Schwabachs Baracken: Durchgangsstation für über 50 000

25.4.2016, 08:35 Uhr
Schwabachs Baracken: Durchgangsstation für über 50 000

© Foto: Robert Schmitt

Als Festredner war Johannes Hintersberger (CSU), Staatssekretär im bayerischen Sozialministerium, zu Gast. Oberbürgermeister Matthias Thürauf (CSU) samt beider Stellvertreter, die Landtagsabgeordneten Karl Freller (CSU) und Volker Bauer (CSU), Bezirkstagsvizepräsidentin Christa Naaß (SPD), Landrat Herbert Eckstein (SPD) sowie mehrere Erste Bürgermeister der Gemeinden des Landkreises Roth erwiesen den Heimatvertriebenen ihre Reverenz.

Weihnachtsbäume gestohlen

Höhepunkt der Veranstaltung mit zahlreichen Gästen, die noch selbst ihre ersten Tage nach der Vertreibung im Vogelherd-Lager verbracht hatten, war ein Interview mit drei Zeitzeugen. Wally Bauer aus Nürnberg und Herbert Müller aus Weißenburg waren als Kinder aus dem Sudetenland nach Schwabach gekommen. Georg Rahnhöfer aus dem Kammersteiner Ortsteil Haag war damals Zimmerer-Lehrling in Schwabach gewesen, hat sich als 16-jähriger in ein Sudeten-Mädchen aus Mies verliebt und sie im Mai 1950 geheiratet. 1946 hat er sich mit drei Familien aus dem Lager angefreundet. „Für das Weihnachtsfest habe ich für sie im Heidenberg Weihnachtsbäume gestohlen“, erzählte er.

Für Wally Bauer waren die Tage in Schwabach geprägt von Sorge und Ungewissheit. „Ich wusste nicht, wo mein Vater und mein Bruder sind“, erinnerte sie sich. Auf die Frage, ob sie denn ihre erste Heimat vergessen habe, antwortete sie mit einem klaren „Nein“. Sofort nach der Wende sei sie mit ihren vier Töchtern nach Langgrün gefahren. Seither habe sie ihr Heimatdorf und Karlsbad regelmäßig besucht.

„Als Menschen angesehen“

Herbert Müller war vor seiner Abschiebung nach Bayern in einem tschechischen Internierungslager gewesen. „Die Freiheit hier war für mich eine große Sache“, erklärte er. „Wir wurden hier als Menschen angesehen“, so Müller, der seinen Worten zufolge damals nie an Integration gedacht hat. „Wir waren sicher, dass wir wieder heimkommen, denn ein derartiges Unrecht konnte doch keinen Bestand haben.“ Integration sei für ihn erst „viel, viel später aktuell geworden“. Staatssekretär Johannes Hintersberger verwies auf die „beeindruckende Leistung der Sudetendeutschen“. Gemeinsam mit den Bayern, Schwaben und Franken hätten sie den Freistaat zu dem gemacht, was er heute ist. „Sie sind als vierter Stamm Leistungsträger unseres Gemeinwesens“, rief er den Sudetendeutschen verschiedener Generationen zu, „und haben eine wunderbare Integrationsleistung erbracht.“

Hintersberger hob auch die Leistung der Schwabacher nach dem Krieg in einem zerstörten Land hervor. „Sie haben die Heimatvertriebenen so gut es ging aufgenommen, dafür gilt ihnen noch heute unser Dank“, so Hintersberger, der insbesondere die Integration der Vertriebenen in den Arbeitsmarkt als Schlüssel zum Erfolg sah. Das war für den CSU-Politiker die entscheidende Parallele zu den Flüchtlingen, die heute nach Deutschland kommen. „Die, die in echter Not sind, bekommen bei uns Aufnahme und Schutz“, versicherte er, sah aber in der Bewältigung der weltweiten Flüchtlingsströme die größte Herausforderung für Deutschland seit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.

Ferner unterstrich Hintersberger das mittlerweile vom Dialog bestimmte Verhältnis zur Tschechischen Republik. „Er ist geprägt worden von der Sudetendeutschen Landsmannschaft, die im engen Schulterschluss mit dem bayerischen Ministerpräsidenten und der tschechischen Staatsführung einen guten und segensreichen Schritt auf dem Weg zu mehr Verständigung in Europa getan hat“, so Hintersberger.

Vertreibung wird aufgearbeitet

Steffen Hörtler, Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Bayern, machte auf die Aufarbeitung der Vertreibung in der Tschechischen Republik aufmerksam und sah darin ein Zeichen für große Fortschritte in Sachen Versöhnung.

Das schlechte Wetter am Samstag Nachmittag machte dem weiteren Verlauf der Veranstaltung einen Strich durch die Rechnung. Eigentlich hatte die Stadt Schwabach geplant, exakt an dem Ort im Vogelherd einen Empfang zu geben, an dem eine der Holzbaracken platziert gewesen war. Dort warteten ein Büffet und das Goldmobil, von dem herab Matthias Thürauf ein Grußwort sprechen sollte. Ferner war vorgesehen, dass Dekan Klaus Stiegler und Domkapitular Alois Ehrl Dankgebet und Totengedenken leiten sollten. Beides fiel aufgrund des Dauerregens aus. Die Feier am Büffet war deutlich verkürzt und ausschließlich mit Schirm möglich.

Dieter Heller, Vorsitzender der Sudetendeutschen im Kreis Roth-Schwabach, und sein Stellvertreter Wilhelm Rubick hoben die Bedeutung des Gedenkens für ihren Verband hervor. Beide dankten der Stadt Schwabach für die Unterstützung bei der Organisation der Gedenkveranstaltung.

Ähnliche Feiern fanden am Samstag auch an den ehemaligen Grenzdurchgangsstationen in Furth im Wald und in Wiesau statt.

Keine Kommentare