Katholische Kirche will keine lesbische Erzieherin
10.2.2018, 10:00 UhrLisa Nicklas ist Erzieherin im katholischen Kindergarten in Kleinschwarzenlohe. Sie selbst sagt, dass sie ein tolles Verhältnis zu ihren Kolleginnen, zu den Kindern, zu den Eltern habe. Eltern bestätigen diese Einschätzung. Eine "liebevolle und geschätzte Erzieherin" sei Frau Nicklas, betont eine Mutter, die ihren Namen aber lieber nicht in der Zeitung lesen will, im Gespräch mit dem Schwabacher Tagblatt. "Die Kinder sind gerne bei ihr." Es sei ungemein schade, dass eine solch gute Kraft gehen müsse.
Mit offenen Karten gespielt
Doch um fachliche Qualitäten geht es hier nicht. Lisa Nicklas konnte als Erzieherin im Kindergarten so lange problemlos arbeiten, so lange sie nur mit ihrer Lebensgefährtin Julia Felßner zusammenlebte. Das haben alle gewusst, und das war nie ein Problem. "Ich habe da immer mit offenen Karten gespielt", sagt die 31-jährige Schwabacherin, die in dieser Woche Geburtstag gefeiert hat.
Sie spielte auch mit offenen Karten, als es um die konkreten Hochzeitsplanungen ging. Doch ab diesem Zeitpunkt schritt Lisa Nicklas’ Chef ein. Der katholische Kindergarten in Kleinschwarzenlohe ist Teil des katholischen Kinderhauses (mit Hort und Krippe) und wird von der katholischen Kirchenstiftung Kornburg getragen. An der Spitze der Kirchenstiftung steht Pfarrer Franjo Skok.
Der Geistliche, der sich derzeit im Urlaub befindet, gab Lisa Nicklas höflich zu verstehen, dass er ihr zwar ein sehr gutes Arbeitszeugnis schreiben werde, dass er sie aber nicht mehr weiterbeschäftigen könne, wenn sie ihre Hochzeitspläne in die Tat umsetze. Blase sie die Hochzeit ab, könne man dagegen selbstverständlich noch einmal über die Verlängerung ihres (bisher befristeten) Vertrages reden.
Die Diözese Eichstätt verweist auf Nachfrage in diesem Fall auf einen wichtigen Leitfaden, die "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse". Darin heißt es in Artikel 5 explizit, dass das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ein Loyalitätsverstoß ist. Allerdings muss das nicht zwangsläufig zu einem Rauswurf führen. "Die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung" hänge "von der Abwägung der Einzelfallumstände ab". Die Abwägung ist im Fall Kleinschwarzenlohe allerdings offenbar zu Ungunsten von Lisa Nicklas ausgefallen.
Die 31-Jährige macht das traurig. "Eine der schönsten Vorstellungen unseres Glaubens ist doch, dass vor Gott alle Menschen gleich sind. Und dass Gott jeden liebt", sagt die Erzieherin. "Dieses Bild ist zerplatzt wie eine Seifenblase." Dass sie in einer katholischen Einrichtung keine Erzieherin mehr sein könne, nur weil sie bald mit einer Frau verheiratet sei, "das nehme ich persönlich und das kränkt mich". Härter formuliert es die oben zitierte Mutter, die ihr Kind im Kindergarten ansonsten gut aufgehoben weiß: "Das ist schon eine Art von Diskriminierung."
Es trifft dabei jemanden, der von Klein auf mit der katholischen Kirche eng verbunden ist. Lisa Nicklas ging schon als kleines Mädchen in den katholischen Kindergarten in Limbach, später in die damals noch von den Klosterschwestern geleitete Mädchenrealschule nach Abenberg. Der Glaube gab der Schwabacherin immer Halt und Kraft, auch während ihrer fünfjährigen Ausbildung, auch während ihrer Fortbildungen zur Entspannungspädagogin und zur Fachkraft für Psychomotorik.
