Ohne Masse läuft sich’s klasse
4.6.2011, 10:00 UhrAm Ende standen da also 160 Kilogramm Lebendgewicht. Soviel, wie ein ausgewachsener Pandabär auf die Waage bringt. Oder manches Motorrad.
Essen war Hochleistungssport: eine Familienpizza, acht Burger oder zwei Döner inklusive türkischer Pizza pro Mahlzeit, dazu drei Liter Cola. „Drunter ging nix. Ich hab’ gegessen, um Frust zu kompensieren“, sagt Martin Schwerdtner rückblickend. Aber es half nicht. Er blieb unglücklich. Gerade wegen seines Gewichts.
Dabei hatte doch „alles gepasst“: Mit 20 war er „gertenschlank“, konnte sich sehen lassen. Ein aktiver Fußballer mit 1,83 Meter Körpergröße und akzeptablen 80 Kilo auf den Rippen. Dann passierte das mit den Knien: „Knorpelschäden“.
Die Spirale fing an, sich zu drehen. Martin Schwerdtner hing die Stollenschuhe an den Nagel. Er, der als Verkaufstrainer viel hinterm Steuer hockte und auf diese Weise durch Deutschland tourte, wurde dick, dicker, am dicksten. Als dann auch noch seine ebenfalls beleibte Freundin bei ihm einzog, machten die beiden Essen zum Hobby. Die gesundheitlichen Konsequenzen ließen nicht lange auf sich warten: Eine Schlafapnoe raubte ihm die Energie, eine Depression gesellte sich hinzu.
Der heute 37-Jährige begann eine Burnout-Therapie in Nürnberg. Dort wurde ihm bewusst: „Ich kann mich erst wieder auf einen Job konzentrieren, wenn auch mein Körper gesund ist.“ Für Martin Schwerdtner hieß das: Abnehmen!
Nun hatte der aber schon so einiges ausprobiert: Er kannte die gängigen Diäten. Und an Sport wagte er bei seinem Gewicht kaum zu denken.
„Gott sei Dank bin ich auf Dr. Horbach gestoßen“, sagt Schwerdtner überglücklich, nippt versonnen am Milchkaffee und rückt seine Käppi zurecht. Eine adrette Erscheinung ist er inzwischen wieder, mit seinen 75 Kilo und dem sportlichen Outfit, das er wie eine Trophäe trägt.
Dank Thomas Horbach, wie gesagt. Der nämlich gilt als Kapazität auf dem Gebiet der Adipositas-Chirurgie und praktiziert seine Kunst gleich um die Ecke: Er ist Chefarzt am Stadtkrankenhaus in Schwabach. An ihn wandte sich Martin Schwerdtner in seiner wuchtigen Not. Und ihm wurde geholfen - mit einer Magen-Bypass-Operation (siehe Interview).
Der berühmte Silberstreif war allerdings schon beim Erstgespräch an Schwerdtners massigem Horizont aufgegangen. Er wollte, wollte, wollte wieder schlank sein. Und er nahm sich vor: „In fünf Jahren laufe ich beim New York-Marathon mit“. Als er selbiges Horbach beschied, flachste der: „Wenn Sie das schaffen, lauf’ ich mit“. Ein Ansporn.
Die Operation am 28. Juli 2009 verlief komplikationslos. Und innerhalb von neun Monaten warf Martin Schwerdtner mehr als 80 Kilo über Bord. Der sportliche Ehrgeiz hielt indessen an, und sein Herz begann für den Triathlon zu schlagen. Er fing wieder an zu joggen, mobilisierte Reserven — auch wenn seine Freundin, die ihm mittlerweile Ehefrau geworden war und ebenfalls per OP abgenommen hatte, jetzt einen anderen Mann liebte.
„Da war er zwar wieder, der Lebensfrust, aber statt zu essen habe ich mich in den Sport gestürzt“ – und neue Ziele entwickelt: „Ich will Mut machen ; demonstrieren, dass Übergewicht keine Sackgasse ist. Aus diesem Gedanken heraus ist auch mein Projekt entstanden: Von 160 Kilo zum Triathlon“.
Eingedenk dessen trat Martin Schwerdtner am 3. Oktober 2010 beim Sport-Scheck-Lauf in Nürnberg an und absolvierte die Zehn-Kilometer-Strecke in einer Stunde elf Minuten, „ein göttliches Gefühl“. Nächstes Etappenziel: der Rothseetriathlon am 26. Juni.
Doch das absolute Highlight seiner persönlichen Erfolge soll am 2. Juli leuchten: Dann geht Martin Schwerdtner beim „Garmin Alpentriathlon Schliersee-Spitzingsee“ an den Start. Als einer von fünf glücklichen Gewinnern übrigens, die ein Starterpaket samt optimaler Vorbereitung auf das Rennen (1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren, 10 km Laufen) erhalten haben. Trainingseinheiten mit dem zweifachen Ironman-Europameister Timo Bracht liegen bereits hinter ihm, das Wochenende mit Ex-Langläufer Peter Schlickenrieder ebenfalls.
Völlig neue Erfahrungen für Martin Schwerdtner. Doch statt zu zittern, schmeißt der Rad, Lauf- und Schwimmdress in den Kofferraum, um auch auf seinen Berufstouren durch Deutschland, die er zwischenzeitlich reaktiviert hat, trainieren zu können. Denn dass er durchs Ziel kommt, hat er bereits vor Augen: „In einer Hose, die ich zu meinen absoluten Höchstgewicht-Zeiten tragen musste“. Überhaupt sei das alles eine „Riesenherausforderung“. Eine, der er sich aber aus drei Gründen stellt: „Weil mein Herz für den Sport schlägt; weil ich Leute animieren will, aus ihrem Teufelskreis herauszukommen; und weil ich irgendwann mit meinem Arzt nach New York fliegen möchte...“
Weitere Infos erteilt Martin Schwerdtner gerne unter Telefon (01577) 19733 35.