Ärger am Adam-Kraft-Gymnasium
Schwabacher Schüler verweigert Corona-Tests - Schulleiter erhält Drohungen
9.11.2021, 08:38 UhrAKG-Direktor Harald Pinzner erklärt auf Nachfrage unserer Zeitung: "Diese Entscheidung ist noch nicht gefallen." Man habe der Familie über deren Rechtsanwalt nochmals bis 15. November Bedenkzeit gegeben. Pinzner selbst sieht sich seit der Veröffentlichung am Mittwoch einem Shitstorm im Internet ausgesetzt und hat inzwischen Strafanzeige erstattet.
Der Schüler der zwölften Jahrgangsstufe habe seit Schuljahresbeginn 2020/21 den Unterricht nicht mehr besucht, so Pinzner. Auch nicht im neuen Schuljahr 2021/22. Der Grund: Er wolle sich nicht auf Corona testen lassen. In dieser Haltung wird er von seiner Mutter unterstützt.
"Fühle mich unwohl"
"Ich bin kerngesund, warum soll ich mich testen lassen", wird der Schüler in der Bild zitiert. "Ich finde alles übertrieben und fühle mich unwohl, wenn ich mir dreimal in der Woche ein Stäbchen in die Nase stecken soll." Zudem fühle er sich von der Schulleitung gemobbt, heißt es weiter. Auch werde er von der Schule nicht über Klausuren informiert und habe deshalb bereits zwei Sechser bekommen.
"Bild" zitiert aus einem Schreiben von Direktor Pinzner. Darin heißt es, die Schule müsse das Fernbleiben mit einer "Austrittserklärung" gleichstellen. Wenn sich der Schüler aber testen lasse, dürfe er wieder kommen. Die "Bild" bezeichnet dies als "Knallhart-Maßnahme am Adam-Kraft-Gymnasium".
Auf Anfrage unserer Zeitung erklärt Harald Pinzner, dass die Schule lediglich die neue Rechtslage umsetze, und zwar im Absprache mit dem Bayerischen Kultusministerium. Seit 8. Oktober gilt in Bayern nach dem Beschluss des Ministerrats, "dass dass Schülerinnen und Schüler aufgrund ihrer verfassungsrechtlich verankerten Schulpflicht dazu verpflichtet sind, den Präsenzunterricht zu besuchen, auch wenn sie hierzu einen Testnachweis beibringen müssen, wenn sie nicht geimpft oder genesen sind". So erklärt es das Kultusministerium auf Anfrage unserer Zeitung.
Niemand wird gezwungen
Zu einem Test gezwungen werde niemand, heißt es weiter. Für Testverweigerer bedeute die neue Regelung aber: "Schülerinnen und Schüler, die keinen negativen Test vorweisen, haben keinen Anspruch auf Distanzunterricht mehr. Die Schulpflicht kann also nicht durch Distanzunterricht erfüllt werden", so das Kultusministerium.
Schülerinnen und Schüler, die nicht regelmäßig am Unterricht teilnehmen, verletzten daher ihre Schulpflicht und Erziehungsberechtigte "ihre Pflicht, auf den regelmäßigen Unterrichtsbesuch ihrer Kinder hinzuwirken", heißt es in der Pressemitteilung des Kultusministeriums weiter. "Eine Beurlaubung vom Präsenzunterricht kann nur noch erfolgen, wenn Schülerinnen oder Schüler selbst eine Grunderkrankung haben beziehungsweise Personen mit Grunderkrankungen mit der Schülerin beziehungsweise dem Schüler in einem Haushalt leben und dies mit Attest nachgewiesen wird. Eine Beurlaubung vom Präsenzunterricht aufgrund einer individuell empfundenen Gefährdungslage ist dagegen nicht mehr möglich."
Die Staatsregierung bezeichnet diese Regelungen als "geeignet und verhältnismäßig". Dies habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am 11. Oktober bestätigt.
