer, und doch müssen wir in der Bauverwaltung schneller werden. Das liegt nicht an den Leuten dort, ich betreibe kein Verwaltungs-Bashing. Wir brauchen Entlastung durch den Einsatz digitaler Mittel, und wir benötigen mehr Personal. Das große Thema sind die Flächen: Wir wollen nicht alles zubauen, aber neue Flächen ausweisen und dort, wo sinnvoll und machbar, auch verdichten.

Reiß: Ganz konkret: Ein erster Befreiungsschlag könnte im O’Brien-Park die Fläche neben der Lebenshilfe sein. Eine Paradefläche für Wohnen der Zukunft.

Fraas: Und da stellt sich die Frage: Müssen wir dafür einen langwierigen Bebauungsplan aufstellen, oder machen wir das über Einzelgenehmigungen.

Reiß: Über dieses "örtliche Einfügen" geht sicher mehr.

Fraas: Man muss dazu aber den Mut haben und auch mal eine Klage riskieren.

Ein großes Thema bleibt der Klimaschutz und damit verbunden die Verkehrspolitik. Wo liegen die Unterschiede zwischen Ihnen?

Fraas: Ich will keine Verbote gegen das Auto, sondern attraktive Anreize zum Umsteigen schaffen: besserer ÖPNV, mehr Radwege.

Wollen Sie im Zweifel Verbote, Herr Reiß?

Reiß: Verbote will ich nicht. Pkw-Mobilität muss möglich bleiben. Wir haben aber nur begrenzt Platz und müssen die Verkehrswege neu aufteilen. ÖPNV muss eine echte Alternative werden, das heißt mehr Angebote in den Abendstunden und am Wochenende, besserer Takt. Da muss man ran.

Fraas: Es tut sich aber schon was, denken Sie an die neue Buslinie von Nürnberg über Dietersdorf.

Reiß: Mit der Stadt Nürnberg klappt vieles gut. Diese Vernetzung müssen wir in den Landkreis Roth fortführen.

Thema Wirtschaft. Herr Fraas, Sie als Wirtschaftsreferent sind in der Metropolregion vernetzt. Manche hoffen ja, dass Sie neue Firmen quasi mitbringen würden?

Fraas: Das wäre zu banal. Jetzt in der Coronakrise geht es darum, dass möglichst viele Firmen weiterarbeiten können. Aber es geht weiter nach der Krise. Die Schwerpunkte heißen HighTech, Handel, Handwerk. Ich will mich für eine Hochschuleinrichtung in Schwabach einsetzen. Sie soll ein Innovationsort sein, der der Wirtschaft vor Ort nützt.

Reiß: Eine ganz wichtige Frage ist: Wo sind Unternehmenserweiterungen möglich? Die Firmen brauchen Planungssicherheit, da muss die Stadt nah dran sein. Zudem werbe ich für einen "Handwerkerhof", eine Art "Schwung" für Handwerker.

Fraas: Wir brauchen eine umfassende Digitalstrategie, nicht nur für die Verwaltung, sondern für die gesamte Stadt. Glasfaser auch auf den letzten Metern bis zum Haus. Dafür gibt es inzwischen neue Fördermöglichkeiten, das muss das Ziel sein. Das ist unsere Infrastrukturverantwortung. Zur Not muss die Stadt selbst investieren.

Reiß: Das ist eine klassische Investition, um Schwabach für die Zukunft fit zu machen.

Noch zu einem hochemotionalen Thema: die Stromtrasse P53. Die Entscheidung liegt beim Bund. Was kann ein OB überhaupt tun?

Fraas: Zusammen mit anderen Kollegen mit der Bundesnetzagentur reden und die Grundsatzfrage stellen: Braucht es die neue Trasse wirklich? Und wenn ja, wo ist die schonendste Lösung? Das Thema ist hochkomplex. Für eine sichere Stromversorgung wird es nicht ohne Zumutungen gehen. Wir können nicht einfach sagen, wir lehnen alles ab. Auf das "Wie" kommt es an. Abstandsregelungen sollten verbindlich werden.

Reiß: Die Abstandsregelung ist ein ganz wichtiger Punkt. Jetzt fühlen sich viele Bürger ohnmächtig und bekommen auch noch die Kosten auf ihre Stromrechnung umgelegt. Der Stadtrat hat sich klar gegen beide jetzigen Trassenvarianten ausgesprochen. Wir sollten aber auch mehr in die regionale Energieversorgung einsteigen.

Täuscht der Eindruck, dass es die ganz fundamentalen Unterschiede in Sachfragen gar nicht gibt?

Fraas: Es ist doch gut, dass es auch Konsens gibt und Unterschiede manchmal nur in Nuancen liegen. Die entscheidende Frage bei der Stichwahl ist: Wem traue ich es am Ende zu?

Reiß: Darum geht’s. Es geht um Vertrauen, wer welche Themen mit welchem Nachdruck verfolgt.

Nur einer kann Oberbürgermeister werden. Sie beide sind Konkurrenten, die sich erst im Wahlkampf kennengelernt haben. Herr Reiß, gibt es etwas, was Sie an Herrn Fraas bei aller Konkurrenz auch schätzen?

Reiß: Wir haben uns vor einem Jahr bei der Autoshow zum ersten Mal gesehen. Ich habe Michael Fraas schätzen gelernt, weil er sehr fair ist. Trotz des Wettstreits der Ideen war es immer ein sehr angenehmer Umgang. Das freut mich sehr.

Und umgekehrt, Herr Fraas?

Fraas: Da stimmt die Chemie einfach. Peter Reiß ist tief in den kommunalpolitischen Themen drin und absolut sachorientiert. Er ist jemand, der sich einsetzt. Davor habe ich großen Respekt.

Dr. Michael Fraas...

...ist 51 Jahre alt, verheiratet, Vater zweier Kinder und lebt mit seiner Familie in Nürnberg-Moorenbrunn. In seiner Heimatstadt ist der Jurist seit 2011 berufsmäßiger Stadtrat und Wirtschaftsreferent. Zu seinen beruflichen Stationen gehört unter anderem auch eine fünfjährige Tätigkeit im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Berlin. Schon als Jugendlicher ist er in die Junge Union eingetreten.

Peter Reiß...

...ist 30 Jahre alt, verheiratet und vor kurzem Vater geworden. Er ist in Schwabach geboren und lebt mit seiner Familie auch hier. Als Regierungsrat bei der Regierung von Mittelfranken ist er Referent für Naturschutzrecht. Zuvor war der Anwalt bei einem Immobilienentwickler, der deutschlandweit geförderten Wohnungsbau betreibt. Seit 2014 ist er Stadtrat, seit 2017 Schwabachs SPD-Vorsitzender.