Schwabach: Widerstand gegen neue "Juraleitung"
18.10.2018, 15:00 UhrAm Mittwochnachmittag hat sich der Umweltausschuss des Stadtrats auf Antrag der SPD über den Planungsstand informiert und dazu Vertreter des Netzbetreibers Tennet und des "Bürgerdialogs Stromnetz" eingeladen. Dieser "Bürgerdialog Stromnetz" ist keine Bürgerinitiative, sondern eine Art Kommunikationsagentur, die im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums die Diskussionen um die neuen Leitungen begleitet.
Dass diese Diskussionen nicht einfach werden, das wurde im Umweltausschuss mehr als deutlich. Zwar machten Tennet-Projektleiter Reinhard Hüttner und Pressesprecherin Lea Gulich deutlich, dass es noch keine konkreten Planungen gibt und man ausdrücklich den Dialog mit den Bürgern suche. Sie machten aber auch klar, dass der Bau von der Bundesregierung im Grundsatz bereits beschlossen sei. Nun suche man die beste Lösung für Mensch und Natur. Die Bedenken aber konnten sie nicht zerstreuen.
"Erhebliches Konfliktpotential"
"Wir werden erhebliches Konfliktpotenzial haben", betonte CSU-Fraktionschef Detlef Paul. "Sie werden immense Widerstände bekommen", fügte er in Richtung Tennet hinzu. Eine Haltung, die die Stimmung unter den Stadträten spiegelt und die sich auch im Beschluss zeigt.
Einstimmig sprach sich der Ausschuss dafür aus, dass die neue Juraleitung "die Abstandsregelung aus dem Landesentwicklungsplan" (LEP) einhalten müsse. Das wären 400 Meter zur Wohnbebauung. Diese Vorgabe im LEP ist aber nur eine Empfehlung, keine gesetzliche Verpflichtung. Dennoch pochen die Stadträte genauso darauf wie die Rother Kreisräte bei deren Beschluss im Juli (wir berichteten). Der Landkreis Roth ist von der Leitung in Rohr und Wendelstein betroffen.
Diese 400 Meter wären für Tennet ein großes Problem, weil momentan noch niemand sagen kann, wie die Trasse verlaufen könnte, um diesen Abstand einzuhalten.
Der Beschluss des Umweltausschusses hat noch einen zweiten Teil: "Alternative Trassen und Verlegearten sind zwingend zu prüfen." Mit Verlegearten ist die Frage gemeint, ob die neue Leitung tatsächlich, wie derzeit geplant, als Freileitung mit neuen, bis zu 70 Meter hohen Masten errichtet werden muss, oder ob eine Erdverkabelung möglich wäre.
Die Tennet-Vertreter verwiesen allerings darauf, dass eine Freileitung gesetzlich vorgeschrieben sei, da Erdverkabelungen nur in wenigen Pilotbereichen erlaubt würden. Das habe auch technische Gründe. Man habe einfach noch keine hinreichenden Erfahrungen mit der Erdverkabelung von Höchstspannungsleitungen mit Drehstrom, müsse aber die Versorgungssicherheit gewährleisten. Dennoch: "Technisch ist die Erdverkabelung machbar, aber dazu müsste man politisch die Gesetze ändern", erklärte Lea Gulich von Tennet.
Doch Erdverkabelung?
Martin Sauer wollte für die SPD deshalb gleich ein Zeichen setzen und die Forderung nach dieser Erdverkabelung beantragen. Detlef Paul (CSU) riet davon aber ab, jedoch nicht etwa, weil er dagegen wäre. Im Gegenteil. Auch er zeigte sich "etwas entsetzt, dass die Erdverkabelung ein völliges Tabu ist". Eine Freileitung würde auch die Stadtentwicklung in diesem Bereich auf Jahrzehnte erheblich beeinträchtigen. Er befürchtete aber, dass der Antrag auf eine Erdverkabelung als Zustimmung zum Bau im Bereich der jetzigen Trasse gewertet werden könnte.
Stadtbaurat Ricus Kerckhoff und Umweltreferent Knut Engelbrecht formulierten schließlich den Kompromiss, der von allen Städträten unterstützt wurde.
Probleme auch in Katzwang
Bürgermeister Dr. Thomas Donhauser (FW), der Ausschussvorsitzende, schlug zudem vor, sich eng mit den Nachbarkommunen abzustimmen — mit Blick vor allem auf Nürnberg. Denn die Trasse führt von Schwabach weiter nach Katzwang, wo aufgrund der dichten Wohnbebauung sogar mit noch größeren Problemen zu rechnen sei.
Sein Bürgermeisterkollege Dr. Roland Oeser (Grüne) bezweifelte die von Tennet versprochene Offenheit und befürchtet, dass die Bürger "vor vollendete Tatsachen gestellt" werden könnten. Besonders ärgert ihn der Hinweis von Tennet, man werde sehr genau auf den Naturschutz achten und bemühe sich sogar um Verbesserungen. "Lassen Sie doch diese blumigen Versprechen weg, die glaubt Ihnen doch eh keiner", sagte Oeser. Die beiden Tennet-Vertreter nahmen solch deutliche Kritik professionell ohne sichtbare Regung hin.
Karin Holluba-Rau verwies zudem auf ein Grundproblem: "Wir wünschen uns eine ganz andere Politik." Die Energiewende solle dezentral verwirklicht werden statt durch lange Leitungen, die Strom aus Windkraft von der Nord- und Ostsee nach Bayern liefern.
Und wie weiter? Bürgermeister Donhauser hat seine Zweifel, dass "ein Beschluss eines Schwabacher Stadtratsausschusses in Berlin ein Beben auslösen wird". Dennoch wollen alle Parteien bei ihren Bundestagsabgeordneten Druck für zumindest eine Erdverkabelung machen.
Konkrete Planung beginnt erst
Noch wäre Zeit. Denn die konkrete Planung beginnt erst. Tennet hofft bis 2023 auf den sogenannten Planfeststellungsbeschluss. Damit könnte die neue Leitung von 2024 bis 2026 gebaut werden. Der Rückbau der alten Leitung würde 2027/28 folgen.
Für den Bau ist Tennet auch auf eine Einigung mit den Eigentümern der erforderlichen Grundstücke auf der künftigen Trasse angewiesen. Mit dem Planfeststellungsbeschluss aber wäre ein "Einklagerecht auf Duldung der Nutzung" verbunden, so Reinhard Hüttner.
Gleichzeitig betonte der den Willen zum Bürgerdialog: "Wir nehmen Vorschläge gerne auf, so weit es geht."
Zwei Einladungen zum Dialog
Dieser Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern kommt auch in Gang — mit gleich zwei Angeboten: Am kommenden Mittwoch wird Tennet mit einem "Bürgermobil" von 9.30 bis 12 Uhr am Schwabacher Marktplatz sein.
Und am Dienstag, 6. November, folgt eine Veranstaltung im Feuerwehrhaus in Regelsbach. Dort wird Professor Matthias Wuschek von der Technischen Hochschule Deggendorf über die mit der Trasse verbundene elektrische und magnetische Strahlung sowie den Lärm der Leitung sprechen.
Bürgerinitiativen entlang der Trasse warnen bereits vor einem "medizinischen Großversuch" in Sachen Strahlung.
Professor Wuschek ist staatlich vereidigter Sachverständiger und berät auch die Bundesregierung. Auch er war zu Gast im Umweltausschuss und betonte, dass sich die neue Trasse an alle gesetzlichen Vorgaben halten müsse und werde.
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