Aussagen "schlicht falsch"
Konkret zum Fall am AKG widerspricht Direktor Pinzner der Darstellung der Bild-Zeitung. "Er ist nicht von der Schule geflogen. Wir haben den Beschluss noch nicht gefasst." Vielmehr habe er der Familie nochmals bis 15. November Bedenkzeit gegeben. Auch sei die Aussage des Schülers, die Schule habe ihn nicht über Schulaufgaben informiert, "schlicht falsch". Alle Schulaufgabentermine der Oberstufe stünden auf den internen Internetseiten der Schule.
Nach dem Erscheinen des Bild-Artikels berichtet Pinzner von einem Shitstorm im Internet: "Ich werde als ,Verbrecher` und ,Corona-Nazi` beleidigt. Zudem gibt es Drohungen: ,Wenn Sie der Lehrer meiner Kinder wären, würden Sie nicht mal zum Gerichtssaal kommen`." Gegen die Verfasser hat Pinzner deshalb Strafanzeige gestellt.
Der Rechtsanwalt der Familie, Mario Bögelein, betont im Gespräch mit unserer Zeitung, dass die Tests "nach wie vor freiwillig sind". Daran ändere auch der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Oktober nichts. Die Rede ist von einer sogenannten Testobligenheit. "Und eine Obligenheit ist keine Pflicht, sondern eine freiwillige Handlung", so der Rechtsanwalt.
Abitur von daheim?
Weiter betont er: "Der Schüler will selbstverständlich sein Abitur machen", aber im quasi im Selbststudium im Distanzunterricht, so wie es bisher auch möglich war. "Warum akzeptiert man das nicht? Ich wäre froh, wenn man bei diesem Thema keine Eskalation betreibt, sondern im Einzelfall Lösungen findet."
Das Schreiben der Schulleitung mit der bis 15. November gewährten Bedenkzeit sei erst am Donnerstag eingegangen. Er werde dies mit der Familie beraten. Wenn es aber zu einem Schulausschluss kommen sollte, würde man dagegen Rechtsmittel einlegen, kündigt Bögelein an.
Im Fall des 17-Jährigen ist laut Direktor Pinzner die Schulpflicht mit dem Bestehen der zehnten Klasse und dem mittleren Schulabschluss erfüllt. Bei jüngeren Schülerinnen und Schülern, die die Tests verweigern, ist das aber noch nicht der Fall. Im Extremfall können Bußgelder durch die Städte und Landratsämter verhängt werden.
Nur wenige Verwarnungen
"Bisher haben wir zunächst zwei Verwarnungen ausgesprochen", erklärt Schwabachs Oberbürgermeister Peter Reiß. Wenn die Schülerin oder der Schüler weiter nicht in der Schule erscheinen, werde man ein Bußgeldverfahren wegen Schulpflichtverletzung einleiten. "Ein mögliches Bußgeld würde 25 Euro am Tag betragen", so Schulkoordinator Dr. Manuel Kronschnabel.
Für das Schulamt Roth-Schwabach, das für alle Grund- und Hauptschulen zuständig ist, erklärt deren Leiterin Antje Döllinger: "Bisher gilt eine Karenzzeit bis zum Ende der Herbstferien, wie es das Kultusministerium ermöglicht. Stichtag ist der kommende Montag. Ab dann werden wir die neue Regelung auf jeden Fall umsetzen."
Im Moment schätzt sie die Zahl der Testverweigerer auf "drei bis fünf", so Döllinger. "Bei 8551 Grund- und Mittelschülern in Schwabach und im Landkreis Roth ist das also kein sehr verbreitetes Phänomen." Grundsätzlich setzten die Schulen auf Gespräche mit Eltern. "Aber leider", sagt Antje Döllinger, "gibt es auch Fälle, da lehnen die Eltern jedes Gespräch ab". Dann bleibe nur, das Landratsamt einzuschalten, das ein Bußgeldverfahren einleite.
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