"Scheinheiliges" Vorgehen
Theoretisch könnte es Lisa Nicklas auf einen Arbeitsgerichtsprozess ankommen lassen. Sie will das aber aus dreierlei Gründen nicht.
Erstens hält sie die katholische Kirche – trotz allem – grundsätzlich für einen "Super-Arbeitgeber". Ein langwieriges Hickhack wolle sie sich selbst nicht zumuten, aber auch dem Kindergarten und der Kirche nicht.
Zweitens wäre der Ausgang eines Prozesses wegen der oben zitierten Grundordnung des kirchlichen Dienstes offen. Die gleichgeschlechtliche Ehe wird noch nicht toleriert, auch wenn der Münchner Kardinal Marx kürzlich erstmals angedeutet hat, dass katholische Pfarrer auch gleichgeschlechtliche Paare in Einzelfällen segnen können.
Und drittens beginnt Lisa Nicklas von sich aus einen neuen Job zu suchen, bevor ihr die Kirche den Stuhl vor die Tür setzt. "Ich liebe meinen Kindergarten in Kleinschwarzenlohe, ich liebe meine Kinder dort, aber ich fange jetzt notgedrungen an, mit dieser Geschichte abzuschließen."
Lisa Nicklas’ Lebensgefährtin Julia Felßner kann das gut verstehen. Die Hockey-Bundesligaspielerin, die als Jugendliche nach eigenen Angaben "auf dem Hockeyplatz und in der katholischen Pfarrei St. Sebald sozialisiert wurde", nennt das Vorgehen der Kirche scheinheilig. "Wenn wir heimlich heiraten würden, wäre es aus Sicht der Kirche in Ordnung. Weil wir aber öffentlich zu unserer Liebe stehen, muss sich Lisa nun einen neuen Job suchen. Das ist ungerecht."
Kommentar: Ein falsches Signal der katholischen Kirche
Ja, es wird Leute geben, die sagen: Lisa Nicklas hat doch gewusst, worauf sie sich einlässt, welchen Vertrag sie unterschreibt. Sie hätte sich als Erzieherin auch einen weltlichen Arbeitgeber suchen können. Gute Leute werden in Zeiten, in der neue Kinderbetreuungseinrichtungen wie Pilze aus dem Boden schießen, schließlich überall händeringend gesucht.
Doch die Schwabacherin hat sich ganz bewusst für die Katholische Kirche entschieden. Weil ihr die Institution Kirche, weil ihr Gott wichtig sind. Und weil sie das auch an ihre Schützlinge weitergeben wollte. Das darf sie demnächst nicht mehr, weil sie heiraten wird. Als die Redaktion von dieser Geschichte gehört hat, konnte sie das zunächst gar nicht glauben. Schließlich dürfen in einem Land, in dem die "Ehe für Alle" gilt, Schwule Außenminister und Vizekanzler (Guido Westerwelle), Regierende Bürgermeister (Klaus Wowereit), CDU-Hoffnungsträger (Jens Spahn) und SPD-Landtagskandidat (Marcel Schneider) werden.
Macht die Hochzeit mit einer Frau, mit der sie schon seit zwei Jahren zusammen ist, Lisa Nicklas zu einem anderen Menschen? Welchen Unterschied macht es für die tägliche Arbeit mit Kindern, ob im Pass "ledig" oder "verheiratet" steht?
Die Katholische Kirche setzt mit der Weigerung, einen Arbeitsvertrag mit einer lesbischen Erzieherin nicht zu verlängern, ein falsches Signal. Sie grenzt aus anstatt zu integrieren.
Die Ankündigung des Münchner Kardinals Reinhard Marx, katholische Geistliche könnten in Einzelfällen auch gleichgeschlechtliche Paare segnen, könnte einen Paradigmenwechsel einläuten. Für Lisa Nicklas kommt der aber zu spät.
Vor Gott sind alle Menschen gleich, heißt es schon in der Bibel. Leider handelt die Katholische Kirche nicht immer nach diesem Leitsatz von Jesus, sondern manchmal nach dem von George Orwell in dem Roman "Farm der Tiere": Alle sind gleich, aber manche sind gleicher.
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