Peter Roch: Post-Covid-Patienten brauchen einen langen Atem
30.4.2021, 06:00 UhrHerr Roch, im Laufe der nun seit über einem Jahr anhaltenden Pandemie lernen wir immer neue Begriffe kennen. Einer der jüngsten ist der des Long-Covid-Patienten.
Roch: Man spricht sowohl von Long-Covid- als auch von Post-Covid-Patienten. Das sind Menschen, die nach einer Corona-Infektion und einer Covid-Erkrankung nicht so schnell auf die Beine kommen. Die brauchen unsere besondere Hilfe.
Wie viele Menschen betrifft das denn?
Das sind gar nicht so wenige. Von den Menschen, die nach der Infektion Symptome entwickeln, sind das nach den Erfahrungen in meiner Praxis zwischen zehn und 15 Prozent.
Was fehlt ihnen?
Ganz unterschiedlich. Ganz klassisch sind langwierige Probleme mit den Bronchien. Da kann man neben Atemübungen mit Medikamenten nachhelfen, zum Beispiel mit Lungensprays, wie sie etwa an Asthma erkrankte Patienten nehmen. Aber das Coronavirus verursacht ja nicht nur Lungenkrankheiten. Es greift viele Organe an. Es gibt Patienten, denen das Virus buchstäblich aufs Herz schlägt.
Andere klagen darüber, dass sie sich nicht mehr so gut konzentrieren können. Wieder andere fühlen sich über Wochen schlapp und überhaupt nicht leistungsfähig. Und dann ist da noch die Sache mit dem Geruchs- und Geschmackssinn, den manche Covid-Patienten verlieren, und der über lange Zeit nicht mehr zurückkehren will. Diesen Leuten könnte man die Augen verbinden und eine Zitrone zu essen geben. Es würde sich für sie nicht anders anfühlen, als würden sie in einen Apfel beißen.
Wie können Sie helfen?
Wir haben inzwischen ganz gute Therapieansätze. Auch wir Ärzte lernen dazu. Bei schwerwiegenden Verläufen hole ich die Fachärzte mit ins Boot. Lungen-, HNO-Ärzte oder Kardiologen. Gerade hier in Schwabach sind wir Hausärzte sehr gut und sehr eng mit den Kolleginnen und Kollegen aus den Facharztpraxen verzahnt. Das beste Mittel gibt es aber nicht auf Rezept: Die Patienten brauchen Geduld. Man muss dem Körper Zeit geben zur Regeneration. Und wir Ärzte müssen den Menschen helfen, ihr Urvertrauen in den eigenen Körper zurückzugewinnen.
Hat es solche Langzeit-Erkrankungen auch vor Corona schon gegeben?
Ganz neu ist das nicht. Eine verschleppte Grippe schlägt schon mal aufs Herz. Und denken Sie an das Pfeiffersche Drüsenfieber, ebenfalls eine Virusinfektion. Da kämpfen auch manche Patienten monate-, manchmal jahrelang. Was neu ist, ist diese hohe Ansteckungsgefahr, die vom Coronavirus ausgeht.
Sie sagen, dass es darum geht, den Patienten das Urvertrauen in den eigenen Körper zurückzugeben.Das gelingt wie?
Das Wichtigste: Wir dürfen die Probleme, die die Patienten nach scheinbar überstandener Covid-Erkrankung haben, nicht bagatellisieren. Wir müssen das sehr ernst nehmen. Für die Psyche ist eine Störung, die einfach nicht verschwinden will, ein Riesenproblem. Ich versuche, meinen Patientinnen und Patienten Mut zuzusprechen.
Vieles braucht einfach seine Zeit. Manchmal kann man nachhelfen und das körpereigene Immunsystem stärken: regelmäßige Bewegung, gesundes Essen, gesunder Lebenswandel. Das heißt: vielleicht das Bierchen am Abend vorübergehend auch mal weglassen. Den Patienten zu sagen, "dass das schon wieder wird", reicht nicht. Für sie muss sich der Arzt Zeit nehmen, die er normalerweise gar nicht hat.
Wie lange kann sich eine Long-Covid-Erkrankung denn hinziehen?
Da muss man natürlich unterscheiden. Wer lange auf einer Intensivstation beatmet wurde, braucht viele Monate, bis er annähernd wieder seine alte Leistungsfähigkeit erreicht hat. Wenn überhaupt. Aber wir sprechen hier von Leuten, die nach ein, zwei Wochen über den Berg zu sein schienen, und die manche Beschwerden einfach nicht loswerden.
Wohlgemerkt, das sind Menschen, die mitten im Leben stehen, die vielleicht zwischen 30 und 60 Jahre alt sind. Und doch kann bei ihnen eine Long-Covid-Erkrankung schon mal vier, sechs, acht, zehn oder zwölf Wochen dauern. Manche wollen, sobald sie offiziell als "genesen" gelten, schnell wieder zurück in die Arbeit. Da muss man diese Leute gewaltig einbremsen. So schnell geht das nicht.
Wie sieht es bei Ihnen in der Praxis aus?
Ein, zwei Fälle, die wir haben, sind echt schwierig. Die anderen haben sich wieder gut regeneriert. Das macht mir Mut.
Wie lange wird Sie, wie lange wird uns Corona noch beschäftigen?
Ganz wird das nicht verschwinden. Die AHA-Regeln werden uns bleiben. Auf die Maske werde ich in der Praxis wohl auch nicht mehr so schnell verzichten. Aber wir kommen mit den Impfungen inzwischen recht gut voran. Die Impfungen, das muss man immer wieder sagen, sind sicher, gut verträglich und bieten einen Schutz vor schweren Erkrankungen. Ich glaube, dass es im August bei uns so etwas wie "normales Leben" geben wird. Und die WHO sagt, dass im Januar 2022 der Spuk weitgehend vorbei sein wird. Weil ich von Haus aus Optimist bin, schließe ich mich dieser Meinung an.
Und in der Zwischenzeit?
...müssen wir alle aufeinander aufpassen. Und guten Mutes nach vorne schauen. Ich verabschiede mich von meinen Patienten gerne mit diesem Spruch: Denken Sie positiv. Und bleiben Sie negativ.
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